Geschenk für die Gedenkstätte Terezín: Thorarolle aus nicht mehr existierender Synagoge

Übergabe einer Torarolle aus Pergament der jüdischen Gemeinde der aufgelösten Synagoge in Šaľa, Slowakei

Die Gedenkstätte Terezín / Theresienstadt hat am Sonntag eine Thoratolle erhalten, die während des Zweiten Weltkriegs gerettet wurde.

Oberrabbiner Karol Sidon sang bei der Übergabe des Geschenks ein Gebet. Es handelt sich um eine historische Thorarolle auf Pergament, die die Gedenkstätte Terezín erhalten hat. Sidon merkte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks an, dass die Thorarolle eine grundlegende Bedeutung habe für die Juden.

Karol Sidon | Foto: Michaela Danelová,  iROZHLAS.cz

„Sie ist das Heiligste, das wir haben. Wir benutzen die Thorarolle jede Woche, meistens am Schabbat, aber auch am Montag und am Donnerstag, wenn aus der Thora gelesen wird, sowie an Feiertagen.“

Die Rolle stammt aus dem Besitz von Imrich Donath. Sein Vater war während des Zweiten Weltkriegs Vorsitzender der jüdischen Gemeinde im westslowakischen Städtchen Šaľa. 1944 habe der Vater die Thora gemeinsam mit dem Familiensilber und Kristallglas in ihrem Haus versteckt, erzählt Donath:

„Mein Vater nahm die Pergamentrolle mit nach Hause und vergrub sie im Keller. Dort versteckte er zudem weitere wertvolle Sachen. Allerdings kamen Diebe und stahlen das Silber und das Kristallglas. Die Thorarolle fanden sie aber vermutlich nicht genügend interessant.“

Imrich Donath ging 1968 ins Exil nach Deutschland, und die Thorarolle nahm er damals mit. Nun entschied er sich, sie der Gedenkstätte Terezín zu schenken. Dies habe für die Gedenkstätte dreierlei Bedeutung, sagt der Direktor der Institution, Jan Roubínek:

Jan Roubínek | Foto: Tomáš Vodňanský,  Tschechischer Rundfunk

„Erstens ist es die rituelle Bedeutung. Eine Synagoge, die keine Thorarolle hat, ist keine Synagoge. Wir haben eine Synagoge, und zwar einen Gebetsraum in der Straße Dlouhá. Wenn wir nun eine Thorarolle besitzen, können wir sie aus den Sammlungen holen und auch zu rituellen Zwecken nutzen. Zweitens finde ich den historischen Zusammenhang wichtig: Im Ghetto Theresienstadt waren auch Gefangene aus der Slowakei eingesperrt. Sie wurden Ende 1944 und Anfang 1945 nach Theresienstadt transportiert. Mehrere von ihnen kamen aus dem KZ in Sereď. Unter ihnen waren auch jüdische Gefangene aus der Stadt Šaľa. Und genau ihnen diente diese Thorarolle vor dem Krieg. Außerdem können wir die Thora in unserem Bildungszentrum benutzen. Denn kaum jemand besitzt so etwas.“

Das historische Pergament ist die überhaupt erste Thorarolle in den Sammlungen der Gedenkstätte Terezín. Das 130 Jahre alte Schriftstück wurde inzwischen einige Mal bei Ausstellungen gezeigt, bevor es nach Tschechien gebracht wurde. Die Synagoge in Šaľa, aus der die Thora stammt, wurde 1896 gegründet. Während des Zweiten Weltkriegs gehörte die Stadt zu Ungarn. In den 1960er Jahren wurde das Gebäude abgerissen, um einer Fabrik Platz zu machen.

Auf dem Nationalfriedhof in Terezín fand am Sonntag, wie jeden dritten Sonntag im Mai, eine Gedenkveranstaltung statt. Politiker und Diplomaten gedachten dabei der Holocaust-Opfer. Ins Ghetto Theresienstadt seien während des Zweiten Weltkriegs Menschen aus ganz Europa transportiert worden, schildert Vojtěch Blodig. Er ist stellvertretender Direktor der Gedenkstätte:

„Rund 155.000 Menschen wurden ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Über 35.000 von ihnen starben hier. Viel mehr Menschen wurden jedoch in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet, in die sie von hier aus verschleppt wurden.“

Foto: Tomáš Fongus,  Prager Burg / Büro des Präsidenten der Republik

Die Gedenkstätte Terezín wurde 2019 von rund 300.000 Menschen besucht. Im vergangenen Jahr näherte sich die Besucherzahl wieder den Zahlen aus den Vor-Corona-Zeiten an.

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