„Nationaler Stil – Kultur und Politik“: Ausstellung zeigt repräsentativen Stil der ersten Tschechoslowakischen Republik

Krematorium in Pardubice (Foto: Roman Horník, Wikimedia CC BY 3.0)

„Nationaler Stil – Kultur und Politik“ - eine Ausstellung mit diesem Namen vor einigen Tagen im Messe-Palast in Prag-Holešovice eröffnet. Erstellt wurde sie von der Nationalgalerie in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Kunstgewerbe. Die Schau ist noch bis Juni zu sehen.

Foto: Archiv der Nationalgalerie
Als nationaler Stil wird eine Kunstrichtung bezeichnet, die nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 entstanden ist. Damals wuchs die Nachfrage nach einem Stil, der den Begriff der „tschechoslowakischen Nation“ auch künstlerisch zum Ausdruck bringen würde. Vendula Hnídková ist Autorin der Ausstellung über den nationalen Stil:

„Die Künstler selbst betrachten sich im Jahr 1918 als Träger eines großen politischen, gesellschaftlichen und sozialen Umbruchs. Die ganze Gesellschaft hatte damals das Gefühl, etwas Neues aufzubauen. Nach einem jahrzehntelangen Emanzipationsprozess war der selbständige Staat erreicht, und das rief eine große Welle positiver Energie hervor. Nicht nur die Künstler, sondern ein bedeutender Teil der Gesellschaft strebten danach, die neue Tschechoslowakei aufzubauen.“

Träger der neuen Kunstrichtung waren einige Künstler, die vor dem Krieg im Stil des Kubismus tätig gewesen waren. Nun schufen sie den so genannten Rondokubismus. Vor allem die Architekten Pavel Janák und Josef Gočár wurden zu offiziellen Repräsentanten der neuen Republik.

„Der Architekt und Kunsttheoretiker Pavel Janák hat schon während des Ersten Weltkriegs das Konzept neuer Ausdrucksmöglichkeiten durchgedacht. Seine Ausdrucksmittel nach dem Krieg unterschieden sich wesentlich von denen zuvor, als Janák ein Protagonist des Kubismus war. Er wollte dem neuen Staat zu einer neuen visuellen Identität verhelfen. Janák verwarf den Ästhetizismus der Vorkriegszeit, der für breitere Gesellschaftsschichten unverständlich war. Der neue Stil sollte zugänglicher sein.“

Palais Adria in Prag  (Foto: VitVit,  Wikimedia CC BY 3.0)
Der neue nationale Stil setzte sich vor allem in der Architektur und angewandten Kunst durch. Als Inspirationsquelle diente die slawische Folklore:

„Die Architekten, Künstler und Designer gaben zwar kund, sie wollten sich nicht der Volkskunst annähern und diese auch nicht übernehmen. Wenn man sich aber die Produkte jener Zeit anschaut, sieht man durchaus Elemente der Volkskultur. Man wollte das Wesen des Landes aufspüren. Man sprach vom Einfluss des Bodens und des Klimas, der die Gesellschaft prägt und aus dem man schöpfen muss.“

Krematorium in Pardubice  (Foto: Roman Horník,  Wikimedia CC BY 3.0)
Vendula Hnídková nennt die zwei wichtigsten Züge des nationalen Stils:

„Erstens eine sehr intensive Farbigkeit, die manchmal an der Grenze oder sogar jenseits der Grenze des Kitsches war. Und die zweite Sache war das Ornament. Reiches ornamentales Dekor schmückte Fassaden, Wände, Möbel und das graphische Design.“

Musterbeispiele des Rondokubismus sind das Gebäude der Bank der tschechoslowakischen Legionen in Prag, das Prager Palais Adria oder das Krematorium in Pardubice. Die neue nationale Kunstrichtung beeinflusste aber auch etwa das Design der tschechoslowakischen Banknoten, der tschechoslowakischen Pavillons bei internationalen Ausstellungen oder Bühnenbildentwürfe im Prager Nationaltheater. Die neu entstehende künstlerische Avantgarde wandte sich Mitte der 1920er Jahre aber von dem reichen ornamentalen Stil ab.