Slavia Prag: Meistertitel trotz umgekrempelter Mannschaft
Drei Spieltage vor Saisonende steht Slavia Prag als tschechischer Fußballmeister fest. Durch einen 1:0-Sieg gegen Verfolger Viktoria Pilsen vor eigenem Publikum konnten die Rot-Weißen den Titel verteidigen.
Noch lange feierten am Mittwoch die Fans und die Spieler zusammen. Natürlich mit dem gebotenen Abstand aufgrund der Corona-Krise. Im Spiel gegen den größten Ligakonkurrenten hatte zuvor Petr Ševčík den entscheidenden Treffer erzielt. Spät in der Nacht war der Mittelfeldspieler immer noch ziemlich ergriffen:
„Das war das Schönste, was ich bisher in meiner Karriere erlebt habe: den Siegtreffer zu schießen und damit die Meisterschaft zu sichern. Einfach unbeschreiblich. Dass wir dann zum Glück auch noch mit den Fans feiern konnten, war ein unglaubliches Erlebnis.“
Mehr als zwei Monate lang hatte auch der tschechische Fußball pausieren müssen wegen der Pandemie. Und erst seit einer Woche sind hierzulande wieder Stadionbesucher zugelassen. Immerhin verfolgten somit 3500 Fans im Stadion Eden den Schlager gegen Plzeň / Pilsen.
In der Rückrunde musste Slavia Prag jedoch mehr kämpfen, als man sich das wohl vorgestellt hatte. Vor der Winterpause lag der Traditionsklub noch mit 16 Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze, zuletzt waren es nur noch sechs Zähler gewesen. Allerdings hatten vor Saisonbeginn sowie im Winter viele wichtige Spieler den Verein verlassen. Zum Beispiel die Mittelfeldmotoren Tomáš Souček und Alex Král, der Defensivallrounder Simon Sylvanus Deli oder Goalgetter Milan Škoda. Und das sei nicht alles gewesen, sagt Trainer Jindřich Trpišovský:
„Wir hatten auch mit vielen schweren Verletzungen in der Mannschaft zu kämpfen. Dazu eben der Abgang von acht bis neun Schlüsselspielern. Das hätte jedes Team auf der Welt schwer beeinträchtigt. Deswegen hat der Titel für mich eine besondere Bedeutung. Schließlich besteht unser Kader geschätzt zu 70 Prozent aus Spielern, die vor der Saison neu hinzugekommen sind.“
Dazu gehörten auch Liga-Debütanten wie Mittelfeldspieler Lukáš Provod oder Verteidiger David Zima. Deswegen gebe es auch einen klaren Vater des Erfolges, findet der ehemalige Slavia-Profi Zdeněk Šenkeřík:
„Trainer Trpišovský schafft es wohl, einen Geheimtrunk zu mixen. Er holt zum Beispiel Nachwuchsprofis und stellt sie gleich in die Startelf. Ein Beispiel ist David Zima, den er bei Olmütz abgeworben hat und der auf dem Rasen auftritt, als gehöre er schon seit Jahren zum Team. Wenn ein Trainer in dieser Weise fähig ist, die richtigen Spielertypen zu finden und aufzubieten, dann kann er auch feiern.“
Für Slavia ist es nun die dritte Meisterschaft in kurzer Zeit. Erfolgreicher waren die Rot-Weißen nur in der Ära um Weltrekordtorschütze Josef „Pepi“ Bican und Torwartlegende František Plánička. Das liegt allerdings schon über 70 Jahre zurück.
Mit dem erneuten Titelgewinn dürfen die Slavia-Spieler ab sofort den zweiten Stern auf der Brust tragen – für insgesamt 20 Meisterschaften in der Vereinsgeschichte. Bis zum tschechischen Rekordmeister Sparta Prag mit seinen 36 Erfolgen ist es indes noch ein Stück.