Neue E-Busse für Prag – Gründliches Testen ist nötig, sagt der Experte
Seit vergangener Woche ist der erste Elektrobus Škoda E'CITY in Prag unterwegs. Weitere 13 Fahrzeuge sollen folgen. Bei der Anschaffung haben sich die Verkehrsbetriebe der tschechischen Hauptstadt für das Modell der Pilsner Maschinenbaufirma Škoda entschieden.
Der erste Elektrobus Škoda E'CITY ist bereits Ende Dezember nach Prag gekommen. Erst seit Montag vergangener Woche können aber auch die Fahrgäste ihn nutzen. Bis 5. Februar sollen die Prager Verkehrsbetriebe (DPP) die restlichen 13 Busse erhalten. Dies sagt DPP-Kommunikationschef Daniel Šabík gegenüber Radio Prag International. Die neue Elektrobus-Flotte wird auf den Linien 154 von der Haltestelle „Strašnická“ nach „Koleje Jižní Město“ und 213 von der Haltestelle „Želivského“ nach „Jižní Město“ beziehungsweise zum Bahnhof Uhříněves verkehren.
Škoda E'CITY ist der erste Elektrobus für Prag in der Standardlänge von zwölf Metern. Die Prager Verkehrsbetriebe haben zuvor über längere Zeit die E-Busse diverser Hersteller getestet. Dazu gehörte auch ein Batteriebus der tschechischen Firma SOR Libchvavy. Er war allerdings kürzer – nämlich nur elf Meter lang – und hatte sieben Sitzplätze weniger. Vor allem aber war er fehlerhaft, wie DPP-Direktor Petr Witowský auf einer Pressekonferenz mitteilte.
Die neuen E-Busse von Škoda sind 100 Prozent elektrisch, das heißt, dass auch die Heizung mit Elektrostrom betrieben ist. Bei laufender Klimaanlage oder Heizung soll die Reichweite der Fahrzeuge laut Hersteller bis zu 100 Kilometer im normalen Stadtverkehr betragen. Dann muss der Bus wieder aufgeladen werden. Und das geschieht folgendermaßen: Die Batteriebusse werden mithilfe eines abgefederten Stromabnehmers an die Oberleitung der Straßenbahnen angeschlossen – und zwar entweder im Betriebshof in Vršovice oder an den Endhaltestellen „Strašnická“ und „Želivského“. Der Ladeprozess soll 15 bis 30 Minuten dauern. Der Stromabnehmer auf dem Dach des Busses ist auch mit einer Kamera ausgestattet. Über sie kann kontrolliert werden, ob der Abnehmer richtig angelegt ist und einwandfrei funktioniert.
Klimafreundlich? Nicht mit dem tschechischen Energiemix
Die Batteriebusse machen kaum Lärm, und sie stoßen – zumindest vor Ort – keine Schadstoffe aus. Absolut emissionsfrei seien sie jedoch nicht, wie Professor Jan Macek von der Technischen Universität in Prag bemerkt:
„Batteriebusse sind nicht weitgehend emissionsfrei, wie so oft behauptet wird. Emissionsfreien Verkehr gibt es nicht. Ein vergleichbarer Dieselbus stößt 1,4 Kilogramm Kohlendioxid pro Kilometer aus, die E-Busse am Ort der Stromproduktion angesichts des tschechischen Energiemix etwa 0,84 Kilogramm, also rund 40 Prozent weniger“, so der Maschinenbau-Ingenieur.
Der Bushersteller Škoda Electric hat zwar geschichtsbedingt denselben Namen und dasselbe Logo wie der bekannte Automobilhersteller, gehört aber nicht zum Volkswagen-Konzern, sondern zum Maschinenbauunternehmen Škoda Transportation mit Sitz in Plzeň / Pilsen. Dieses hat auch in Deutschland eine Tochtergesellschaft, mit Vertretungen in München und Mannheim. Seine Straßenbahnen fahren mittlerweile zum Beispiel durch Frankfurt / Oder und Cottbus. Jan Sůra ist Journalist beim tschechischen Verkehrsportal „zdopravy.cz“:
„Für Škoda ist das Segment der Busse beziehungsweise E-Busse zwar neu. Der Maschinenbauer kooperiert jedoch mit dem türkischen Unternehmen Temsa, das auf die Herstellung von Bussen spezialisiert ist. Škoda ist darüber hinaus schon Jahrzehnte Experte für elektrische Antriebe – die Firma ist einer der wichtigsten Hersteller von O-Bussen. Ich würde persönlich keine Angst haben, dass das Unternehmen einen Elektro-Bus zulassen könnte, der nicht ausreichend getestet und etwa mit defekter Technologie ausgerüstet sein könnte.“
Temsa, der Bushersteller aus der Türkei, liefert die Karosserie für die neuen E-Busse, Škoda Transportation stellt die komplette Elektroausrüstung einschließlich der Batterien bereit. Beide Unternehmen verbindet die Mitgliedschaft in der PPF-Gruppe, einer internationalen Investmentgruppe, die 1991 in der damaligen Tschechoslowakei von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Unternehmer und Milliardär Petr Kellner gegründet wurde.
„Ich denke, Prag hat teilweise davon Gebrauch gemacht, dass Škoda praktisch Neuling auf dem Markt mit E-Bussen ist. Um den Lieferauftrag zu erhalten, musste Škoda mit seinem Preis hinuntergehen. Dieser war für Prag im Vergleich zu anderen Städten insgesamt relativ niedrig“,
meint der Verkehrsjournalist Sůra. Die Beschaffungskosten für den Auftrag beliefen sich schließlich auf 207 Millionen Kronen (umgerechnet 8,3 Millionen Euro), 85 Prozent davon konnte mit europäischen Fördergeldern abgedeckt werden.
Mehr Fahrzeuge mit alternativem Antrieb?
Aber gerade der Anschaffungspreis ist einer der Faktoren, warum Elektrobusse noch nicht in großem Umfang eingekauft werden. Für den Preis eines Elektrobusses bekäme man zwei Busse mit konventionellem Antrieb. Hinzu kommt, dass in Prag auch erst einmal richtige Ladestationen aufgebaut werden müssten. Denn das bisherige Verfahren an den Endhaltestellen der Straßenbahnen lässt sich nicht ausweiten – weil dort nicht genügend Kapazitäten bestehen.
Gegen eine größere Elektrifizierung des Prager Fuhrparks spricht sich auch Professor Macek aus – und zwar aus Gründen der Betriebssicherheit:
„Der Energiemarkt ist sehr turbulent. Die Mehrheit der Experten für Netzsysteme sagt einem unter vier Augen, dass die Frage nicht lautet, ob es zu einem partiellen oder kompletten Stromausfall kommt, sondern bloß wann. Der ÖPNV muss unter solchen Umständen flexibel sein. Und Busse wären bei einem Stromausfall eine gewisse Reserve. Falls zu viel Busse elektrifiziert würden, könnte dies künftig zu Problemen führen.“
Dieser Gefahr ist sich auch der DPP-Direktor Petr Witowský bewusst. Gegenüber dem tschechischen Nachrichtenserver Aktuálně.cz erklärte er, dass mindestens ein Viertel der Busflotte weiterhin einen konventionellen Antrieb haben sollte.
Prag will nämlich auch Busse mit weiteren alternativen Antrieben ausprobieren – von der Brennstoffzellen- über die Batterie- bis zur Oberleitungstechnik. „Testen“ ist auch das Stichwort für Professor Macek von der Technischen Universität.
„Falls wir in solcher Weise den öffentlichen Verkehr elektrifizieren wollen, muss das gründlich getestet werden. Ich denke, dass 14 Stück für den Anfang eine vernünftige Anzahl sind. Ich bin sogar der Meinung, dass die Prager Verkehrsbetriebe eine gute Streckenwahl getroffen haben: Die neuen E-Busse sollen auf der Linie 154 eingesetzt werden, auf der es keine Steigung gibt. Demgegenüber fährt der Bus 213 ständig auf und ab durch ein Tal. Dabei kommt es zur Rekuperation, also zur Rückgewinnung von Energie, was auf den Gesamtbetrieb einen starken Einfluss hat.“
Prag solle keine voreiligen Entscheidungen treffen, also keine weiteren E-Busse bestellen, bevor diese im Betrieb ausreichend getestet seien, so Macek weiter.
Im Juli vergangenen Jahres verabschiedete die damalige tschechische Regierung ein vorläufiges Regelwerk für öffentliche Verkehrsbetriebe. Demnach soll bis 2025 die Hälfte aller Busse emissionsfrei sein. So sollen die Vorschriften der EU umgesetzt werden. Prag hat sich dazu verpflichtet, bis 2024 ein Drittel seiner Busse auf elektrischen Antrieb umzustellen. Auf der Pressenkonferenz anlässlich der feierlichen Inbetriebnahme am Montag vergangener Woche sagte DPP-Direktor Witowský:
„Wir wollen noch in diesem Jahr die Anschaffung weiterer 100 solcher E-Busse ausschreiben. Ihre Lieferung soll dann in den nächsten drei Jahren erfolgen. Gleichzeitig bereiten wir uns darauf vor, demnächst 70 O-Busse zu übernehmen.“
Gute alte Dieselbusse?
Zugleich schreiben die Prager Verkehrsbetriebe auch einen Lieferauftrag für 253 neue Dieselbusse aus. Wie bewertet der Journalist Jan Sůra die Tatsache, dass weiter Busse mit konventionellem Antrieb gekauft und eingesetzt werden sollen?
„Die Emissionen beim Einsatz fossiler Brennstoffe sind in den letzten 20 Jahren deutlich gesunken. Wie die E-Busse wurde auch die Technologie des Verbrennungsmotors weiterentwickelt. Die Wiener Verkehrsbetriebe haben sich zum Beispiel weiterhin für Dieselbusse entschieden, obwohl Österreich an sich vergleichsweise streng gegen CO2-Emissionen vorgeht.“
Im vergangenen Jahr hat die Wiener Linien GmbH insgesamt 360 Triebzüge mit konventionellem Antrieb gekauft, rein elektrische Busse sind in der österreichischen Hauptstadt aktuell nur zwei im Einsatz. Anders ist die Lage in Berlin. Dort sind von 1500 Bussen des Fuhrparks bereits 227 elektrisch betrieben. Prag geht also einen mittleren Weg bei der Bus-Elektrifizierung. Einen Weg voller Erwartungen aber auch Hürden.