„Wunderbare Gastfreundschaft“ – Klavierduo „Be-Flügelt“ radelt von der Elbquelle bis zur Mündung

Julian Eilenberger und Andreas Güstel

Bei Regen unter einer Brücke bei Mělník – so hat das Klavierduo „Be-Flügelt“ am Samstag auf seiner neuesten Tour ein erstes Konzert gegeben. Julian Eilenberger und Andreas Güstel sind nämlich Extrempianisten, wie sie sich nennen. Beide haben Ende vergangener Woche in Tschechien den bisher längsten Klaviertransport per Fahrrad gestartet. Es geht von der Elbquelle fast 1300 Kilometer weit bis zur Mündung des Flusses hinter Hamburg. Alles klimaneutral, weil mit einem Tandem und einem speziell entworfenen Lastenanhänger. Gerade die ersten Etappen in Tschechien liefen aber anders, als erhofft und erwartet. Ein Telefongespräch mit beiden auf der Strecke.

Foto: Be-Flügelt

Herr Eilenberger, Herr Güstel, Sie sind mit einem Tandem unterwegs und haben in einem Spezialanhänger ein Klavier dabei. Das heißt, das Instrument transportieren Sie mit Ihrer eigenen Muskelkraft. Damit fahren Sie in drei Wochen über eintausend Kilometer die Elbe hinab. Warum haben Sie dieses Projekt in Angriff genommen?

Julian Eilenberger: „Wie auf der ganzen Welt ist auch bei uns Corona der Arbeit in die Quere gekommen. Wir hatten einfach eine ganze Zeitlang überhaupt keine Perspektive und haben gemerkt, dass uns das aufs Gemüt schlägt. Dann fanden wir eine Lösung, auf die wir hinarbeiten konnten – etwas, auf das wir uns freuen konnten. Und zu dem wir sagen können: Komme, was wolle, wir haben ein Projekt, und das führen wir einhundertprozentig durch.“

Foto:  Be-Flügelt

Andreas Güstel: „Wenn wir mit einem Tandem und einem Lastenrad mit Klavier fahren – also dem Tastdem –, dann bilden wir ja keine Menschenmengen. Wir können also selbst die härtesten Corona-Regeln irgendwie einhalten. Und indirekt lassen sich so Konzerte geben, indem man vielleicht einfach nur irgendwo vorbeifährt. Genau das war uns wichtig: dass wir einfach wieder spielen, selbst wenn es nicht der große Konzertsaal ist mit 400 Leuten, aber einfach eine Bühne.“

Julian Eilenberger: „Genau, dass wir unsere Musik einfach in die Welt tragen können.“

Elbquelle im Riesengebirge | Foto:  Be-Flügelt

Das Projekt hat auch einen tschechisch-deutschen Aspekt. Denn Sie sind an den Elbquellen im Riesengebirge gestartet. Dabei lief aber eine ganze Menge anders, als Sie es ursprünglich geplant hatten…

Julian Eilenberger: „Ja, definitiv. Wir hatten große Startschwierigkeiten, was mit der Konstruktion des Lastenanhängers zu tun hatte. Die Ingenieure waren leider mit einigen Sachen nicht rechtzeitig fertiggeworden. Deswegen mussten noch Reparaturen vorgenommen werden, sodass wir erst zwei Tage später als geplant starten konnten. Um aber trotzdem unser Versprechen einzulösen, dass wir bei der Quelle starten, haben wir nur das Tandem genommen und sind die acht Kilometer nach oben – naja weniger gefahren, als dass wir es geschoben haben. Denn es ist doch ganz schön steil. Bei der Quelle haben wir ein paar schöne Fotos und ein Video gemacht, das war bei wirklich schlechtem Wetter. Aber es war trotzdem wunderschön… Jetzt müssen wir hier gerade ganz schnell die Plane über das Klavier machen, weil es anfängt zu regnen...“

Julian Eilenberger und Andreas Güstel in Mělník | Foto:  Be-Flügelt

Sie haben auch Elbwasser mitgenommen von der Quelle, wie ich in Ihrem Online-Auftritt gesehen habe. Aber letztlich sind Sie von Mělník aus gestartet, also dort, wo die Moldau in die Elbe fließt. Wie lief denn Ihre erste Etappe?

Andreas Güstel: „Der Grund, warum wir in Mělník gestartet sind, war der abschüssige Weg von der Quelle hinunter. Denn wir haben an dem Tandem noch 250 bis 260 Kilogramm Gewicht drangehängt. Wenn die zu sehr ins Rollen gekommen wären, gerade bei den Kurven und den Straßenverhältnissen, wäre dies zu gefährlich geworden.“

Foto: Be-Flügelt

Julian Eilenberger: „Die erste Etappe von Mělník war dann wunderschön. Als wir gerade starten wollten, kam ein riesiger Wolkenbruch. Zum Glück konnten wir uns schnell unter eine Brücke in Sicherheit bringen und eine spontane Einlage geben. Wir können daher sagen, dass wir in Tschechien unter der Brücke gespielt haben. Außerdem haben wir einen weiteren Fahrradreisenden getroffen – den Nico, der uns spontan die ersten 50 Kilometer begleitet hat.“

Andreas Güstel: „Am allerschönsten waren in Tschechien die Fahrten durch die kleinen Dörfer. Man kommt dort immer an einer Kneipe oder einem Café vorbei. Und bei der ganzen Ästhetik unseres Gefährts wurden wir regelmäßig aufgefordert, anzuhalten und ein Ständchen zu spielen. Die Gastfreundschaft in Tschechien ist allerdings so sehr ausgeprägt, dass vor dem Ständchen erst einmal ein Tablett mit irgendeinem Schnaps gebracht wurde. Dann haben wir ein Stück gespielt, und schon kam die nächste Runde. Danach wurde auch noch Bier geliefert. Wenn wir das überall angenommen hätten, wären wir wahrscheinlich schon in der Hälfte des Tages Schlangenlinien gefahren.“

Foto:  Be-Flügelt

Julian Eilenberger: „Wir haben auch ein ganz spontanes Ereignis gehabt, als wir uns etwas verfahren hatten. Zum Glück trafen wir an einer Tankstelle jemanden, der ganz begeistert war, als er das Klavier sah. Er gab uns in gebrochenem Deutsch zu verstehen, dass seine Schwiegermutter an dem Tag Geburtstag feiert und sein Garten mit dem Fest nicht weit weg ist. Spontan sind wir dort dann vorbeigefahren, haben ein Ständchen gebracht, wurden gleich verköstigt – und natürlich auch mit einem Whisky empfangen.“

Andreas Güstel: „Dann wurde Gartengemüse gepflückt, was sie ganz stolz angebaut hatten. Die Gastfreundschaft war wundervoll.“

Foto:  Be-Flügelt

Wie organisieren Sie ihre Übernachtung?

Julian Eilenberger: Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben Zelte, Schlafsäcke und Isomatten dabei und können wild campen. Da sind wir gut ausgerüstet. Wir lassen aber auch den Zufall entscheiden. Manchmal werden wir angerufen von Leuten, die erfahren haben, dass wir die Elbe entlangkommen. Sie bieten uns dann einen Schlafplatz bei sich an und laden uns ein. Auf solche Begegnungen setzen wir.“

Wo sind sie gerade, und wie geht es in den nächsten Tagen weiter?

Andreas Güstel: Wir sind gerade in Dresden und stehen vorm Zwinger. Heute fahren dann noch weiter nach Meißen. Und dort am Hafen treffen wir einen Musiker, der sich ein Hausboot gebaut hat, und wollen gemeinsam ein Konzert geben. Wir haben drei Regeln. Die erste ist, dass wir jeden Tag irgendwo in der Natur Musik spielen. Dazu stellen wir das Klavier und einen Aufsteller mit der Aufschrift ‚Heute hier Konzert‘ auf. Und dann sammeln sich schon die Leute an. Die Zweite ist, dass wir kein Geld für Übernachtungen ausgeben. Und die dritte Sache, Julian?“

Foto:  Be-Flügelt

Julian Eilenberger: „Was war denn die dritte Sache? Wir wollen eigentlich 60 Kilometer am Tag schaffen. Aber das ist nicht leicht.“

Andreas Güstel: „Der Muskelkater ist schon ordentlich zu spüren…“

Ihr Ziel, in den drei Wochen bis an die Mündung der Elbe zu gelangen, bleibt aber?

Julian Eilenberger: „Ja, das schaffen wir. Davon sind wir auch überzeugt. Das Einzige, was uns passieren könnte, ist, dass das Material an dem Anhänger uns einen Strich durch die Rechnung macht. Aber selbst da haben uns die Leute, die den Anhänger gebaut haben, zugesichert, dass sie nachrüsten und jederzeit dort hinkommen, wo wir sind.“

Foto: Be-Flügelt

Andreas Güstel: „Wir haben auch noch einen kleinen Trick entdeckt. Manchmal schnappen wir uns ein Pärchen, das gemeinsam auf dem Mofa unterwegs ist. Dann fragen wir, ob sie nicht Lust haben, mit uns gemeinsam ein Stück zu fahren. Einer von uns setzt sich in der Folge ans Klavier, und jemand anderes fährt auf dem Tandem mit. Das ist total schön. So kommt man ins Gespräch, lernt die Leute und die Kultur kennen. Auch wenn die Verständigung manchmal nur mit Hand und Fuß funktioniert.“

Das klingt wunderbar. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei der Fahrt und weiterhin viele tolle Erlebnisse.

Andreas Güstel: „Danke! Wir können jetzt schon sagen, dass es eine richtige Abenteuerreise ist…“

Autor: Till Janzer
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