Nachrichtenkrieg im tschechischen Privatfernsehen

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In der Feiertagswoche dominierten in den tschechischen Zeitungen Berichte zum Inzestfall in Niederösterreich, die auch durch eine tschechische Perspektive erweitert wurden. Außerdem erfahren Sie in der heutigen Ausgabe mehr über den jüngsten Nachrichtenkrieg unter den tschechischen privaten Fernsehsendern TV Prima und TV Nova.

Amstetten  (Foto: ČTK)
Auch wenn wegen des Feiertags am Donnerstag die Arbeitswoche in Tschechien kürzer war und viele Tschechen das verlängerte Wochenende zu einem Kurzurlaub nutzten, fanden sich in den tschechischen Zeitungen in der abgelaufenen Woche durchaus brisante Themen.

Mladá fronta Dnes und die Lidové noviny brachten dazu zustätzliche Themenseiten, in denen die Leser auch mit ähnlichen Fällen konfrontiert wurden, die es in jüngster Vergangenheit in Tschechien gab.

Die Wirtschatszeitung Hospodářské noviny berichtete daneben über das Vorhaben von Bildungsminister Ondřej Liška. Sein Ministerium will Studenten, deren finanzielle Situation es erfordert, spätestens in zwei Jahren 3000 Kronen monatlich als Darlehen gewähren, das nach Ende des Studiums zurückgezahlt werden soll.


Liebe Hörerinnen und Hörer, in den vergangenen Wochen spielte sich unter den zwei privaten und landesweit zu empfangenden tschechischen Fernsehkanälen - TV Prima (der Nummer 3 auf dem Markt) und TV Nova (der Nummer 1) etwas ab, was von den übrigen tschechischen Medien - nicht ganz ohne Schadenfreude - als Nachrichtenkrieg bezeichnet wurde.

Pavel Zuna  (Foto: ČTK)
Anfang Februar bließ TV Prima zum Angriff auf TV Nova und verlegte seine Hauptnachrichten auf halb acht, also auf die gleiche Sendezeit. Das Ziel war klar, nämlich dem unangefochtenen Marktführer einen Teil seiner Zuschauer abzuwerben. Tatsächlich sahen sich am ersten Tag fast anderthalb Millionen Zuschauer die neuen Nachrichten an – und fanden sich dabei an längst vergangene Tage bei TV Nova erinnert, denn nicht nur die Moderatoren im Studio Mirka Čejková oder Pavel Zuna, sondern auch viele der Reporter gehörten bis vor kurzem zu den Stützen von TV Nova. Doch einen Tag später kehrten viele Zuschauer wieder zu TV Nova zurück – eine Entwicklung, die sich auch in den folgenden Tagen bestätigt hat.

TV Prima reagierte nun und wird ab kommendem Montag seine Nachrichten wieder auf die alte Sendezeit – 18.55 Uhr - zurück verlegen und somit wieder mit dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen um den zweiten Platz in der Zuschauergunst kämpfen.

Das jüngste Hin und Her von TV Prima nahmen wir zum Anlass für ein Gespräch mit dem tschechischen Medienwissenschaftler Jaromír Volek von der Masaryk-Universität in Brünn, der im Folgenden auf einige weitere Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten des tschechischen Medienmarkts hinweist:

"Die Einschaltquoten deuteten eine relativ dramatische Abnahme des Interesses der Fernsehzuschauer an, was aber vielleicht im Endeffekt nicht so wichtig war. Essentieller scheint mir die Strategie von TV Prima zu sein, die dahinter steckte. Auf der einen Seite wollte der Sender seine wichtigsten Nachrichten auf die Hauptsendezeit verlegen, was aus meiner Sicht eine gute Entscheidung war. Auf der anderen Seite ging man aber fälschlicherweise davon aus, dass es gelingen kann die Gewohnheiten der Zuschauer innerhalb von wenigen Monaten völlig zu verändern. In Wahrheit ist das eine Frage von längeren zeitlichen Horizonten. Somit kam - natürlich unbeabsichtigt - ein wichtiger Charakterkzug von TV Prima zu Tage, nämlich dass der Sender sein ursprüngliches Potenzial eingebüßt hat, und die Station sich nicht selbstbewusst genug präsentiert und eine Verhaltensweise an den Tag legt, die fast schon an einen lokalen Kabelsender erinnert, nicht aber an eine der wichtigsten Medienanstalten auf dem heimischen Markt."

War aber der Versuch von TV Prima nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt und zwar nur deshalb, weil die Berichterstattung von TV Nova praktisch allumfassend zu sein scheint und keine Lücke für die übrigen Mitbewerber übrig lässt? Dazu meint Jaromír Volek:

"Da wäre ich nicht so ganz sicher. Wenn wir uns die europäische oder auch die amerikanische Situation bei den Nachrichtensendungen anschauen, dann lässt sich ein gewisses Maß an Variabilität feststellen, wie man die Berichterstattung gestalten kann. Natürlich ist das Ganze besonders stark von den konkreten Persönlichkeiten abhängig - nicht nur der Moderatoren, sondern auch der Personen im Hintergrund, etwa der Chefs vom Dienst, die praktisch den Inhalt der Nachrichtensendungen bestimmen. Und in Tschechien ist es eben eine Frage der fehlenden Persönlichkeiten in den jeweiligen Sendern. Diese lassen sich natürlich nicht von einem Tag auf den anderen finden. Es ist nicht so, dass der Martkführer TV Nova ganz einfach den Nachrichtenbereich völlig abdecken würde, sondern TV Prima ist es nicht gelungen den Zuschauern etwas Spezifisches zu bieten und die Verantwortlichen nahmen sich auch nicht die notwendige Zeit dafür."

Ist eigentlich der tschechische Fernsehzuschauer besonders konservativ, das heißt, dass er wenn möglich täglich zur gleichen Zeit seine Nachrichten in gleicher Aufmachung sehen will? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Medienwissenschaftler Jaromír Volek von der Masaryk-Universität in Brünn:

"Ja, das ist natürlich das wichtigste Prinzip, welches bei Sendungen der großen Fernsehstationen zum Tragen kommt. Die Zuschauer der Nachrichtensendungen sind älter, sie haben keine ausgesprochenen intellektuellen Ansprüche. Von den Sendern erfordert das eine Situation herzustellen, dass sich die Zuschauer darauf freuen können etwas zu sehen, was ihnen vertraut scheint, was sie schon früher gesehen haben. Das erzeugt ein Gefühl von Sicherheit. Die Nachrichtenberichterstattung ist praktisch darauf angelegt, dass man immer wieder die gleichen Gesichter sieht, die vertrauten Stimmen hört, wie, dass man auch regelmäßig die gleichen Themen serviert bekommt. So erzeugt heute zum Beispiel der tägliche Bericht über einen Verkehrsunfall ebenfalls ein Gefühl von Sicherheit, auch wenn das vielleicht paradox klingen mag. In dieser Hinsicht ist es sehr schwer, die Nachrichtenberichterstattung so zu dosieren, dass man zwar etwas Neues präsentiert, gleichzeitig aber nicht jene Zuschauer verprellt, die auf diese Vertrautheit warten und sie auch verlangen. Die Studiodekoration kann sich zwar mit der Zeit ändern, kann eine modernere Gestalt bekommen, aber das Grundkonzept der Sendung muss unverändert bleiben. Zu diesem Grundkonzept gehört übrigens auch die Sendezeit. Das Tschechische Fernsehen hat etwa vor Jahren den taktischen Fehler begangen die traditionelle, über mehrere Jahrzehnte etablierte, Sendezeit ihrer Hauptnachrichten von 19.30 Uhr auf 19.15 Uhr zu verlegen und somit TV Nova, die um halb acht auf Sendung geht, freiwillig das Feld überlassen. Die Nachrichten von TV Nova sind nicht um so vieles besser oder schlechter als anderswo, aber sie haben den Vorteil, dass sie langfristig und systematisch mit Stereotypen arbeiten, wodurch man es schafft praktisch keine Zuschauer an die Konkurrenz zu verlieren."