Nachrichten Samstag, 23. Mai, 1998
Willkommen bei RAdio Prag und dem Wochenendprogramm. Einleitend die Nachrichten mit Andrea Kopelentova.
Senatsdelegation in Paris-Lobby für Nato- und EU-Beitritt
Eine Delegation des Senatsausschusses für Auswärtiges fährt am Sonntag unter Führung von Ausschussvorsitzenden Michal Zantovsky nach Frankreich, um sich für die Integration der Tschechischen Republik in Nato und EU einzusetzen.
Kurz aus der Abgeordentenkammer des Tschechischen Parlaments:
Die Abgeordnetenkammer des Tschechischen Parlaments hat am Freitag auf Initiative konservativer Abgeordneter ihre Mai-Sitzung beendet. Von ursprünglich 100 Punkten wurde nur ein Drittel abgearbeitet. Offen blieb u.a. auch die vor Monaten abgebrochene Debatte zu den tschechisch-deutschen Beziehungen, die in Reaktion auf den Protest der linken und republikanischen Opposition über die Besetzung des Koordinationsrats des tschechisch-deutschen Gesprächsforums eingeleitet worden war. Ihre letzte Sitzung haben die Abgeordneten am 18. Juni, einen Tag vor Beginn der vorgezogenen Wahlen in die Abgeordnetenkammer. Anlass ist die Erörterung einiger vom Senat zurückdelegierter Gesetzesvorlagen.
Stopp für Deregulation, Privatisierung und Rücktrittsforderung
Die Abgeordneten forderten am Freitag die Regierung auf, die von ihr eingeleiteten Schritte zur Deregulierung im Energie- und Wohnungsbereich zu bremsen. Ausserdem wurde der Rücktritt von Finanzminister Pilip gefordert, der nach Ansicht sozialdemokratischer Abgeordneter sein Mandat überschritten und bei der Privatisierung strategisch wichtiger Staatsbetriebe unverantwortlich gehandelt habe. Dem Regierungssprecher zufolge werde sich das Kabinett kommenden Mittwoch mit den Beschlüssen der Abgeordneten befassen.
Tschechien will 8 Miliarden Kronen Schulden von Lybien eintreiben
Das tschechische Finanzministerium soll vor einem Monat die Firma Falkon Capital mit der Eintreibung lybischer Schulden gegenüber der Tschechischen Republik von rund 8 Miliarden Kronen beauftragt haben. So am Samstag die Tageszeitung Mlada fronta dnes mit Verweis darauf, dass die beauftragte Firma aus drei Georgiern bestehe, von denen einer sogar von einer Sonderkampfeinheit der Polizei gegen organisiertes Verbrechen gesucht werde. Die Provision für die Eintreibung der Schulden betrage historische 70 Prozent, heisst es weiter, und die Eintreibungsmethode werde sich wahrscheinlich hart an der Grenze des Gesetzlichen bewegen. Finanzminister Pilip habe laut Mlada fronta dnes bestätigt, dass der Auftragserteilung an die genannte Firma nach einer gründlichen Überprüfung nichts im Wege stehe.
Legislativer Regierungsrat im Finale
Der Legislative Rat der Regierung der Tschehcischen Republik wird am Montag das letzte Mal in dieser Legislaturperiode zusammenkommen. Auf dem Programm steht die Behandlung von vier Gesetzentwürfen, unter anderem des Wahlgesetzes für höhere Selbstverwaltungseinheiten und des Schutz von Inlandsprodukten vor subventionierten Importen.
Im Auftrag für die Nato Kritik am Privatisierungsprozess in Tschechien
Wie die Tageszeitung Pravo am Samstag berichtet, kritisiert der niederländische Abgeordnete Kees Zjilstra in einem Bericht für einen Unterausschuss der Nato den bisherigen Verlauf der Privatisierung in Tschechíen. Verantwortlich dafür sei vor allem der unzureichende Rechtsrahmen gewesen. Abschliessend heisst es in dem Bericht, dass bei einem Wahlsieg der politischen Linken damit gerechnet werden müsse, dass der Privatisierungsprozess auf Eis gelegt werde.
Antikorruptionskampagne im Verteidigungsressort
Der sozialdemokratische Fraktionschef Stanislav Gross kündigte am Freitag in einem Rundfunkinterview an, dass man in der von Verteidigungsminister Michal Lobkowicz (US) begonnenen Antikorruptionskampagne auch nach dem wahrscheinlichen Wahlsieg der Sozialdemokraten fortfahren werde, und das auch mit der Aussicht auf eine christdemokratische Besetzung des Verteidigungsressorts.
"Prager Frühling-Konferenz" in Paris
Unter Schirmherrschaft des tschechischen und französischen Staatspräsidenten Václav Havel und Jacques Chirak sowie der Senatsvorsitzenden Rene Monory und Petr Pithart findet im französischen Senat in Paris eine zweitägige Konferenz zum Thema "1968-Prager Frühling" statt. Unter den Teilnehmern sind Politologen, Historiker, Philosophen aus mehreren postkommunistischen Ländern. Aus der Ex-DDR wurde "ihrer negativen Beteiligung am Ende des Prager Frühlings 1968 wegen", so J. Rupnik in einem Gespräch mit Radio Prag, und selbst Teilnehmer der Konferenz, niemand geladen. Eine Veranstaltung zum gleichen Thema fand bereits am 19. Mai in Berlin in Organisation des Siemens- Forums statt.
Soweit die Nachrichten. Für das weitere Programm gute Unterhaltung und einen guten Empfang.