Zu 80 Prozent Handarbeit – der Klavierhersteller Petrof aus Hradec Králové

FLOW - ein neues Klavier der Firma Petrof

Der Instrumentenbau hat in Böhmen eine lange Tradition. Seit mehr als 150 Jahren sitzt in Hradec Králové / Königgrätz einer der anerkanntesten Produzenten von Konzertflügeln und Klavieren – die Rede ist von der Firma Petrof.

Antonín Petrof | Foto: PETROF

Klaviere und Konzertflügel von Petrof sind vielen ein Begriff. Beispielsweise spielt Paul McCartney auf einem Instrument der Firma genauso wie Richard Clayderman oder die Singer-Songwriterin Billie Eilish. Zudem sind die Flügel beliebt bei tschechischen Pianisten wie Ivo Kahánek oder früher auch Rudolf Firkušný.

Die Firma Petrof mit Sitz im ostböhmischen Hradec Králové ist ein Familienunternehmen. Bereits die fünfte Generation ist für den Betrieb verantwortlich, den 1864 Antonín Petrof ins Leben rief. Man gilt als größter Klavierhersteller Europas und spielt in der höchsten Liga mit. Zuzana Ceralová Petrofová ist offiziell die Präsidentin der Firma. In einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte sie Ende November, welches die größte Konkurrenz von Petrof ist:

„Bei unserem Flügel vom Typ Antonin Petrof ist das Steinway. Bei den Klavieren sind dies die teuersten Modelle von Yamaha, die in Japan hergestellt werden, sowie die Produkte einiger deutscher Hersteller.“

Foto: PETROF

Die Fertigung von Klavieren und Flügeln ist eine Wissenschaft für sich, bei der sich alles um den richtigen Klang dreht. 80 Prozent davon geschieht in Handarbeit. Petrof-Verkaufsmanager Jan Plocek erläutert:

„Das ist der Gussrahmen, er gehört – wie auch der Resonanzboden – zu den akustischen Elementen des Klaviers. Hier ist dieser Teil bereits mit Saiten bezogen. In der Werkstatt wird der gesamte akustische Bereich zusammengebaut, zugleich müssen die Klangstege noch angepasst werden. Sie helfen, die Saiten korrekt zu führen, schließlich sind es rund 220 Saiten. Wenn das akustische Element fertig ist, kommt es zu den Damen da drüben, die die Saiten einziehen…“

Die Damen mit den geschickten Händen montieren auch die Mechanik des Klaviers. Das ist das komplizierte Hebelsystem über den Tasten…

Foto: Barbora Navrátilová,  Radio Prague International

„Sie müssen sehr präzise arbeiten, damit sich nicht irgendwelche Teile überkreuzen oder Reibungen entstehen. Die Abstände sind genau vorgeschrieben. Das ist eine sehr besondere Arbeit, die man erst nach etwa zwei Jahren richtig erlernt hat. Die Frauen zaubern fast schon. Sie nutzen zum Bespiel Bunsenbrenner, um bestimmte Teile zu erhitzen und dann zu formen. Schraubenzieher und Pinzetten sind die weitere Ausrüstung. In einem anderen Bereich brauchen sie Gewichte, um die Klaviatur auszubalancieren und zu sehen, wie stark der Tastendruck ist – und so weiter. Es geht dabei also um sehr viel,“, so Plocek.

Foto: PETROF

Kaiserlicher Hoflieferant

Zuzana Ceralová Petrofová | Foto: Jana Přinosilová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks

Firmengründer Antonín Petrof wuchs in einer Tischlerfamilie in Hradec Králové auf. Mit 18 Jahren verließ er das elterliche Haus, um den Klavierbau zu lernen. Bei einem Kunden seines Vaters hatte er ein solches Instrument gesehen – und es hatte ihn wohl begeistert. Sein Onkel Jan Heitzmann war auch Klavierhersteller und betrieb zusammen mit seinem Kompagnon Hölzl eine Werkstatt in Wien. Ivana Petrofová ist die Schwester von Zuzana Ceralová Petrofová und leitet das Firmenmuseum:

„Antonín Petrof folgte seinem Onkel nach Wien, denn sie hatten einen Vertrag geschlossen. Bei ihm ging er also in die Lehre. Erst fünf Jahre später übergab der Onkel ihm seine Papiere als Klavierbauer. Antonín wollte aber seine Erfahrungen noch vertiefen. Deswegen arbeitete er in zwei Firmen: bei Schweighofer und bei Ehrbar, die jeweils anerkannte Klavierbauer waren. Dort eignete er sich zudem Fähigkeiten im Management und in der Buchführung an.“

Ivana Petrofová | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

1864 kehrte Petrof in seine Heimatstadt zurück. Dort bastelte er in monatelanger Kleinarbeit an seinem ersten Klavier. Das Jahr gilt daher als das der Firmengründung, obwohl das Unternehmen erst zwei Jahre später auch offiziell registriert wurde. 1874 wurde die Serien-Fertigung in der eigenen Werkstatt aufgenommen…

„Antonín begann mit sechs Angestellten und baute sein Unternehmen schrittweise aus. Er überholte die Konkurrenz aus Wien und führte hier die Repititionsmechanik ein, die gerade im Kommen war. 1874 fertigte er die ersten Harmonien und ab 1883 Klaviere“, weiß Ivana Petrofová.

Die Entwicklung war stürmisch. Denn 1899 wurde Petrof zum Hoflieferanten für den österreichischen Kaiser ernannt. Als im Ersten Weltkrieg der Firmengründer und seine Frau starben, übernahm mit Vladimír Petrof ihr jüngster Sohn die Leitung des Unternehmens. Ab 1924 lieferte man auch nach Amerika, Asien und Australien. 1928 eröffnete Petrof zusammen mit Steinway eine gemeinsame Niederlassung in London. Bei der Weltausstellung 1935 in Brüssel wurde die Firma dann mit dem Grand Prix ausgezeichnet.

Kaiserlicher Hoflieferant | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Bruch kam mit der Verstaatlichung nach der kommunistischen Machtübernahme 1948. In deren Folge gingen unter dem Namen Petrof Klaviere und Flügel minderer Qualität in die Welt. Die Reprivatisierung nach der Samtenen Revolution wurde ein langwieriges Unterfangen und war erst 1998 beendet. Die Familie Petrof musste einen Großteil ihres Unternehmens zurückkaufen.

Ukrainekrieg drückt den Umsatz

Seit 2004 führen die beiden Schwestern Zuzana Ceralová Petrofová und Ivana Petrofová das Familienunternehmen in fünfter Generation. Derzeit kämpft man allerdings mit den geopolitischen Entwicklungen. Deswegen schätzt Zuzana Ceralová Petrofová, dass in diesem Jahr der Umsatz um 20 Prozent sinken dürfte. Die Firmenpräsidentin erläutert:

„Dies ist ein schlechteres Jahr, weil für uns der Krieg in der Ukraine Folgen hat. Wir haben mit den Märkten in Russland und der Ukraine etwa 15 Prozent unserer Aufträge verloren. Und da China noch nicht die Corona-Pandemie überwunden hat, sind auch die Verkäufe in die Volksrepublik gesunken. Vor allem bei den Flügeln wird das Jahr schlechter sein.“

Piano P135 K1 | Foto: PETROF

2021 lag der Gesamtumsatz bei 318 Millionen Kronen (13 Millionen Euro). Dies war die höchste Summe seit 13 Jahren.

In Hradec Králové selbst wird übrigens nur ein kleiner Teil der Gesamtproduktion gefertigt. Dieses Jahr sollen es dort 1200 Klaviere und Flügel sein. Der größte Markt ist China mit 4000 Instrumenten, die aber in Lizenz hergestellt werden. Sie tragen daher andere Markennamen wie Rösler, Fibich oder Akord.

Den fehlenden Absatz in Russland und der Ukraine und den weiterhin schwächelnden chinesischen Markt zu ersetzen, ist laut Ceralová Petrofová nicht so ohne weiteres möglich:

„Das geht nicht sofort im Verlauf eines Jahrs. Denn die Produkte sind spezifisch, und nicht überall wollen die Kunden die gleichen Stücke. Wir haben aber angefangen, verstärkt Amerika zu attackieren. Denn wenn jemand von dem Krieg profitieren dürfte, dann gerade die USA. Und tatsächlich ist dort die Nachfrage größer. Ein weiterer aussichtsreicher Markt ist der Nahe Osten. Meine Tochter war jetzt gerade in Dubai und hat dort Aktivitäten abgesprochen.“

Konzertflügel ANT. PETROF 275 im Konzertsaal Rudolfinum | Foto: Petr Chodura,  PETROF

Mit den Problemen auf dem chinesischen Markt hat auch die Tatsache zu tun, dass ein Konzertflügel vom Typ „Antonín Petrof“ seit Neuestem im Konzertsaal Rudolfinum in Prag steht.

„Bei uns hat sich eine Menschenrechtsaktivistin aus Taiwan gemeldet. Sie sagte, sie wolle unser teuerstes Instrument kaufen und dem Rudolfinum zur Verfügung stellen – und zwar als Symbol für die Demokratie und als Erinnerung an Präsident Václav Havel, weil sie Tschechien gern habe. Auf dem Flügel dort wurde auch schon konzertiert, zum Beispiel beim Festival ‚Dvořáks Prag‘“, erläutert die Firmenpräsidentin.

Für einen solchen Konzertflügel legt man stolze 4,5 Millionen Kronen (185.000 Euro) auf den Tisch. Ansonsten beginnen die Preise für Petrof-Klaviere bei rund 250.000 Kronen (10.000 Euro).

Konzertflügel ANT. PETROF 275 im Konzertsaal Rudolfinum | Foto: Petr Chodura,  PETROF
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