Molekularbiologe Jiří Friml - Körber-Preisträger 2010

Jiří Friml (Foto: VIB)

Der tschechische Molekularbiologe Jiří Friml hat für seine richtungweisenden Arbeiten zu Pflanzenhormonen im vergangenen Jahr den mit 750.000 Euro dotierten Körber-Preis erhalten. Frimls Entdeckung zur Verbreitungsweise des Hormons Auxin in den Pflanzen sei von eminenter Bedeutung, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Körber-Stiftung bei der Preisverleihung.

Jiří Friml
Professor Jiří Friml, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum renommierten Körberpreis 2010. Hat Sie die Nachricht überrascht?

„Vielen Dank für die Gratulation. Ja, die Nachricht mich schon überrascht. Ich wurde nominiert ohne das wirklich zu wissen, von den Kollegen, die ich nicht wirklich persönlich kenne. Und deswegen war es eine große und angenehme Überraschung.“

Man schreibt jetzt überall: Sie haben mit Ihrer Entdeckung „die“ Waffe gegen den Hunger in der Welt gefunden. Und zwar haben Sie entdeckt, wie man das Wachstum von Pflanzen beeinflussen kann, ohne ihre Gene zu manipulieren. Stichworte: Hormon Auxin und Trägerprotein. Erklären Sie das bitte mal einem Laien wie mir.

Quelle: Nicolle Rager Fuller,  National Science Foundation
„Also zunächst: Das ist nicht ganz genau. Wenn wir durch Auxin das Wachstum manipulieren wollen, dann machen wir das schon mit Genmanipulation. Wir manipulieren den Auxin-Fluss und die Auxin-Biosynthese. Und das ist schon durch Gene kodiert. Die Hauptentdeckung: Es geht darum, dass wir gezeigt haben, dass dieses seit langem bekannte Hormon Auxin wie ein universaler Schalter funktioniert, der viele verschiedene Entwicklungsprozesse in Pflanzen reguliert. Und spezifisch haben wir gezeigt: Um das zu bewirken, akkumuliert sich das Auxin in den Zellen, die dann ihre Entwicklung oder ihr ´Verhalten´ ändern müssen. Und: es gibt ein ausgeklügeltes Transportsystem in den Pflanzen, das dann das Auxin gerade in die Zellen, in denen es gebraucht wird, bringt. Das waren die Hauptentdeckungen des Konzepts.“

Foto: ČT24
Wofür kann Ihre Erkenntnis von praktischem Nutzen sein?

„Überall, wo wir Pflanzenarchitektur ändern wollen oder gezielt manipulieren wollen, da können wir Auxin als Werkzeug benutzen…“

Zum Beispiel?

Jiří Friml  (Foto: Friedrun Reinhold,  Körber-Stiftung)
„Zum Beispiel beim Wurzelsystem: entweder längere Wurzeln auf trockenen Böden oder weiter verzweigte Wurzeln auf nahrungsarmem Boden. Das wäre das einfachste Beispiel. Oder wenn wir kürzere Stängel bei Getreide oder mehr Stängel bei Reis wollen. Oder wenn wir die Pflanzen überzeugen wollen, auf dem Feld nicht miteinander zu konkurrieren. Denn die Kulturpflanzen stehen normalerweise dicht beieinander und investieren einen großen Teil ihrer Energie dann in das Längenwachstum, damit sie schneller ans Licht kommen. Und das ist bei den Kulturpflanzen unerwünscht, weil wir wollen, dass sie alle gleich wachsen, nicht konkurrieren und die Energie in die Früchte oder die Samenbildung investieren. Also das kann man mit Auxin eigentlich auch unterdrücken, diese Konkurrenz.“

Pflanzengallen werden von Agrobacterium tumefaciens-Bakterien verursacht. Diese produzieren und setzen Auxin und Cytokinin frei,  die die normale Zellteilung an der Infektionsstelle stören und zu Wucherungen führen  (Foto: Forestry Images)
Können Sie sich noch an den Augenblick erinnern, als Sie entdeckt haben, wie das mit dem Auxin läuft? War das ein großer Augenblick?

„Das waren mehrere große Augenblicke, würde ich sagen. Das ganze Konzept ist nicht in einer Sekunde dagewesen. Das waren schon mehrere Teilentdeckungen, die dann zu dieser Formulierung geführt haben. Aber ja, ich kann mich an die einzelnen Momente schon gut erinnern und das war sicher sehr angenehm.“

Haben Sie damals schon geahnt, welche bahnbrechende Dimension Ihre Erkenntnis hat?

„Ich denke ich war mir dann gleich bewusst, wohin das führen kann. Und als das dann alles zusammenkam, war das offensichtlich, wie wichtig das ist.“

 Beispiele der Auxin-Gradienten  (Foto: Živa)
Herr Friml, Sie 37 Jahre alt, verdammt jung für so lange Publikationslisten und so große Entdeckungen. Wie haben Sie das geschafft? Was ist Ihr Geheimnis? Schlaflose Nächte?

„Na ja, ich meine, man muss schon hart arbeiten. Ohne das geht es sicher nicht. Man darf nicht ganz dumm sein. Ich hoffe also, ich bin nicht ganz dumm. Man muss ein bisschen Glück haben, sich mit dem richtigen Thema auf die richtige Weise auseinanderzusetzen. Also, ich weiß es nicht. Sie müssen die anderen fragen, wieso die das nicht geschafft haben. Ich denke, ein Teil des Erfolgs kommt sicher daher, dass ich ursprünglich nicht Biologe bin, sondern aus dem Chemiebereich komme. Viele Biologen sind ein bisschen beschränkt in dem Sinne, dass sie gewohnt sind nur bestimmte Ansätze zu benutzen und dann ist es für sie vielleicht schwieriger auf einen anderen umzuschalten. Für mich sind alle Ansätze fremd, deswegen mache ich keinen Unterschied. Es kann Teil des Erfolgs sein, dass ich offener bin für andere Ansätze und Möglichkeiten.“

Jiří Friml  (Foto: Jann Wilken,  Körber-Stiftung)
Sind Sie verheiratet? Ist Ihre Frau nicht eifersüchtig auf die Pflanze Acker-Schmalwand. Das ist Ihre Probandin, mit der Sie ja sicher unendlich viel Zeit verbringen?

„Na ja. Glücklicher- oder unglücklicherweise hat meine Frau genau dasselbe Problem. Deswegen hat sie sehr viel Verständnis dafür, denn sie hat auch eine eigene Forschungsgruppe, sie ist auch ziemlich erfolgreich und arbeitet auch mit dieser Acker-Schmalwand. Deswegen probieren wir, uns die Pflichten und die Familie und die Arbeit - und die Freude mit der Familie – irgendwie zu teilen. Also, deswegen hat sie viel Verständnis.“

Wissenschaftlerin Eva Benková,  die Ehefrau von Jiří Friml  (Foto: VIB)
Sie stammen aus dem südmährischen Dorf Nedakonice. Hat das Landleben Ihre Entscheidung beeinflusst, Biologie zu studieren?

„Schwer zu sagen. Ich vermute schon. Also wir hatten immer einen großen Garten und von klein auf war ich dort und war manchmal in zu intimem Kontakt mit den Kulturpflanzen. Also auf jeden Fall bin ich mitten in diesen Dingen aufgewachsen. Und deswegen hat mich Biologie schon interessiert, recht früh, würde ich sagen. Also mit elf, zwölf Jahren war ich dann mit dem Fernglas unterwegs in der Umgebung unseres Dorfes.“

Sie sind zurzeit Professor an der Universität Gent. Kommen Sie noch oft nach hause, nach Tschechien?

Abteilung für Pflanzen-Systembiologie an der Universität Gent  (Foto: Universität Gent)
„Ziemlich oft, dafür, dass das fast 1300 Kilometer weg ist. Denn ich probiere den Kontakt zu halten. Ich arbeite viel zusammen mit Instituten in Prag und auch in Brünn. Der Austausch ist ziemlich intensiv. Ich sehe auch gerne und regelmäßig meine Geschwister und meine Eltern. Ich würde sagen, mindestens alle zwei, drei Monate bin ich dort.“

Sie haben den Großteil Ihrer akademischen Karriere in Deutschland gemacht. Warum sind Sie 1997 gerade nach Deutschland gegangen?

„Ich denke, das war einfach Zufall. Es gab damals ein Angebot vom Deutschen Akademischen Austauschdienst für ein 10-monatiges Stipendium im Rahmen einer Doktorarbeit. Ich habe mich beworben und ich habe das Stipendium gekriegt. Dann bin ich im Max-Planck-Institut in Köln gelandet. Und innerhalb von ein paar Wochen wusste ich dann gleich, dass mir diese Arbeit sehr viel Spaß macht und ich das weitermachen will und sehen will, was kommt. So ist das gekommen.“

Christian Wriedt,  Vorsitzender des Vorstands der Körber-Stiftung,  und der Körber-Preisträger 2010 Jiří Friml  (Foto: David Ausserhofer,  Körber-Stiftung)
Der Körberpreis, den Sie jetzt bekommen haben, ist mit 750.000 Euro dotiert. Investieren Sie die in Ihre Forschung oder lassen Sie es sich jetzt erst einmal gut gehen?

„Ach, das geht nicht. Selbst wenn ich es mir gut gehen lassen wollte – das Geld ist schon für die Forschung und zwar für die Forschung in Europa. Also ich kann maximal zehn Prozent des Geldes für mein Wohlergehen verwenden. Den Rest muss ich schon für die Forschung benutzen. Das gute an dem Geld ist, dass es frei verfügbar ist, ohne wirkliche Beschränkungen, für welche Projekte oder für welche Maschinen ich es benutzen will. Und deswegen kann ich es jetzt investieren in ein paar Projekte, die ein bisschen risikoreicher sind und die ich dann vielleicht nicht so einfach aus normalen Quellen finanzieren könnte. Das ist schon sehr angenehm, freies Geld für die Forschung zur Verfügung zu haben.

„Und für das eine oder andere Bier in der tschechischen Heimat wird es sicherlich auch noch reichen, oder?“

„Ja, ich hoffe.“

Professor Jiří Friml, Körber-Preisträger 2010 – haben Sie herzlichen dank für das Gespräch.


Dieser Beitrag wurde am 17. September 2010 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.