Neue Dimension der Gewalt – Člověk v tísni beklagt neun Tote in Afghanistan

Foto: ČTK

Es ist ein tragischer Schlag für die größte humanitäre Organisation aus Tschechien: Neun Mitarbeiter von Člověk v tísni (Mensch in Not) sind in Afghanistan getötet worden. Sie kamen bei einem Angriff Unbekannter ums Leben. Die Organisation würde gerne weiter im Land am Hindukusch helfen, doch Experten sind besorgt über die bisher ungekannte Gewalt gegen Mitarbeiter ziviler Organisationen.

Foto: ČTK
Der Angriff erfolgte in der nordafghanischen Provinz Balch. Getötet wurden sieben Entwicklungshelfer und zwei Wachen, alles afghanische Bürger. Laut einem Polizeisprecher der Provinz wurden die acht Männer und eine Frau in der Nacht auf Dienstag in ihrem Gästehaus im Gebirgsdistrikt Sari erschossen.

Sie arbeiteten alle für Člověk v tísni. Nach dem Mord hat die Hilfsorganisation ihre Tätigkeit in Afghanistan vorübergehend gestoppt. Šimon Pánek ist der Leiter von Člověk v tísni:

Šimon Pánek  (Foto: Matěj Pálka,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir haben derzeit 230 Angestellte in Afghanistan und arbeiten in 20 Distrikten. Das ist ein recht großes Unterfangen. Wir unternehmen daher Schritte, um weitere Risiken zu vermeiden. Wir haben vorerst unsere Büros geschlossen, das ist eine Präventivmaßnahme. Innerhalb weniger Tage werden wir entscheiden, wie es weitergeht. Wir sind auch in Kontakt mit den Familien der Getöteten. Wir haben sofort begonnen, den Hinterbliebenen finanziell beizustehen, denn der ernährende Familienteil ist bei der Arbeit für uns ums Leben gekommen. Dafür bestehen bestimmte Prozeduren. Leider ist dies das Maximum, was wir ausrichten können.“

Člověk v tísni in Afghanistan  (Foto: Archiv von Člověk v tísni)
Am Dienstag hatte sich der Chef von Člověk v tísni in Kabul, Ross Hollister, geäußert. Er sagte, man erwäge bisher nicht, sich ganz aus dem Land zurückzuziehen.

Schon 2002 hat die Hilfsorganisation ihre Arbeit in Afghanistan aufgenommen. Šimon Pánek:

„Wir haben nach der Vertreibung der Taliban mit der humanitären Hilfe in Afghanistan begonnen. Immer stärker haben wir uns am Wiederaufbau des Landes beteiligt. In der Gegend, in der es zum Angriff kam, haben wir ab 2002 zunächst die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt und bei der Rückkehr der Menschen aus den Flüchtlingslagern in ihre Dörfer geholfen. In den folgenden Jahren ging es um den Bau von Schulen und medizinischen Einrichtungen. Danach haben wir zur Verbesserung der Landwirtschaft beigetragen, mit neuen Fruchtfolgen, besserer Bewässerung und der besseren Nutzung von natürlichen Ressourcen.“

Matyáš Zrno  (Foto: ČT24)
Dabei wurde auch mit den örtlichen Behörden zusammengearbeitet. Gerade im vergangenen Jahr haben sich jedoch in ganz Afghanistan die Angriffe auf Angestellte humanitärer Organisationen erhöht. Insgesamt 57 Menschen kamen dabei ums Leben. Das ist eine völlig neue Dimension. Matyáš Zrno war beim zivilen Aufbauteam der tschechischen Armee in der östlichen Provinz Lugar beschäftigt:

„Bisher galt, dass die Arbeit für eine Organisation vom Typ Člověk v tísni eine größere Akzeptanz und Sicherheit garantiert hat als die Arbeit für ausländische Soldaten.“

Afghanistan  (Quelle: U.S. Central Intelligence Agency,  Public Domain)
Die Polizei der Provinz ermittelt zu dem Angriff. Aber die Hintergründe der Tat sind weiter unklar. Der Distrikt Sari grenzt an die instabile Provinz Sar-i-Pul, wo die Taliban stark sind. Fachleute aus Tschechien sprechen aber auch davon, dass bewaffnete Kräfte einer sogenannten Islamischen Bewegung Usbekistan in die Provinz gesickert seien.