Nachrichten Mittwoch, 12. Mai, 1999

Ulmanis - Nato

Der lettische Staatspräsident Guntis Ulmanis, der zu einem dreitägigen offiziellen Staatsbesuch in Tschechien weilt, hat sich für eine gemeinsame und gleichzeitige Aufnahme der drei baltischen Staaten in die Nato ausgesprochen. Sollten Lettland, Estland und Litauen der Allianz zu unterschiedlichen Terminen beitreten, gefährde dies die Sicherheit in der Region, sagte Ulmanis am Dienstag auf einer Konferenz über die Zukunft der Nato, die im Sitz des Senders Radio Freies Europa in Prag stattfand. Lettland sei auf die Aufnahme schon vorbereitet, erklärte Ulmanis. Beim Nato-Gipfel in Washington sei klar geworden, dass die Frage nicht mehr laute, ob, sondern wann die baltischen Staaten der Nato beitreten. Mit Premier Milos Zeman diskutierte der lettische Staatspräsident über die Erfahrungen der beiden Länder mit dem Übergang von einem totalitären Regime zur Marktwirtschaft und zu einem demokratischen politischen System.

Havel - Ulmanis

Die Staatspräsidenten Lettlands und Tschechiens, Guntis Ulmanis und Václav Havel, haben bei dem Festessen am Montag Abend auf der Prager Burg die Bemühungen beider Länder, der Europäischen Union beizutreten, hervorgehoben. Havel und Ulmanis unterstrichen das ähnliche Schicksal der beiden geographisch entfernten Länder. Ihre Bevölkerung sei - so Ulmanis - jedoch durch geistige Brücken verbunden, die über die nationalen Werte hinausgingen und sich auf Humanismus und Demokratie stützten. Der lettische Staatspräsident erwähnte in diesem Zusammenhang Jan Hus, Jan Amos Komenský-Comenius und Frantisek Ladislav Celakovský als Persönlichkeiten, die die Entwicklung des lettischen Volkes beeinflusst hätten. Über den ersten Tag des dreitägigen offiziellen Staasbesuches des lettischen Staatsoberhauptes in Tschechien berichten wir ausführlicher im aktuellen Block im Anschluss an die Nachrichten.

Havel - Serbien

Der tschechische Staatspräsident Václav Havel hat die Nachricht, dass sich serbische Truppen aus der Provinz Kosovo teilweise zurückziehen, als ein gutes Zeichen bezeichnet, dass Jugoslawien eine der Nato-Bedingungen zu erfüllen begonnen habe. Der Präsident traute sich jedoch nicht einzuschätzen, wann das Land alle fünf Bedingungen erfüllen werde und die Nato ihre Luftanschläge wird stoppen können. "Wir wünschen uns alle, dass die Luftangriffe bald beendet werden, jedoch vorher müssen einige Grundbedingungen erfüllt werden," stellte Václav Havel am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur CTK fest.

Kabinett - Geheimdienste

Der zivile sowie der militärische Nachrichtendienst sollte nach Meinung des Kabinetts von einer gemeinsamen Parlamentskommission kontrolliert werden. Neben dem Geheimdienstgesetz befasste sich die Regierung am Montag auch mit ökonomischen Fragen sowie mit der Bewertung der Tschechischen Republik durch die EU-Kommission. Vizepremier Pavel Rychetský befürchtet, dass auch das diesjährige Gutachten der EU-Kommission für Tschechien ungünstig sein wird. Dem Kabinett werde es - so der Vizepremier - nämlich nicht gelingen, die Forderungen bezüglich der Anpassung der tschechischen Rechtsordnung an das EU-Recht zu erfüllen.

Kabinett - KB

Das Kabinett hat auf seiner Montagssitzung über eine Aufstockung der staatlichen Anteile an der Komercní banka in Form einer Erhöhung des Grundvermögens um 9,5 Milliarden Kronen entschieden. Darüber informierte Finanzminister Ivo Svoboda.

Kavan - Griechenland

Der tschechische Aussenminister Jan Kavan und der griechische Vizeaussenminister Jannos Kranidiotis haben am Dienstag erklärt, dass ihre Länder in den nächsten Tagen eine gemeinsame politische Initiative zur Beilegung des Kosovo- Konfliktes vorlegen werden. Beide Politiker stellten zum Abschluss der Tagung des Aussenministerrates der Westeuropäischen Union in Bremen fest, dass die endgültige Fassung der Initiative noch präzisiert wird und dass sie nächste Woche den internationalen Organisationen vorgelegt wird.

Kavan - WEU

Für die Tschechische Republik bleibt die Nato die Grundlage der kollektiven Sicherheit ihrer Mitglieder. Dies betonte der tschechische Aussenminister Jan Kavan auf der Tagung des Aussenministerrates der Westeuropäischen Union in Bremen. Kavan erklärte, die Tschechische Republik unterstütze den Gedanken der Stärkung der europäischen Autonomie bei Entscheidungen sowie bei der Realisierung der Sicherheitsmassnahmen in Fällen, wo sich die Allianz nicht direkt militärisch engagiere. Sie hoffe jedoch, dass die Nato auch weiterhin die einzige Basis für die Kollektivverteidigung der Europäer und Nordamerikaner bleibe.

Abgeordneten - Informationen

Das Abgeordnetenhaus hat am Dienstag den Gesetzesentwurf über den freien Zugang zu Informationen gebilligt. In dem neuen Gesetzesentwurf ist verankert, dass jeder Bürger das Recht hat, von den Staatsorganen sowie bestimmten weiteren Institutionen Informationen, über die sie verfügen, zu bekommen.

Nato-Bombardierung - Meinungsuntersuchung

53 Prozent der tschechischen Bürger lehnen die Luftanschläge der Nato gegen Jugoslawien ab. Dies geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sofres Factum hervor, die es umittelbar nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durchgeführt hatte. Das Eingreifen der Nato in der Kosovo-Krise wird von 36 % der Gefragten unterstützt.

Zieleniec - Kosovo

Die Tschechische Republik stellt gemeinsam mit Griechenland unter den Nato-Staaten ein einzigartiges Tandem dar, wo die Zahl der Gegner des Balkan-Kriegs grösser als die Zahl seiner Befürworter ist. Diese Tatsache hat man der tschechischen politischen Elite - vor allem den Chefs der grössten politischen Parteien - zu verdanken. Dies erklärte der ehemalige tschechische Aussenminister Josef Zieleniec im Gespräch für die Dienstagsausgabe der Tageszeitung Mladá fronta Dnes. Er erinnerte daran, dass gerade diese Parteichefs ihre Distanz zum Konflikt in Jugoslawien demonstriert hätten.

Havel - Flüchtlinge

Präsident Václav Havel hat sich am Dienstag mit den Lebensbedingungen der Kosovo-Flüchtlinge im Flüchtlingslager in Zbýsov bei Brno in Südmähren bekanntgemacht. Seine Visite sollte ein Ausdruck der Unterstützung aller Gemeinden sein, die den Kosovo-Flüchtlingen ein vorübergehendes Asyl gewähren. Präsident Havel hatte schon früher an die Gemeindevertreter in Tschechien appelliert, ihren Einwohnern zu erläutern, worum es im Kosovo geht. Der Staatspräsident stellte vorige Woche fest, dass tschechische Bürger mit Rücksicht auf die Emigrationswellen aus der Zeit vor der Wende ein besonderes Verständnis für die Kosovo-Flüchtlingen haben sollten.

Flüchtlinge

Die Tschechische Republik könnte bis zu 5.000 Kosovo- Flüchtlinge aufnehmen, es fehlen jedoch finanzielle Mittel für deren Aufenthalt. Dies erklärte Innenminister Václav Grulich am Montag gegenüber dem privaten Rundfunksender Frekvence 1. Grulich schlug vor, wenn es notwendig sein wird, weitere Flüchtlingen unterzubringen, die Nato und die EU um Hilfe zu ersuchen. Tschechien wird vorläufig ungefähr ein Tausend Kosovo-Flüchtlinge aufnehmen.

Polizeichef erschossen

Der Kreispolizeichef in Ceské Budejovice/Budweis, Vladimír Ryklík, wurde in der gestrigen Nacht in einer Bar in Budweis erschossen. Die südböhmische Polizeisprecherin Martina Kolárová erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur CTK, dass der Mann, der Ryklík angegriffen habe, des Mordes angeklagt wurde.

Temelín - Protest

In einem offenen Brief an die Regierung haben mehr als 150 prominente Tschechen einen Baustopp des Atommeilers Temelín gefordert. Das Kabinett entscheidet an diesem Mittwoch über das umstrittene Projekt. Zu den Unterzeichnern des Aufrufs "Bitte stoppen Sie Temelín" gehören u.a. die ehemaligen Umweltminister Ivan Dejmal und Martin Bursík, die Schriftsteller Jáchym Topol und Tereza Boucková, Publizisten Jan Rejzek und Vladimír Just oder der Fussbalspieler Pavel Nedved.

Eishockey

Abschliessend eine Sportmeldung : die tschechische Eishockeyauswahl hat im Viertelfinale der Eishockeyweltmeisterschaft in Oslo am Montag Abend das Team Schwedens mit 2 zu 0 besiegt und wird morgen im Halbfinale gegen die kanadische Nationalmannschaft spielen. Im zweiten Halbfinale spielt Schweden gegen Finnland.

Zum Abschluss der Wetterbericht:

Am Mittwoch wird es in Tschechien überwiegend bewölkt sein. Die Nachttemperaturen sanken auf 12 bis 8 Grad. Am Tage bewegen sie sich um 15 bis 19 Grad.