Museum erinnert an 70 Jahre Friedensfahrt und tschechische Erfolge

Friedensfahrt-Museum (Foto: Lothar Martin)

Maienzeit ist Radsport-Time! So ist es nicht nur in Italien beim Giro, sondern so war es bis vor zwölf Jahren auch in Mittelosteuropa, wo die Internationale Friedensfahrt stattfand. Dieses bedeutende Etappenrennen wurde vor 70 Jahren ins Leben gerufen. Aus diesem Anlass ist am Freitag in Theresienstadt ein tschechisches Radsportmuseum eingeweiht worden.

Radsportmuseum in Theresienstadt  (Foto: Lothar Martin)
Wenn in den 1950er bis 1980er Jahren diese Fanfare aus den Boxen eines Radios erklang, dann wussten die Menschen in Polen, der ehemaligen Tschechoslowakei und der DDR sofort Bescheid: Es folgt ein Bericht von der Friedensfahrt, die damals als härtestes Amateur-Radrennen der Welt galt. Allerdings nahmen professionell trainierende Staatsamateure aus den drei genannten Ländern, der Sowjetunion und weiterer Ostblockstaaten an der Etappenfahrt teil. Doch auch Länder des Westens wie Belgien, die Niederlande, Frankreich oder Italien entsandten junge talentierte Radfahrer, von denen mehrere früher oder später den Sprung in den Profibereich schafften. Deshalb wurde die Friedensfahrt nicht von ungefähr auch als die „Tour de France des Ostens“ bezeichnet. Einer der Helden des Rennens, der zweifache Friedensfahrt-Gewinner Gustav Adolf Schur, hatte vor einiger Zeit den sportlichen Aspekt der Tour unterstrichen:

Täve Schur: „Die Friedensfahrt war Wettkampf. Bei ihr wurden ständig Vorstöße gefahren, bei denen man aufpassen musste. Man wusste aber sofort, wenn es ernst wurde.“

„Die Friedensfahrt war Wettkampf. Bei ihr wurden ständig Vorstöße gefahren, bei denen man aufpassen musste. Du musstest wissen, wer die Stärksten im Feld sind und wie aktiv sie auf jeder Etappe agieren. Du musstest einschätzen, wann sie wirkliche Vorstöße fahren und wann sie nur bluffen. Man wusste aber sofort, wenn es ernst wurde.“

Als Täve Schur Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre auf dem Höhepunkt seiner Karriere ist, ist der Tscheche Svatopluk Henke noch ein kleiner Junge. Doch schon kurze Zeit später packt auch ihn das Friedensfahrt-Fieber:

Radsportmuseum in Theresienstadt  (Foto: Lothar Martin)
„Das Rennen bedeutete mir sehr viel. Als ich 12 oder 13 Jahre alt war, gewann Ladislav Heller aus Theresienstadt eine Etappe und erzählte dann bei einem Gesprächsabend in Litoměřice davon. Danach habe ich mich gleich zum Radsport angemeldet, denn die Friedensfahrt war einfach begeisternd und populär.“

Und Henke erfüllt sich seinen Traum. Als 21-Jähriger startet er 1974 zum ersten Mal bei der Friedensfahrt, ein Jahr später erlebt er in Polen ein unvergessliches Finale:

„Das war unglaublich. Ich erinnere mich, wie ich in das Stadion von Warschau einfuhr, es war proppenvoll. Das waren vielleicht 100.000 Zuschauer, die uns zujubelten. Das Stadion war das Ziel der Abschlussetappe jener Tour.“

Seine dritte und letzte Friedensfahrt absolviert Svatopluk Henke im Jahr 1980. Dem Radsport ist er aber bis heute treu geblieben. Henke ist mittlerweile 65 Jahre alt und Funktionär des tschechischen Radsportverbandes. Zudem ist er Direktor der Friedensfahrt der Junioren, die von Donnerstag bis Sonntag vergangener Woche zum bereits 47. Male ausgetragen wurde. Ihr erwachsenes Pendant, die Radfernfahrt der Amateure, gibt es leider nicht mehr. Sie wurde zum vorerst letzten Mal im Jahr 2006 gefahren. Die Strecke führte damals schon nicht mehr durch Polen, sondern von Linz über Karlovy Vary / Karlsbad nach Hannover. Dass die Friedensfahrt nach der politischen Wende 1989 überhaupt noch durchgeführt wurde, ist vor allem das Verdienst des Tschechen Pavel Doležel. Ab 1990 nahm er die Leitung der Friedensfahrt in seine Hände. Die finanziellen Anforderungen aber waren auf Dauer nicht mehr zu stemmen, sagt Henke:

Svatopluk Henke: „Das war unglaublich. Ich erinnere mich, wie ich in das Stadion von Warschau einfuhr, es war proppenvoll. Das waren vielleicht 100.000 Zuschauer, die uns zujubelten. Das Stadion war das Ziel der Abschlussetappe jener Tour.“

„Schon im Jahr 1990 bestand die größte Schwierigkeit darin, das nötige Geld aufzutreiben. Von der organisatorischen Seite her war es besser, denn Pavel Doležel hatte weiter gute Kontakte zur Polizei und anderen Behörden. Schließlich ist es am Wichtigsten, die Sicherheit der Fahrer zu gewährleisten. Dazu müssen beispielsweise alle Strecken entsprechend abgesperrt werden. Zudem musste aber auch Geld generiert werden für die Unterbringung und Verpflegung der Rennfahrer. Darüber hinaus mussten die Preis- und Antrittsgelder ausgelobt werden.“

Jetzt machte sich bemerkbar, dass der Staat als Institution nicht mehr zu 100 Prozent hinter dem Rennen stand. Die zuvor nicht selten geäußerte Behauptung, dass die Friedensfahrt von den ehemals sozialistischen Ländern Polen, Tschechoslowakei und DDR vor allem zu Propagandazwecken genutzt worden sei, will Henke aber nicht so stehenlassen:

Radsportmuseum in Theresienstadt  (Foto: Lothar Martin)
„Wenn Leute sagen, dies sei eine politische Veranstaltung gewesen, dann kann ich das nicht nachvollziehen. Für mich als Sportler war die Friedensfahrt ein Höhepunkt meiner Karriere und ein Super-Rennen mit sehr guten Leistungen aller Teilnehmer. Und wenn ich dann nach Frankreich und Italien schaue, wo der Course de la Paix einst politisiert wurde, kann ich Ähnliches entdecken. Die Rivalität zwischen beiden Radsportnationen war sehr groß, das belegen Dokumente. Wenn es nach den dortigen Regierungspolitikern gegangen wäre, dann hätte die Tour möglichst immer von einem Franzosen und der Giro von einem Italiener gewonnen werden sollen und umgekehrt. Auch dort waren also, wenn man so will, Radrennen politisch akzentuiert.“

Für Svatopluk Henke steht außer Frage, dass die Friedensfahrt die Menschen der drei Veranstalterländer verband und darüber hinaus auch Radsportbegeisterte weiterer Länder. Und sie war ein Rennen von hohem sportlichen Wert. In seiner 58-jährigen Geschichte wurde es sieben Mal von tschechischen und slowakischen Rennfahrern gewonnen: von Jan Veselý (1949), Jan Smolík (1964), Vlastimil Moravec (1972), Ján Svorada (1990), Jaroslav Bílek (1993), Pavel Padrnos (1995) und Ondřej Sosenka (2002). Deshalb sei es auch an der Zeit gewesen, der Friedensfahrt und den Erfolgen seiner tschechoslowakischen Protagonisten mehr Geltung und Anerkennung zu verschaffen. Aus diesem Grunde wurde am vergangenen Freitag in Terezín / Theresienstadt ein Radsportmuseum eröffnet. Zu dieser Einrichtung sagt Henke:

Henke: „Wir haben das Museum so konzipiert, dass es nicht nur an die Friedensfahrt erinnert. Wir zeigen dort vor allem Rennräder dreier Epochen: aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, aus der Zwischenkriegszeit und aus der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg.“

„Wir haben das Museum so konzipiert, dass es nicht nur an die Friedensfahrt erinnert. Wir zeigen dort vor allem Rennräder dreier Epochen: aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, aus der Zwischenkriegszeit und aus der Ära nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Räder aus der Nachkriegszeit stammen zu großen Teilen von der Friedensfahrt und gehören zur ehemaligen tschechoslowakischen Erfolgsmarke Favorit. In erster Linie wollen wir damit uns als tschechischen Radsportverband präsentieren, denn etwas Derartiges gab es bisher nicht. In gewisser Weise hat uns hierbei auch das Friedensfahrt-Museum in Kleinmühlingen bei Magdeburg inspiriert.“

Radio Prag hat dem Museum bereits vor der Eröffnung einen Besuch abgestattet. Bei der Besichtigung des Raumes mit den Nachkriegsrädern bedeutet Henke:

„Hier sehen wir die Originalrennräder unserer besten Fahrer. Sie sind teilweise neu lackiert, repariert und gesäubert, doch es sind alles Originale. Dies kann man auch den jeweiligen Beschreibungen entnehmen.“

Svatopluk Henke mit dem Weltmeister-Trikot von Peter Sagan  (Foto: Lothar Martin)
Und Theresienstadt wurde nicht zufällig als Standort für das Museum gewählt, ergänzt Henke:

„Wir haben uns für Theresienstadt entschieden, weil hier regelmäßig die Vorbereitung der tschechoslowakischen Mannschaft auf die Friedensfahrt stattfand. Und zwar über viele Jahre unter der Leitung von Trainer Menhart. Zudem haben hier, was weniger bekannt ist, auch zwei tschechische Legenden für ihren jeweiligen Jahreshöhepunkt trainiert. Ich spreche von den Gebrüdern Jan und Jindřich Pospíšil, die sage und schreibe 20 Mal Weltmeister im Radball wurden. Zudem ist der Ort nur rund eine halbe Stunde von Prag und dem dortigen Flughafen entfernt.“

Der Eröffnung des Radsport-Museums wohnten zahlreiche frühere Protagonisten der Friedensfahrt bei, darunter der zweifache Gewinner der Tour und Doppel-Weltmeister Gustav Adolf Schur sowie die tschechischen Sieger der Etappen-Rundfahrt Jan Smolík und Ján Svorada. Das genannte Trio und weitere Tour-Helden wie der Russe Alexander Gusjatnikow oder die Tschechen Jozef Regec und Ondřej Sosenka nahmen drei Tage später ebenso an einer Festveranstaltung in Brno / Brünn teil, bei der an den Start der Friedensfahrt vor 70 Jahren erinnert wurde. Regec gewann 1986 in Kiew die erste Etappe des Rennens, die kurz nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl ausgefahren wurde. Danach fuhr er neun Etappen lang im Gelben Trikot des Spitzenreiters. Er hat die Friedensfahrt seitdem in sein Herz geschlossen. Denn der 53-Jährige gehört zu jenen ehemaligen Aktiven, die sich bemühen, die traditionsreiche Rundfahrt wieder aufleben zu lassen. Und anscheinend ist dieser Tag auch nicht mehr fern, verrät Svatopluk Henke:

Radsportmuseum in Theresienstadt  (Foto: Lothar Martin)
„Wie ich aus vielen Gesprächen um mich herum herausgehört habe, könnte es schon im nächsten Jahr soweit sein. Angedacht ist jedenfalls, dass im Herbst eine Einführung stattfindet, bei der das neue Projekt vorgestellt wird. Geplant sind mehrere Etappen in Tschechien sowie eine in Deutschland. Der Auftakt könnte ein Prolog oder eine Etappe in Dresden sein. Danach würde das Rennen in Nordböhmen fortgesetzt.“


Laut Aussage von Svatopluk Henke hat das Radsportmuseum in Theresienstadt gegenwärtig noch keine festen Öffnungszeiten. Man sollte sich also vorher anmelden, am besten über den tschechischen Radsportverband, im Internet zu finden unter: www.ceskysvazcyklistiky.cz Oder man versucht es einfach auf gut Glück. Das Museum befindet sich im renovierten Gebäude der ehemaligen Artilleriekaserne in der Straße Komenského, Ecke Žižková. Man sei aber bestrebt, schon bald für eine ständige Öffnung des Museums zu sorgen, verspricht Henke.

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Autor: Lothar Martin
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