Neonazi-Aufmarsch zum 10. November: "Das ist eine Provokation"
Vergangene Woche haben wir bereits zweimal über den geplanten Aufmarsch von Neonazis im ehemaligen jüdischen Viertel von Prag am 10. November berichtet. Tomas Kraus ist Generalsekretär der Föderation jüdischer Gemeinden in Tschechien. Till Janzer hat sich mit ihm über den möglichen Neonazi-Aufmarsch unterhalten.
"Derzeit sieht es so aus, dass der Aufmarsch höchstwahrscheinlich nicht im jüdischen Viertel stattfinden wird. Die Neonazis haben aber gesagt, dass sie in jedem Fall einen Marsch planen, nur wird er wohl anderswo abgehalten."
Dennoch: Was plant die jüdische Gemeinde zu tun?
"Sie plant einen öffentlichen Gottesdienst, und das in jedem Fall, weil sich dieser auf den Jahrestag der so genannten Reichskristallnacht bezieht. Die jüdische Gemeinde in Prag hat einen Aufruf herausgegeben, dass jeder kommen kann, der sich gerne beteiligen will. Wir glauben, dass viele Leute kommen werden."
Die jüdische liberale Union hat sogar zum aktiven Widerstand gegen den Aufmarsch aufgerufen, in dem Fall, dass er wirklich an Synagogen und dem alten jüdischen Friedhof vorbeiführen würde. Es scheint so, als ob die liberale Union dabei auch das Risiko von Straßenkämpfen in Kauf nehmen würde. Ist das noch im Sinne der jüdischen Gemeinde?
"Auf keinen Fall. Das war eine allzu emotionale Reaktion unmittelbar auf die ersten Informationen. Die Prager jüdische Gemeinde ist nicht bereit, sich in eine solche Situation bringen zu lassen."
Sie haben gesagt, dass es unter Umständen gar nicht zu dem Aufmarsch der Neonazis im ehemaligen jüdischen Viertel kommt. Halten Sie aber die Tatsache, dass eine rechtsradikale Vereinigung am 10. November eine Veranstaltung abhalten will, nicht auch so für eine Provokation?
"Selbstverständlich ist das eine Provokation. Wenn die Veranstaltung aber in einem anderen Stadtteil stattfindet, dann richtet sie sich nicht direkt gegen die jüdische Gemeinde. Obwohl wir alle natürlich wissen, was die Neonazis denken."Politische Organisationen haben der jüdischen Gemeinde Unterstützung zugesagt, einige Politiker haben sogar aktiven Widerstand angekündigt. Überrascht Sie eigentlich das Verhalten der tschechischen Öffentlichkeit?
"Das ist keine Überraschung, sondern wir denken - und das ist eine Art Postulat -, dass die jüdische Kultur und die jüdische Gemeinde von der Gesellschaft und Öffentlichkeit hierzulande als ein Teil der tschechischen Kultur und tschechischen Gesellschaft betrachtet werden. Der Protest richtet sich vor allem gegen die Verletzung demokratischer Rechte."