Mittelböhmen in Brüssel

Petr Hnizdo
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Die Tschechische Republik ist seit der der Verwaltungsreform im Jahr 2001 in vierzehn Kreise gegliedert. Der mittelböhmische Kreis ist das Gebiet, das die Hauptstadt Prag umfasst. Prag selbst gehört nicht zum mittelböhmischen Kreis, sondern bildet als Hauptstadt eine eigenständige Verwaltungseinheit. Die meisten der vierzehn tschechischen Kreise haben mittlerweile eine Vertretung in Brüssel und werden dadurch auch innerhalb der Europäischen Union repräsentiert. Der Leiter des Verbindungsbüros des mittelböhmischen Kreises in Brüssel ist Petr Hnizdo. Hnizdo ist in Deutschland aufgewachsen, hat in Prag studiert und vertritt seit anderthalb Jahren Mittelböhmen auf europäischer Ebene. Andreas Wiedemann sprach mit ihm über seine Arbeit in Brüssel:

Herr Hnizdo, Sie arbeiten in Brüssel und sind dort der Leiter des Verbindungsbüros der mittelböhmischen Region. Warum hat Mittelböhmen überhaupt ein eigenes Büro in Brüssel?

"Regionen sind in der derzeitigen Europäischen Union wichtige Partner für die Institutionen der EU. Wir werden sehr oft angesprochen. Man möchte hören, was in unseren Regionen los ist. Und wir wollen natürlich direkt vor Ort informiert sein, wollen bei wichtigen Entscheidungen mit dabei sein, die das tagespolitische Geschehen in unserer Region beeinflussen könnten."

Das heißt, auch die anderen tschechischen Kreise haben Vertretungsbüros in Brüssel?

"Nicht alle. Bis jetzt haben die Pilsener Region, die südböhmische Region, Karlsbad, Liberec, Zlin und Olmütz Vertretungen in Brüssel. Es fehlen also noch einige Regionen, die aber jetzt im Jahr 2007 ihr eigenes Büro in Brüssel eröffnen wollen."

Ist der Status der Verbindungsbüros in Brüssel vergleichbar mit dem Status anderer Regionen, wie z.B. Nordrhein Westfalen oder Bayern, wenn wir jetzt an Deutschland denken?

"Es gibt da sehr wohl Unterschiede. Man darf nicht unterschätzen, dass die deutschen Bundesländer ganz andere Kompetenzen haben als die tschechischen Regionen. Unsere Region ist ja gewissermaßen die Ringregion um die tschechische Hauptstadt Prag, wir sind also so etwas Ähnliches wie Brandenburg um Berlin. Man kann das natürlich mit den deutschen Verbindungsbüros in Brüssel nicht vergleichen, weil die viel mehr Kompetenzen haben, d.h. ein deutsches Verbindungsbüro hat im Durchschnitt 15 bis 30 Mitarbeiter während die tschechischen Büros meistens nur zwei bis vier Mitarbeiter haben."

Was genau ist die Aufgabe des Verbindungsbüros der mittelböhmischen Region in Brüssel?

"Ich würde unsere Tätigkeit in drei große Bereiche einteilen: Auf der einen Seite ist das natürlich die Repräsentanz der Region in Brüssel. Diese Aufgabe ist mit einer gewissen Lobbyarbeit verbunden, d.h. unsere Interessen in den europäischen Institutionen warzunehmen. Also den Kontakt zur europäischen Kommission, zum europäischen Parlament und zum Ausschuss der Regionen zu pflegen und natürlich auch zu den tschechischen Vertretungen, die in Brüssel bereits ansässig sind. Das ist zum Beispiel die ständige Vertretung der Tschechischen Republik oder die tschechische Botschaft im belgischen Königreich, aber auch andere Institutionen, die ihre Büros in Brüssel haben. Das ist der eine Block. Die zweite wichtige Aufgabe ist die journalistische Tätigkeit. Diese besteht zum Beispiel darin, Subjekte in der Region über Programme zu informieren und Städte, NGOs oder andere Interessengruppierungen, die an Fördermöglichkeiten interessiert sind, über ihre Möglichkeiten zu informieren. Eine weitere Aufgabe besteht natürlich darin, Mittelböhmen über das neueste Geschehen in Brüssel zu informieren. Wir versuchen, die wichtigsten Informationen auf unseren Internetseiten zu veröffentlichen. Das können Ausschreibungen sein oder die Suche nach Partnern für internationale Projekte, die im gesamten europäischen Raum entstehen. Der dritte Bereich, den ich erwähnen möchte, ist natürlich die Zusammenarbeit. Derzeit sind in Brüssel über dreihundert Regionen vertreten. Das ist das Interessante an Brüssel, dass Brüssel nicht nur der Hauptsitz der wichtigsten Institutionen der EU ist, sondern dass in Brüssel über diese Regionalbüros im Grunde genommen der gesamte europäische Raum vertreten ist. Wir versuchen natürlich mit anderen Verbindungsbüros, gemeinsame Projekte auf die Beine zu stellen, sie zu kontaktieren, sie über ihre Erfahrungen mit bestimmten Problemen und Bereichen zu befragen, Kongresse und Workshops zu veranstalten. Diese Zusammenarbeit ist auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt unserer Tätigkeit in Brüssel.

Ihre Aufgaben beziehen sich also auf verschiedene Bereiche?

"Selbstverständlich. Deshalb beneide ich auch meine deutschen Kollegen, die für die deutschen Bundesländer in Brüssel arbeiten, weil jedes deutsche Verbindungsbüro ein Team zusammengestellt hat, das im Grunde genommen aus spezialisierten Referenten besteht, die sich auf konkrete Bereiche spezialisieren. Das heißt, es gibt einen Referenten, der für Landwirtschaft zuständig ist, einen der für Umweltfragen zuständig ist, einen für Kultur usw. Diese ganzen Bereiche müssen wir in Brüssel alleine abdecken, was sehr viel Arbeit ist.

Tschechien ist noch ein junges EU-Mitglied. Wahrscheinlich werden diese Strukturen in Zukunft noch ausgebaut.

"Ich will es hoffen. Vor allem weil ich der Meinung bin, dass das Interesse an der EU ständig steigt. Als ich vor anderthalb Jahren nach Brüssel gekommen bin, war das Interesse in unserer Region am europäischen Geschehen nicht sehr groß. In der Region versucht man vor allem die großen Probleme zu lösen, die vor Ort bestehen. Das ist bei uns zum Beispiel das Verkehrswesen. Da wir die größte Region in der Tschechischen Republik sind, haben wir auch das größte Straßennetz und alle Straßen und Verbindungen, die in die Hauptstadt führen, verlaufen durch unsere Region. Das Verständnis für unsere Tätigkeit in Brüssel war am Anfang nicht besonders groß, wobei ich sagen muss, dass sich das in den letzten Monaten geändert hat.

Gibt es in Brüssel regelmäßige Kontakte zu den Vertretern der anderen tschechischen Regionen und zu den Vertretern anderer europäischer Regionen? Gibt es da einen regen Austausch, so dass man das Gefühl hat, man kann auch von den Erfahrungen anderer europäischer Regionen für die eigene Arbeit lernen?

Foto: Europäische Kommission
"Also ohne eine intensive Zusammenarbeit geht es im heutigen Europa einfach nicht, wobei natürlich die Zusammenarbeit mit den anderen tschechischen Regionen am intensivsten ist. Alle tschechischen Verbindungsbüros in Brüssel arbeiten sehr eng zusammen. Es ist einfach ein Unterschied, wenn ein Vertreter einer tschechischen Region alleine vor die europäische Kommission tritt und höhere Fördergelder zum Beispiel für den Verkehrsbereich beantragt. Das wird zwar zur Kenntnis genommen, aber wenn mehrere Personen vor die Kommission treten und auf die gleichen Probleme hinweisen, dann hat das eine ganz andere Wirkung. Die Zusammenarbeit besteht natürlich auch mit anderen Regionen. Wir versuchen vor allem mit Regionen zusammenzuarbeiten bei denen es auch einen Sinn macht. Das heißt, wir versuchen vor allem, mit den neuen Mitgliedsstaaten unser Vorgehen abzubesprechen. Wir versuchen aber auch, von den alten EU-Mitgliedern wie Spanien, Portugal und Irland etwas zu lernen. Aber auch die neuen deutschen Bundesländer sind wichtige Partner für uns.

Die Tschechische Republik übernimmt im Jahr 2009 den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft. Gibt es in diesem Zusammenhang konkrete Aufgaben für Sie?

Das tschechische Außenministerium hat uns deswegen bereits kontaktiert. Es möchte während der Ratspräsidentschaft sehr eng mit den Regionen zusammenarbeiten. Die Vorbereitungen müssen früh beginnen. Wir arbeiten zur Zeit ein Konzept aus, eine Strategie, wie die mittelböhmische Region in die Ratspräsidentschaft integriert werden kann. Wir werden versuchen, informelle Ratstreffen bei uns in der Region zu veranstalten. Dafür brauchen wir geeignete Lokalitäten, die über eine geeignete Infrastruktur verfügen. Meistens sind das Treffen, zu denen 200 bis 300 Leute eingeladen werden. Da kommen nicht nur einzelne Minister, die zu den Fachgesprächen eingeladen werden, sondern auch die Delegationen der Länder, zusammen mit den Dolmetschern. Wir werden natürlich die Ratspräsidentschaft dafür nutzen, die mittelböhmische Region möglichst gut in Europa zu präsentieren. Das heißt natürlich, wir werden auch versuchen, Delegationen von Journalisten und Unternehmern in die Region zu holen, um Mittelböhmen als eine interessante Region für Investoren zu präsentieren und generell das Interesse an unserer Region zu steigern.

Vielen Dank für das Gespräch.