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Tschechische Regierung übersteht dank Kommunisten Misstrauensvotum

Gross hatte am Freitag im Abgeordnetenhaus ein Misstrauensvotum nur mit Hilfe der reformfeindlichen Kommunisten (KSCM) überstanden und will nun bis zu regulären Wahlen im Juni 2006 mit einer Minderheitsregierung aus seiner sozialdemokratischen CSSD und der liberalen US-DEU amtieren. In einer von persönlichen Angriffen geprägten Sondersitzung hatten sich die 41 kommunistischen Abgeordneten der Stimme enthalten und damit den Misstrauensantrag zum Scheitern gebracht. Zwar sei der Ministerpräsident auch für die Kommunisten "unglaubwürdig", allerdings müsse "Tschechiens Linke eine gemeinsame Vorgehensweise finden", begründete der KSCM-Vorsitzende Miroslav Grebenicek die Enthaltung. Für einen Rücktritt von Gross stimmten 78 Abgeordnete, nötig gewesen wären mindestens 101 Stimmen. 76 Abgeordnete sprachen sich bei 44 Enthaltungen für Gross aus. Der Regierungschef hatte seine Mehrheit im Parlament verloren, nachdem die Christdemokraten (KDU-CSL) die Koalition wegen einer Immobilienaffäre von Gross verlassen hatten.

Präsident Klaus verlangt Vertrauensabstimmung über neues Kabinett

Präsident Vaclav Klaus hat das Ergebnis der Vertrauensabstimmung im tschechischen Abgeordnetenhaus vom Freitag als weitere Zuspitzung der Regierungskrise bezeichnet und Regierungschef Stanislav Gross unter Druck gesetzt. Er erwarte von Gross ein öffentliches Versprechen, dass der Sozialdemokrat sich mit einer möglichen Minderheitsregierung erneut einer Vertrauensfrage im Parlament stelle, so der Präsident. Anderenfalls müsse er ein solches Kabinett nicht ernennen. Gross wäre damit erneut vom Wohlwollen der Kommunisten abhängig.

US-DEU entscheidet über Verbleib in der Regierung

Der kleinere Koalitionspartner der Sozialdemokraten, die liberale Freiheitsunion (US-DEU), ist am Freitagnachmittag zusammen getroffen, um zu entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen sie nach dem Ausscheiden der Christdemokraten aus der REgierungskoalition mit den Sozialdemokraten eine Minderheitsregierung bilden würde. Nach einer mehrstündigen Debatte stand am Abend noch kein Ergebnis fest.

ODS warnt vor Rückkehr der Kommunisten an die Macht

Nach der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus hat die oppositionelle Demokratische Bürgerpartei (ODS) alle demokratischen Politiker aufgerufen, sich von der Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit den Kommunisten zu distanzieren. 15 Jahre nach der politischen Wende von 1989 habe Ministerpräsident Gross den Kommunisten die Türen zur Macht geöffnet, früher oder später würden diese sich das bezahlen lassen. Wer heute Gross unterstütze, unterstütze die Rückkehr der Kommunisten an die Macht, sagte am Freitag auf einer außerordentlichen Pressekonferenz Oppositionschef Mirek Topolanek. Das Abstimmungsergebnis vom Freitag betrachtet die ODS als schwerste politische Krise seit 1989.

Regierungskrise: Tschechische Wirtschaft fürchtet Reformstopp

Führende tschechische Wirtschaftsexperten äußerten in Zusammenhang mit der aktuellen politischen Entwicklung im Land am Freitag die Befürchtung, dass eine mögliche Minderheitsregierung nicht in der Lage sei, notwendige Wirtschaftsreformen durchzusetzen. Auch Unternehmerkreise zeigten sich besorgt über das wirtschaftliche Klima im Land. Die nach der Misstrauensabstimmung entstandene Situation sei ein Warnsignal dafür, dass möglicherweise Eingriffe in die Unternehmenssphäre bevorstünden, sagte der Chef der tschechischen Wirtschaftskammer.

Minister kündigen Rücktritt an

Justizminster Jaroslav Bures und der Minister für Informatik, Vladimir Mlynar, hatten bereits vor der Misstrauensabstimmung am Freitag offiziell ihr Ausscheiden aus der Regierung Gross angekündigt, sollte diese das Misstrauensvotum nur dank der Kommunisten überstehen. Weitere Minister schlossen einen ähnlichen Schritt nicht aus. Am Donnerstag waren die drei christdemokratischen Minister im Kabinett von ihren Posten zurückgetreten.