Neue Perspektive für die Elbe: Sanfter Tourismus statt Binnenschifffahrt
Ist die Elbe ein Fluss, den man noch stärker und profitabler für die Binnenschifffahrt nutzen sollte? Oder ist diese Vorstellung nur unrealistisches Wunschdenken? Das Wirtschaftsmagazin gibt die Antworten. Und ebenso zur Frage: Weshalb stand der Entwurf zum tschechischen Staatshaushalt diesmal besonders im Fokus?
Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft
Die tschechische Wirtschaft hinterlässt weiterhin einen starken, konsolidierten Eindruck. Doch das muss nicht so bleiben, sollten sich die politischen Verhältnisse im Land nicht bald stabilisieren. Daher haben Wirtschafts- und Finanzexperten mit Erleichterung registriert, dass sich die Politiker der fünf Parlamentsparteien dieser Tage darauf verständigt haben, ihre finanziellen Hausaufgaben ohne weiteren Zeitverzug zu erledigen. Das Abgeordnetenhaus in Prag hat nämlich am Donnerstag vergangener Woche die grundlegenden Eckdaten des tschechischen Staatshaushalts für das kommende Jahr gebilligt. Das Defizit wird 91,3 Milliarden Kronen (ca. 3,26 Milliarden Euro) betragen. Hierbei rechnet man mit Einnahmen in Höhe von 949,5 Milliarden Kronen (ca. 33,9 Milliarden Euro) und mit Ausgaben in Höhe von 1,0408 Billion Kronen (ca. 37 Milliarden Euro). Für diesen Haushaltsentwurf stimmten letzten Endes auch die Sozialdemokraten (CSSD), da Finanzminister Vlastimil Tlusty (ODS) daran das Versprechen knüpfte, die etwaige Privatisierung der Energiegesellschaft CEZ mit der größten Oppositionspartei zu konsultieren. Deshalb äußerte sich der sozialdemokratische Ex-Finanzminister Bohuslav Sobotka auch einigermaßen zufrieden über die getroffene Vereinbarung:"Ich begrüße auch die zweite Verlautbarung des Finanzministers, bei der er davon sprach, dass die Regierung auch andere Quellen im Bereich der Privatisierung suchen wird, um finanzielle Mittel für den Verkehrsfonds zu gewinnen. Falls ihr das gelingen sollte, würde sich damit auch das Risiko der Privatisierung eines Aktienanteils an der Gesellschaft CEZ verringern."Martin Bursik, der Chef der Grünen, sagte nach der Abstimmung, dass der Haushaltsentwurf für ihn kein klares Signal für eine Modernisierung und eine höhere Effektivität im Gebrauch von öffentlichen Geldern sei. Doch er räumte ein:
"Aber gleichzeitig sind wir uns dessen bewusst, dass es in der jetzigen Phase der politischen Instabilität besser ist, den Haushaltsentwurf in die zweite Lesung zu verabschieden, als eine Situation heraufzubeschwören, bei der die Instabilität noch durch ein Haushaltsprovisorium untermauert wird."
Über den endgültigen Haushaltsentwurf wird das Abgeordnetenhaus erst am Jahresende abstimmen.
Hinter die Fassade geschaut
Die Elbe ist der letzte relativ naturnahe Strom in Deutschland. Aber auch in Tschechien ist ihr Streckenprofil zumeist sehr romantisch mit der Natur verwoben: In ihrem Oberlauf von der Quelle im Riesengebirge bis ins ostböhmische Pardubice, und im hiesigen Unterlauf von Lovosice im Böhmischen Mittelgebirge bis Hrensko / Herrnskretschen im Elbsandgebirge. Einige wenige Wirtschaftsunternehmen sehen im Elbestrom aber immer noch eine sprudelnde Transportverbindung, auf der man Güter von Tschechien bis zum Hamburger Hafen und zurück befördern kann. Und das in einer Zeit, in der die Nachfrage nach Schüttgütern stark zurückgegangen ist und es für den Containertransport keine moderne Flottille gibt. Hinzu kommt, dass die Elbe ein typischer Flachlandfluss des Regen-Schnee-Typs mit häufigen Niedrigwasserperioden ist. Das bedeutet, auf ihr können nur flache Schiffe mit einem niedrigen Tiefgang und daher mit einem geringen Transportvolumen verkehren. Und sie können es nicht ganzjährig, wie ein im März dieses Jahres vorgelegtes Gutachten des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung belegt. Diesem Gutachten zufolge erreicht die deutsche Elbe an durchschnittlich mehr als 100 Tagen nicht die für eine zumutbare Binnenschifffahrt erforderliche Fahrrinnentiefe von 1,60 Meter. Und daran wird sich in Zukunft mit hoher Sicherheit auch nichts ändern, wie Wissenschaftler Frank Wechsung vor kurzem in Prag ausführte:"Wir müssen also jetzt davon ausgehen, wenn wir uns die Werte zu den Niedrigwasserverhältnissen in der Elbe ansehen, dass die trockneren Verhältnisse eher das Typische für die Elbe sind. Zudem kommt noch der Klimawandel hinzu: Wir haben in den letzten 50 Jahren eine Temperaturerhöhung sowohl in Tschechien als auch in Deutschland beobachten können in einer Größenordnung von einem bis 1,5 Grad Celsius."Um eine ganzjährige Schifffahrt auf der Elbe sicherstellen zu können, müsste der Fluss also auf seinem gesamten 600 Kilometer langen Lauf von Usti nad Labem / Aussig bis nach Hamburg mehrfach angestaut werden. Aber einem solchen Mammutprojekt erteilen Wissenschaftler und Umweltexperten eine klare Absage. Weshalb, dazu sagte die Koordinatorin der Umweltverbände in der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE), BUND-Mitarbeiterin Iris Brunar:
"Die Deutschen möchten die Elbe nicht stauen. Das wurde schon Anfang der 90er Jahre beschlossen, denn es wurde ein Kosten-Nutzen-Verhältnis ermittelt, bei dem die Kosten den Nutzen um ein Vielfaches übertreffen. Das heißt, man müsste eine zweistellige Milliardensumme ausgeben, um die gesamte Elbe in Deutschland zu stauen."
Iris Brunar machte schließlich noch deutlicher, dass der Bau von 20 bis 30 Staustufen an der deutschen Elbe höchst unrentabel sein würde:
"Wenn man zehn Euro investiert, würde man nach 80 Jahren einen Euro herausbekommen. Da möchte ich gerne fragen: Würden Sie Ihr Geld so anlegen?"Nichtsdestotrotz plant die Tschechische Republik ihrerseits immer noch mit dem Bau einer 117 Million Euro teuren Staustufe in der Elbe bei Decin / Tetschen, um so die Schiffbarkeitsbedingungen auf den böhmischen Elbestrecken zu verbessern. Die Baukosten sollen dabei zu 85 Prozent aus EU-Mitteln bestritten werden. Angesichts der gerade geschilderten Nutzlosigkeit eines solchen Projekts für den weiteren Transportverlauf auf der deutschen Elbe, wäre dessen Realisierung nur ein weiteres Beispiel von Megaverschwendung. Daher drückt die Vizechefin der tschechischen Partei der Grünen und Vorsitzende der Aussiger Parteiorganisation, Dzamila Stehlikova, die Hoffnung aus, dass sich der Bau in jedem Fall verhindern lasse:
"Es handelt sich vorerst um einen Plan. Bisher wurden noch keine Schritte in dieser Sache eingeleitet. Also besteht weiterhin die Hoffnung, dass dieses Projekt noch einmal eingehend auf seine negativen Auswirkungen bezüglich des EU-Schutzgebietssystems Natura 2000 überprüft wird. Daher müssen wir lernen, EU-Mittel nicht nur sinnvoll, zweckmäßig und effektiv zu nutzen, sondern auch rücksichtsvoll gegenüber der Umwelt einzusetzen. Da spreche ich noch gar nicht davon, dass dieses 117-Millionen-Projekt wirtschaftlich unrentabel ist. Und das Problem des Gütertransports in dieser Region wird damit auch nicht gelöst."
Dieser Transport könnte, so Dzamila Stehlikova, wesentlich schneller und effektiver mit der Eisenbahn bewältigt werden. Das findet auch Iris Brunar, die außerdem moniert, wie die EU ein solches Projekt überhaupt unterstützen konnte:"Wir werden auf alle Fälle eine Anfrage betreffs der Staustufen und deren Finanzierung bei der Europäischen Union machen. Und wir werden auch nachfragen, warum die EU Tschechien erlaubt hat, die Binnenschiffer zu subventionieren, bis die Staustufe gebaut wird. Das würde ja bedeuten, dass die Schifffahrt nach dem Bau der Staustufe bis nach Hamburg vonstatten gehen kann. Dem ist nicht so! Aber die EU muss erklären, was dafür die Kriterien sind, warum sie glaubt, dass man nach dem Bau der Staustufe nicht nur bis Decin fahren kann, sondern bis nach Hamburg."
Dass das zu den gegebenen natürlichen Bedingungen nicht möglich ist, haben die Umweltverbände in Deutschland und Tschechien in einem gemeinsamen Positionspapier, gestützt auf neueste Gutachten, dargestellt. Ist eine wirtschaftliche Nutzung der Elbe damit ausgeschlossen? Mitnichten! Iris Brunar sagt uns abschließend, worin sie eine große Chance für diesen Fluss sehe:"Die Elbe hat ein sehr großes Potenzial, zum Beispiel für den so genannten sanften Tourismus. Der Elberadweg wird ja in Sachsen und Sachsen-Anhalt schon ausgiebig genutzt. Er ist der beliebteste Radweg in Deutschland. Zudem zieht es die unzähligen Radfahrer und Wanderer immer wieder wegen der sehr schönen Landschaft an die Elbe. In Verbindung mit der Kultur ist das ein unglaublicher Schatz, den wir heben müssen!"