Nachrichten Mittwoch, 21. April, 1999

Nato kritisiert tschechische Verfassung

Die Nato kritisiere, dass jede einzelne Operation der Allianz auf tschechischem Territorium neben der Entscheidung der Regierung auch die Zustimmung beider Kammern des Parlaments erfordere. Dies erklärte der tschechische Vizepremier Pavel Rychetsky am Dienstag auf der Sitzung des Verfassungsrechtlichen Ausschusses des Senats. Die Alliierten gäben der Regierung nur Minuten oder Stunden für die Entscheidung zur Verfügung. Das Kabinett hätte dann aber Schwierigkeiten dem Bündnis zu erklären, dass die Verfassung den Ministern keinerlei Kompetenzen zur sofortigen und vollen Entscheidung einräume. Rychetsky zufolge sei vor allem ein Nato-Mitglied - das er nicht nannte - besonders enttäuscht über die tschechische Verfassung. Der Verfassung zufolge müssen sowohl Abgeordnetenkammer als auch Senat ihr Einverständis zur Stationierung ausländischer Soldaten auf tschechishecm Territorium, bzw. zur Entsendung tschechischer Soldaten ins Ausland geben.

Sondersitzung des Parlaments zum Regierungsbeschluss, der Nato Flugplätze und Territorium zur Verfügung zu stellen

Auf Initiative der sozialdemokratishcen Abgeordneten und mit Zustimmung aller Parlamentsparteien ausser den Kommunisten werden am Mittwoch sowohl die Abgeordnetenkammer als auch der Senat zusammenkommen, um über die Entscheidung der Regierung abzustimmen, Nato-Flugzeugen Flugplätze zur Verfügung zu stellen, bzw. den Transit für die Bodentruppen der Nato für einen möglichen Kosovo-Einsatz zu ermöglichen. Über die Form des Transits werde laut Verteidigungsminister Vladmir Vetchy werde bis Dienstag entschieden. Wahrscheinlich komme die Eisenbahn in Frage.

Wahrscheinlich wird die Klausel, nach der die Parlamentarier über eine ausserordentliche Sitzung ihrer Kammer spätestens 5 Tage im Voraus informiert werden müssen - keine Probleme für die Abstimmung bringen. Es wird davon ausgegangen, dass die als Nato-Gegner bekannten Kommunisten die Sondersitzung zu blockieren versuchen, aber weder dies noch die Abstimmung zum Regierungsentscheid selbst zahlenmässig durchsetzen können.

Tschechien-Usbekistan

Die Regierung von Usbekistan ist bereit, Investitionsprojekten, an denen die tschechische, bzw. usbekische Seite Interesse habe, staatliche Garantien zu erteilen. Dies erklärte der tschechishec Premier Milos Zeman im Anschluss an sein Treffen mit dem Präsident von Usbekistan, Islam Karimov. Karimov reagierte damit auf ein Verzeichnis von Investitionsmöglichkeiten, dass tschechische Unternehmer aus der Delegation von Premier Zeman vorgelegt hatten. Weiterer Gesprächsgegenstand zwischen Zeman und Karimov war der Ausbau der bilateralen Handelsbeziehungen, der mit der Unterschrift beider Politiker unter eine entsprechende Deklaration besiegelt wurde. Zur geplanten Unterzeichnung eines Abkommens über die Begrenzung einer Doppelbesteuerung kam es durch die usbekische Seite nicht. Es habe sich aber nur um ein Versehen gehandelt - so Karimov, der eine beschleunigte Ausarbeitung des Abkommens ankündigte. Zeman traf sich ausserdem mit dem Chef des usbekischen Parlaments Chalilow.

Demonstration für Atommeiler Temelin

Die Gewerkschaft der Angestellten des südböhmischen Atommeilers Temelin hat für Mittwoch eine Demonstration für den Fertigbau des Meilers angekündigt. Es werden mehrere Tausend Teilnehmer erwartet. Temelin-Symphatisanten haben ausserdem eine Expertise zu dem von der internationalen Expertengruppe ausgearbeiteten Bericht angefertigt. Die Gewerkschaft geht davon aus, dass nach der derzeitigen Stagnation des Energieverbrauchs in Tschechien nach 2000 wieder mit einem erhöhtem Energieverbrauch zu rechnen ist. Ausserdem wird die Atomenergie als saubere Alternative zu den klassischen Energieherstellern bezeichnet.

Staat-Kirche-Kommission nimmt Arbeit auf

Die Expertenkommission für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche wird am 6. Mai im Kulturministerium zu ihrer ersten Sitzung zusammentreten. Eine zweite, die sog. politische Regierungskommission, die sich aus Vertretern aller Parlamentsparteien, einschliessliche der Kommunisten zusammensetzt und der Kulturminister Pavel Dostal vorsteht, hat ihre Arbeit bereits vorher aufgenommen. Die Vertreter der Glaubensgemeinschaften in der Tschechischen Republik hatten es abgelehnt, mit einem Kommunisten über Kirchenangelegenheiten zu verhandeln, war es doch gerade das kommunistische Regime, das für die Verfolgung der Kirche in der Vergangenheit verantwortlich war. Beide Kommissionen haben den Status eines beratenden Organs, die politische Kommission für die Regierung, die Expertenkommission für das Kultusministerium.

Keine Visa für illegale Einwanderer aus Osteuropa

Die Regierung hat ihre Entscheidugn über die Wiedereinführung von Visa für einige Balkanstaaten - aus denen Flüchtlinge auch nach Tschechien kokmmen - aufgeschoben. Eine endgültige Entscheidung falle erst nach Konsultation mit den betroffenen Staaten - erklärte am Dienstag der tschechishec Innenminister Václav Grulich gegenüber der Nachrichtenagentur ctk. Grulich zufolge erwarte man von den Staaten, aus denen die Flüchtlinge kommen, erst einmal eigene Massnahmen für die Bewältigung des Flüchtlingsproblems. Diese Angelegenheit will Grulich auch auf einem Treffen der Innenminister der Länder Mittel- und Osteuropas, das kommende Woche in Österreich stattfindet, zur Sprache bringen. Dem Thema der illegalen Einwanderung widmete sich Grulich zufolge auch der tschechische Premier Milos Zeman bei seinem Besuch in Moskau und in den postsowjetischen asiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan und Kirgisistan.

Europäisches Parlament fordert Aufhebung der Benes-Dekrete

Das europäische Parlament hat in einer Resolution zu dem Bericht der Europäischen Kommision über den Stand der Entwicklung der Tschechishecn Republik die tschechische Republik aufgefordert, die sog. Benes-Dekrete aufzuheben, die die Aussiedlung andererer ethnischer Minderheiten in den Jahren 1945-46 betreffen. In seiner Resolution berief sich das Parlament auf den "versöhnenden Geist" des tschechischen Präsidenten, der sich in der Vergangenheit des öfteren zu diesem Thema geäussert hatte. Präsidialsprecher Spacek erklärte dazu am Montag, dass die Benes-Dekrete Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung seien, ihre Gültigkeit aber bereits erloschen sei.

Das waren die Nachrichten. Durch das weitere Programm führt Sie nun Jana Bodicky. Guten Empfang!