Ausbau der Elbe erhitzt weiterhin die Gemüter – dies- wie jenseits der Grenze

Seit Jahren ist er Bestandteil eines Abkommens zwischen Deutschland und Tschechien und ebenso lange steht er im Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung in Tschechien: Die Rede ist vom Ausbau der Elbe als internationale Wasserstraße. Während Naturschützer das Ökosystem eines der letzten frei fließenden großen europäischen Flüsse bedroht sehen, spricht die Tschechische Politik von wirtschaftlicher Notwendigkeit und verweist auf umfassende Umweltschutzmaßnahmen.

Die Elbe sei einer der letzten frei fließenden großen europäischen Flüsse, sagt Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Die Elbe war für viele Jahrzehnte in zentralen Bereichen ein Grenzfluss und ist deshalb nicht kanalisiert worden. Sie ist deshalb heute noch von höchster ökologischer Qualität, weil die Elbe auf über 600 Kilometer Flusslänge nicht durch ein Querbauwerk, einen Stau massiv negativ verändert wurde. Die Elbe ist deshalb auch in Verbindung mit den flussbegleitenden Wäldern eine der hochwertigsten Flusslandschaften - nicht nur auf nationalem, sondern auf europäischem Niveau.“

Hubert Weiger  (Foto: Julia Puder,  www.bund.net)
Doch nun sehen die Naturschützer die Elbe in Gefahr. Bereits 2006 schlossen Deutschland und Tschechien ein Abkommen über den Ausbau der Elbe als Schifffahrtsweg. Deutschland will eine Fahrwassertiefe von 1,50 bis 1,60 Meter an 345 Tagen im Jahr garantieren, Tschechien verpflichtet sich seinerseits ebenfalls zu einer Eintiefung der Schifffahrtsrinne. Dazu ist der Bau von Schleusen zwischen Ústí nad Labem und der deutschen Grenze bei Schöna nötig. Doch diese würden das sensible Ökosystem der Elbe gefährden, sagt Iris Brunar, die sich beim BUND mit der Elbe beschäftigt:

Iris Brunar
„Die Flusslandschaft und vor allem die Auen brauchen die schwankenden Wasserstände zwischen Hoch- und Niedrigwasser. Doch diese Schwankungen sind das Problem für die Schifffahrt. Ziel ist, diese Schwankungen zu vergleichmäßigen, diese Dynamik zu verringern, um die Schifffahrt zu ermöglichen.“

In Deutschland setze allerdings bereits ein Umdenken ein, sagt der BUND-Vorsitzende Weiger:

Schifffahrt auf der Elbe bei Hradec Králové
„Wir können erfreut feststellen, dass Staumaßnahmen an der Elbe in Deutschland politisch nicht mehr durchsetzbar sind. Es gibt eine wachsende Kritik darüber hinaus an den festgelegten und beschlossenen politischen Maßnahmen, die Fahrrinnentiefe auf 1,60 Meter zu garantieren.“

Miroslav Šefara, der Leiter der Tschechischen Wasserstraßen-Direktion betont hingegen, in Deutschland seien auf der Elbe gar keine Staumauern und Schleusen nötig, weil dort das Gefälle und damit die Fließgeschwindigkeit des Wassers viel geringer seien als in Tschechien. Im Übrigen sei die Elbe entgegen der Behauptung des BUND bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts stark reguliert, in Geesthacht vor Hamburg gäbe es auch eine ausgedehnte Schleusenanlage. Deshalb seien die in Tschechien geplanten Staumaßnahmen für das Ökosystem der Elbe sogar ein Gewinn:

Auen an der Elbe
„Alle Projekte, die wir heute planen, sind ökologisch sinnvoll und beheben die früheren Eingriffe. Sie führen zu einer Renaturierung der Elbe. Bei der Staustufe in Děčín, über die so heftig diskutiert wird, soll die ökologische Variante von Ivan Dejmal umgesetzt werden. Dejmal ist so etwas wie die Ikone der tschechischen Ökologie, und die Umweltschützer zitieren ihn selbst gern. Er hat die Auswirkungen seines Projektes auf die Umwelt genau berechnet und ist zu dem Schluss gekommen, dass der ökologische Wert der Elbe durch den Bau der Staustufe deutlich steigt.“

Ivan Dejmal  (Foto: Zdeněk Vališ)
Dejmals mehrere hundert Seiten dicke Projektdokumentation liegt in der Tschechischen Wasserstraßen-Direktion im Schrank. Dejmal selbst, der vom kommunistischen Regime als Dissident und Umweltschützer verfolgt wurde, war langjähriges Mitglied der Grünen und von 1991 bis 1992 tschechoslowakischer Umweltminister. Er kann sich selbst nicht mehr zu seinem Projekt äußern. Er ist Anfang 2008 verstorben.

Der BUND und dessen tschechische Partnerorganisation Arnika sind der hingegen Ansicht, dass der Schleusenbau nicht nur das ökologische Gleichgewicht der Elbe stört, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht unnötig ist. Die Binnenschifffahrt verliere immer mehr an Bedeutung, sagt der BUND-Vorsitzende Weiger. Seine Argumente untermauert eine vom BUND in Auftrag gegebene Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).

„Wir haben einen erheblichen Wandel der Güterstruktur in Deutschland. Immer weniger Massengüter wie Eisenerz oder Kohle werden transportiert. Und deshalb verliert die Schifffahrt in ganz Deutschland permanent an Bedeutung. Sie transportiert inzwischen weniger als acht Prozent der gesamten Gütermenge.“

Außerdem, so die Studie, sei das Binnenschiff zwar umweltfreundlicher als der Lkw, doch der Eisenbahn sei es bei den Schadstoffemissionen klar unterlegen. Eine Sichtweise, die der Leiter der Tschechischen Wasserstraßen-Direktion, Miroslav Šefara, nicht teilt:

Elbe unweit von Poděbrady
„Das ist doch Unsinn. Die Europäische Union berechnet in einem offiziellen Verfahren die so genannten externen Kosten der einzelnen Verkehrsträger, die alle schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt und die weiteren Kosten beziffern. Demnach ist der Straßentransport siebenmal schädlicher als die Güterbeförderung auf dem Wasser und die Eisenbahn viermal. Das sind die konkreten Zahlen, die man auf den Internetseiten der Europäischen Kommission nachlesen kann. Dass die Umweltschützer die Daten verbiegen, ist nichts Neues, das geschieht nicht zu ersten Mal.“

Der BUND-Vorsitzende Weiger betont hingegen, die von seiner Organisation in Auftrag gegebene Studie sei von unabhängigen Experten erstellt worden. Und die sehen die Eisenbahn auch auf dem Elbkorridor klar im Vorteil:

„Vor diesem Hintergrund fordert die Studie, dass Alternativen zur bisherigen Güterschifffahrt auf der Elbe zu entwickeln und zu fördern sind. Dazu zählt vor allem der Gütertransport auf der Bahn. Die Kapazität der jetzigen Bahnstrecke ohne zusätzliche Investitionen wird nur zu einem Drittel genutzt.“

Auch dieser Argumentation widerspricht der Leiter der Tschechischen Wasserstraßen-Direktion, Miroslav Šefara:

Grenzüberschreitende Fähre von Schöna nach Hřensko  (Foto: www.wikimedia.org)
„Der Eisenbahn-Korridor ist schon jetzt voll. Vor den Toren Hamburgs, im Bereich der ehemaligen DDR und im Elbtal zwischen Děčín und Pirna beträgt die Auslastung 100 Prozent. Das sind die Nadelöhre im Eisenbahnverkehr, die kein weiteres Wachstum erlauben. Das zusätzliche Warenaufkommen, das ständig weiter wächst, landet auf dem Lkw und wird auf der Straße transportiert. Auch dank der Ökologen.“

Mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Ausbau der Elbe würden die Umweltschützer nämlich verhindern, dass der Güterzuwachs auf dem ökologischeren Wasserweg transportiert wird. Außerdem sei für Tschechiens exportorientierte Wirtschaft der direkte Zugang zum Hamburger Hafen von enormer Bedeutung. Im Gegensatz zur Eisenbahn sei die Nutzung des Wasserweges aufgrund internationaler Abkommen so gut wie kostenlos, so Šefara.

Elbe in der Böhmischen Schweiz  (Foto: Petr Novák,  www.wikimedia.org)
„Dahinter steckt ganz eindeutig die Lobby der Eisenbahnunternehmen. Der BUND ist Mitglied in der Interessensvertretung ‚Allianz pro Schiene’, die die Eisenbahnunternehmen und die größten Umweltschutzorganisationen vereint. Und die kämpfen gemeinsam gegen die Konkurrenz auf der Straße und auf dem Wasser, das ist ganz einfach. Das Geld dafür kommt von den Eisenbahnen. Die Naturschützer behaupten, sie würden sich für die Natur einsetzen. Dabei wollen sie nur die Konkurrenz der Eisenbahnunternehmen ruinieren.“

Wie eine Sprecherin der Deutschen Bahn gegenüber Radio Prag bestätigte, ist die Bahnstrecke im sächsischen Elbtal zwischen Schöna an der tschechischen Grenze und Pirna tatsächlich zu 100 Prozent ausgelastet. Abhilfe schaffen könnte die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke Prag – Dresden – Berlin, der allerdings die deutsche Bundesregierung angesichts der enormen Kosten derzeit skeptisch gegenübersteht.