Nachrichten Freitag, 01. Oktober, 1999

SCHRÖDER TRAF MIT HAVEL ZUSAMMEN

Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel hat die tschechisch-deutschen Beziehungen als ungewöhnlich gut bezeichnet. Der Staatspräsident bedankte sich beim Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder am Donnerstag in Prag für eine dauerhafte deutsche Unterstützung des tschechischen EU-Beitrittswunsches. Bundeskanzler Schröder erklärte, Deutschland würde sich für den EU - Beitritt Tschechiens engagieren und sicherte diesbezüglich Hilfe zu, damit Prag im Jahre 2003 den Beitritt schafft. Eine "Herzensangelegenheit" seien die engen Beziehungen zum tschechischen Nachbarn, erklärte zuvor Bundeskanzler Gerhard Schröder anläßlich seines ersten Besuches in der tschechischen Hauptstadt, bei dem auch ein Kulturabkommen unterzeichnet wurde. Vor zehn Jahren haben Deutsche beim Zustandekommen der deutschen Einheit die Solidarität der Tschechen erfahren, jetzt werde Deutschland der Tschechischen Republik auf ihrem Weg in die Europäische Union helfen. Wie Kanzler Schröder auf die Fragen von Journalisten betonte, habe die Debatte im Bundestag über eine Auflösung der Benes-Dekrete keinen Einfluss auf die bilateralen Gespräche. Schröder zeigte sich überzeugt, dass ein dahingehender Antrag der Opposition keine Mehrheit im Bundestag erhalten wird. Zur Entschädigung der Zwangsarbeiter erklärte Schröder, dass berechtigte Ansprüche an die deutsche Wirtschaft und nicht den Staat adressiert werden und vor allem keine neue Debatte über Reparationen hervorrufen sollten. Es sollte keine Unterschiede bei der Entschädigung gemacht werden.

Übereinstimmend äusserten sich sowohl Schröder als auch sein tschechischer Amtskollege Milos Zeman zufrieden über die Fortschritte, die auf allen Ebenen der bilateralen Beziehungen in den letzten Jahren gemacht wurden. Davon zeugen auch die gegenseitigen Besuche auf höchster Ebene. So ist für den 10. November ein weiteres Treffen geplant. Am Donnerstag nachmittag traf Bundekanzler Schröder auch mit Abgeordnetenchef Vaclav Klaus zusammen.

KABINETT UNTERSTÜTZTE VERFASSUNGSÄNDERUNGEN

Das tschechische Kabinett hat am Mittwoch den Abgeordnetenentwurf der Verfassungsänderungen mit einigen Bemerkungen unterstützt, der von einer gemeinsamen Kommission der Tschechischen Sozialdemokratischen Partei- CSSD und der Demokratischen Bürgerpartei-ODS ausgearbeitet wurde. Die Vorlage sieht u.a. die Beschränkung der Kompetenzen des Staatspräsidenten vor. Aus diesem Grunde wird sie von der Christlich-Demokratischen Volksunion-KDU-CSL und der Freiheitsunion-US scharf abgelehnt, die darin aktuelle machtpolitische Interessen der Sozial- und Bürgerdemokraten sehen.

HAVEL KRITISIERT VERFASSUNGSÄNDERUNGEN

Präsident Vaclav Havel weiß nicht, wie er sich verhalten wird, falls die am Mittwoch von der Regierung unterstüzten Verfassungsänderungen ohne weitere Korrekturen vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident hatte sich bereits einigemal gegen die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen ausgesprochen, zuletzt am Mittwoch vormittag auf der Kabinettssitzung. Auf einer Pressekonferenz in der mährischen Stadt Uherske Hradiste dementierte Havel am Mittwoch, dass er sich auf den Rücktritt vorbereite. Er erklärte, er habe nie gesagt, dass er nach der Verabschiedung der Verfassungsänderungen im Parlament zurücktreten werde. Er habe nur gesagt, er könne sich die Ausübung seines Amtes nach den geplanten Verfassungsänderungen nicht vorstellen. Was er jedoch machen werde, wisse er nicht. Auf der Pressekonferenz stellte Vaclav Havel u.a. fest, dass es in der tschechischen Gesellschaft und Politik an Persönlichkeiten mangele, die den politischen Mut hätten, der Öffentlichkeit langfristige Perspektiven vorzulegen. Dies erklärte der Staatspräsident gegenüber Journalisten in Uherske Hradiste, als er die Lage zwei Jahre nach dem katastrophalen Hochwasser, von dem diese Region stark betroffen worden war, bewertete.

GENSCHER IN PRAG

Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat am Mittwoch in Prag auf einer Konferenz mit dem Titel "Der Weg zur Freiheit" die tiefgreifenden Veränderungen hervorgehoben, die 1989 die totalitären Regimes in Europa weggefegt hatten. An einer Diskussion zum Thema der Demokratisierung der postkommunistischen Länder und der EU-Erweiterung nahmen neben Genscher der ehemalige tschechoslowakische Außenminister Jiri Dienstbier, Senator Michael Zantovsky, Publizist Bohumil Dolezal und der Herausgeber der tschechischen Tageszeitung Zemske noviny, Tomas Kosta, teil. Mehr dazu hören Sie gleich im Beitragsblock. Die Konferenz, die von der Friedrich-Naumann-Stiftung veranstaltet wurde, wurde am Donnerstag im Institut für ökonomische Studien der Fakultät der sozialen Wissenschaften in Prag fortgesetzt.

ZWEI TSCHECHEN VON SERBEN FESTGENOMMEN

Zwei Mitarbeiter der tschechischen humanitären Organisation "Mensch in Not", die seit Mittwoch Mittag in einer serbischen Enklave im östlichen Kosovo festgehalten worden waren, wurden am Donnerstag freigelassen. Darüber informierte der Leiter von Mensch in Not Tomas Pojar die Nachrichtenagentur ctk. Kurz nach der Festnahme der beiden Tschechen sind niederländische KFOR-Soldaten eingetroffen, die die Mitarbeiter der humanitären Organisation mit Waffen Geleitschutz boten. Die beiden Tschechen, die von den Serben 26 Stunden lang fesgehalten wurden, konnten erst nach Verhandlungen freigelassen werden, die auf dem Stützpunkt der polnischen KFOR-Soldaten unweit vom Dorf Jezovica geführt wurden.

DRITTER ANBIETER FÜR MOBILFUNKNETZE

In Tschechien wird demnächst ein neuer Anbieter für Mobilfunknetze den Betrieb aufnehmen. Die Regierung hat der Gesellschaft Cesky Mobil eine entsprechende Lizenz erteilt. Das tschechisch-kanadische Konsortium wird neben den Gesellschaften EuroTel und Paegas der dritte Anbieter auf dem tschechischen Markt sein.

UNGARISCHE UND POLNISCHE PARLAMENTARIER IN PRAG

Die Entwicklung der tschechisch-polnischen und tschechisch-ungarischen Beziehungen auf parlamentarischer, zwischenstaatlicher und ökonomischer Ebene ist das Thema der Gespräche gewesen, die eine polnische und eine ungarische Parlamentsdelegation am Donnerstag in Prag führte. Die Gespräche fanden knapp einen Monat vor der Veröffentlichung der Bewertung der Beitrittskandidaten durch die EU-Kommission statt.

TOSOVSKY UND MERTLIK IN WASHINGTON

In Washington ging am Donnerstag die Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank zu Ende. An den Beratungen nahmen auch der tschechische Finanzminister Pavel Mertlik und der Gouverneur der Tschechischen Nationalbank Josef Tosovsky teil. Tosovsky informierte unter anderem darüber, dass die Tschechische Republik 7 Mio US-Dollar für die Entschuldung der ärmsten Länder der Welt gewähren wird.

EUROPA-TAGE IN TEPLICE UND IN MOST

Die Öffentlichkeit über die Vorteile, Streitfragen sowie Folgen der künftigen Mitgliedschaft der Tschechischen Republik in der Europäischen Union zu informieren - dies ist das Ziel der Europa-Tage, die in mehreren tschechischen Städten veranstaltet werden. Am Donnerstag fanden die Europa-Tage im nordböhmischen Teplice/Teplitz statt und am Freitag werden sie in Most/Brüx veranstaltet. Die Schirmherrschaft über die Europa-Tage übernahm der EU- Botschafter in der Tschechischen Republik, Ramiro Cibrian, der am Donnerstag an einer Pressekonferenz in Teplice teilnahm.