Forschungsreisender Emil Holub: Von Holice aus bis nach Südafrika

In unserer Serie „Entdeckungsreise durch Tschechiens Kreise“ machen wir nun in der Region Pardubice / Pardubitz Halt. Eine historische Persönlichkeit des Kreises ist Emil Holub, der bedeutendste tschechische Afrikaforscher. Ganz in der Nähe der Stadt Pardubice steht sein Museum.

Emil Holub auf dem Sambesi-Fluss. Illustration aus der ersten Ausgabe von Emil Holubs Reisebericht Sieben Jahre im südlichen Afrika  (1880-81) | Foto: Tschechische Nationalbibliothek,  CC0 1.0 DEED

Emil Holub kann sich mit historischen Größen der Afrikaforschung messen wie etwa dem Briten David Livingston oder dem Deutschen Gerhard Rohlfs. Allen Drei ist gemeinsam, dass sie Medizin studierten – und dass ihr leidenschaftliches Interesse dazu beitrug, den damals für Europäer noch weitgehend unbekannten afrikanischen Kontinent zu erkundschaften.

Holub kam am 7. Oktober 1847 in Holice / Holitz zur Welt. Dort, 16 Kilometer östlich von Pardubice, wird seit 1966 an den berühmten Sohn der Stadt erinnert – mit einer Einrichtung, die seit 2012 den Namen „Afrikanisches Museum des Dr. Emil Holub“ trägt. Jitka Koudelková ist hier seit 25 Jahren tätig und kennt sich mit Holubs Familiengeschichte bestens aus:

„Der kleine Emil mussten jeden Tag drei Kilometer zu Fuß zur Schule nach Staré Holice gehen. Er war ein sehr freundlicher Junge und gut in der Schule. Darum hatte er früh eine große Anzahl an Freunden. Auch als die Familie Holub nach zehn Jahren nach Pátek bei Louny umzog, hatte Emil hier so tiefe Wurzeln gebildet, dass die Leute aus Holice ihn später bei seiner ersten Reise nach Afrika unterstützen. Dies passierte durch geringere Geldspenden, aber vor allem – weil wir ja eine Schusterstadt sind – durch gutes Schuhwerk. In späteren Jahren, als ganz andere Probleme anstanden, halfen die Menschen aus Holice ebenso seiner Witwe, Růžena Holubová. Die freundschaftlichen Bande waren so eng, dass Holice auch den letzten Wunsch Emil Holubs erfüllte und hier ein Museum einrichtete, das tatsächlich das einzige dieser Art ist.“

Emil-Holub-Museum in Holice | Foto: Lukáš Peška,  Tschechischer Rundfunk

Doch bevor es dazu kam, ist viel passiert im Leben des Emil Holub. Während seines Medizinstudiums in Prag traf der junge Mann mit den führenden Persönlichkeiten der tschechischen Nationalbewegung zusammen. Darunter war auch Vojtěch Náprstek. Der Patriot, Ethnograf und Mäzen half Holub dabei, Geld zur Verwirklichung seiner Reiseträume zu sammeln. Eines der Darlehen habe der Student für seine erste Afrika-Expedition zudem von der Bank im heimatlichen Holice bekommen und später auch zurückgezahlt, betont Koudelková:

„Dennoch hatte Emil Holub bis zum Ende seines Lebens mit den Finanzen zu kämpfen. Sein Vater, der ein großer Fan der Pläne seines Sohns war, organisierte verschiedene Sponsorengeschenke. Zudem hielt Emil Holub später Vorträge fast in ganz Europa. Dank dieser Vorlesungen, Artikeln in unterschiedlichen Wissenschaftszeitschriften und auch der Herausgabe von zwei Reiseberichten verdiente er Geld, um seine Ausgaben zu begleichen.“

Foto: Africké muzeum Dr. Emila Holuba

Ausgestattet mit einem Startkapital brach Holub am 18. Mai 1872 nach Afrika auf. Im südafrikanischen Kimberley ließ er sich vorübergehend als Arzt nieder und unternahm von hier aus drei Expeditionen. Weiter schildert Koudelková:

„Während dieser ersten sieben Jahre bereiste Holub nach und nach die Wüste Kalahari bis hin zum Fluss Sambesi. An Vojtěch Náprstek schickte er in dieser Zeit etwa 30.000 unterschiedliche Sammlungsstücke aus Fauna, Flora, Völkerkunde und Geologie. Das war ganz unglaublich.“

Erste detailliert Karte der Victoriafälle

Mit diesem Material stellte Vojtěch Náprstek in Prag die ersten Afrika-Ausstellungen zusammen, und die Menschen in Tschechien stießen somit auf den Namen des Forschungsreisenden Emil Holub. Dieser war im südafrikanischen Inland unterwegs, wann immer er gerade nicht als Arzt arbeitete. Ein weiterer seiner Verdienste war die Ausarbeitung der ersten detaillierten Karte der Victoriafälle. Als er dann in die Heimat zurückkam, galt Holub bereits als Afrikakenner. Das machte es für ihn einfacher, Sponsoren für eine weitere Reise zu finden. Er habe sich allerdings nicht kaufen lassen, unterstreicht Museumsführerin Koudelková:

Victoriafälle am Sambesi-Fluss. Illustration aus der ersten Ausgabe des Reiseberichts Sieben Jahre im südlichen Afrika von Emil Holub  (1880-81) | Foto: Tschechische Nationalbibliothek,  CC0 1.0 DEED

„In den 80er Jahren des vorletzten Jahrhunderts blühte der Kolonialismus. Viele europäische Herrscher nutzten die Erfahrungen von Forschungsreisenden, um in verschiedene Regionen Afrikas oder auch Südamerikas zu expandieren. Der belgische König Leopold bot Holub dann auch eine große Geldsumme an, damit er für ihn arbeite. Emil Holubs Lebensmotto lautete aber, allein der Wissenschaft und der Heimat zu dienen. Also lehnte er dieses Angebot ab.“

Die finanzielle Unterstützung eines anderen Herrscherhauses wiederum stellte für Holub kein moralisches Dilemma dar…

„Zu dieser Zeit lernte er Prinz Rudolf, den Sohn des österreichischen Kaisers Franz Joseph, kennen. Dieser war begeisterter Zuhörer der Berichte, reiste selbst auch gern und baute zu Holub eine gewisse Freundschaft auf. Darum bekam Emil Holub vom Kaiser eine nicht unbedeutende Summe aus dessen Privatvermögen und stellte seine zweite Afrika-Reise unter das Siegel der österreich-ungarischen Monarchie. Kaiser Franz Josef hatte kein Interesse an neuen Kolonien, er hatte genügend Sorgen mit seinem riesigen Vielvölkerreich. Aber angesichts der Gunst seines Sohnes ließ er Holub dieses Geld zukommen.“

Im November 1883 brach Emil Holub also wieder auf, diesmal in Begleitung seiner damals 18-jährigen Frau sowie von sechs Begleitern. Dreieinhalb Jahre dauerte diese Reise, die für drei Gruppenmitglieder tödlich enden sollte. Zunächst aber habe es Holub als erster Europäer geschafft, über den Fluss Sambesi in das Gebiet des Stammes Maschukulumbe zu gelangen, berichtet Koudelková:

Emil Holub bei der Antilopenjagd. Illustration aus der ersten Ausgabe des Reiseberichts Sieben Jahre in Südafrika  (1880-81) | Foto: Tschechische Nationalbibliothek,  CC0 1.0 DEED

„Das war sein Verderben, denn dieser Stamm war sehr aggressiv und abweisend. Holub war darauf hingewiesen worden, dieses Gebiet zu meiden. Vielleicht war es jugendliche Unbesonnenheit oder auch Wagemut – jedenfalls wollte er einfach der Erste sein. Somit kam er an diesen Ort und beschrieb im Rahmen der Möglichkeiten die einheimischen Sitten. Dort wurde aber ein Expeditionsmitglied getötet, und Holub verlor all seinen Besitz. Er musste die Reise abbrechen und rettete sich, seiner Frau und den übrigen Begleitern buchstäblich das nackte Leben.“

Holubs Ehefrau Rosa – oder in der tschechischen Variante Růžena – stammte aus Wien und war 16 Jahre jünger als ihr Mann. Hinsichtlich der Abenteuerlust hat sie ihm offenbar in nichts nachgestanden und sich bei der zweiten Afrika-Expedition aktiv eingebracht…

„In kurzer Zeit hat Rosa mehrere afrikanische Sprachen erlernt. Weil sie jung und sehr attraktiv war, kam sie schnell mit den örtlichen Amtsträgern ins Gespräch. Sie konnte gut verhandeln, nicht nur mit Zoll- und anderen Beamten, sondern auch mit den Stammeshäuptlingen. Dies rächte sich womöglich ein wenig bei den Maschukulumbe, dessen König die ganze Expedition vernichten und Rosa zu einer seiner Ehefrauen machen wollte.“

Dies habe zum Glück verhindert werden können, fügt die Museumsführerin hinzu. Rosa jedenfalls habe eine wichtige Rolle für den inneren Zusammenhalt der Gruppe gespielt, so Koudelková.

Emil-Holub-Museum in Holice | Foto: Tereza Brázdová,  Tschechischer Rundfunk

Exponate füllten 72 Eisenbahnwagons

Emil Holub treibt Handel mit den Ureinwohnern. Illustration aus der ersten Ausgabe des Reiseberichts Sieben Jahre in Südafrika  (1880-81) | Foto: Tschechische Nationalbibliothek,  CC0 1.0 DEED

Auch mit seiner zweiten Afrika-Expedition war es Emil Holub nicht gelungen, seinen eigentlichen Lebenstraum zu erfüllen: nämlich den Kontinenten komplett von Süd nach Nord, also bis nach Kairo, zu durchreisen. Zurück zu Hause konzentrierte sich der Abenteurer auf die Aufarbeitung seiner umfangreichen Sammlung. Holub stellte eine Ausstellung zusammen, die etwa 13.000 Exponate umfasste. Darunter waren ausgestopfte Tiere, Versteinerungen, Dokumente der Völkerkunde sowie 34 Skulpturen unterschiedlicher Stammesmitglieder, die ein junger Künstler in Tschechien auf Grundlage von Holubs Zeichnungen anfertigte. 1891 wurde die Exposition in der Rotunde in Wien gezeigt. Und weiter berichtet Jitka Koudelková:

„Ein Jahr später wurde die Ausstellung nach Prag gebracht. Dafür waren 72 Wagons, also insgesamt vier Züge nötig. Die Exponate wurden im Messepalast in Holešovice installiert. Holub wollte, dass so viele Menschen wie möglich diese Ausstellung sehen. Also setzte er einen sehr niedrigen Eintrittspreis fest. Tatsächlich kamen an die 700.000 Besucher. Trotzdem war die Exposition für Holub ein Verlustgeschäft, denn er finanzierte sie ganz allein. Das war ein echtes Malheur, und diese Schulden zahlte er bis an sein Lebensende.“

1891 eröffnete Emil Holub die größte ethnographische Ausstellung in Wien | Foto: Africké muzeum Dr. Emila Holuba

Eine Enttäuschung war für Emil Holub zudem, dass die Prager Wissenschaftsgemeinde und das intellektuelle Establishment seines Heimatlandes über seine Sammlungen nur die Nase rümpften. Das tschechische Nationalmuseum unter der Leitung von Antonín Frič lehnte es ab, die Kollektion als Ganzes zu übernehmen. Ein Kaufangebot aus den USA wiederum habe Holub ausgeschlagen, so Koudelková, weil ihm die Überfahrt zu aufwendig erschien. Letztlich habe er die Sammlung in Teilen an verschiedene Museen in ganz Europa verkauft:

„Heute befinden sich große Teile der Ausstellung in München, Wien oder London. Es gab auch eine Sammlung in Dresden, die aber im Zweiten Weltkrieg verlorengegangen ist. Des Weiteren sind Stücke in Budapest oder Sankt Petersburg untergebracht. In Prag hingegen blieb nur ein kleiner Teil. Dass es aber in Holice das kleine Holub-Museum gibt, ist also eine Art Danksagung.“

Als das Expeditionslager vom Stamm der Mashukulumbu angegriffen wurde,  zeigte Růžena Holubová Mut und stellte sich den Angreifern | Foto: Africké muzeum Dr. Emila Holuba

Holub hielt auch viele Vorträge, nicht zuletzt in den USA. Seine Gesundheit war aber angeschlagen. Schon in Afrika hatte er sich mit Malaria und anderen tropischen Krankheiten angesteckt. In Wien niedergelassen, wurde der immer schwächer werdende Holub von seiner Frau Rosa gepflegt, bis er 1902 mit 54 Jahren an Krebs verstarb…

„Die Zeit der beiden Weltkriege war für Rosa dann sehr hart, denn sie hatte kaum finanzielle Mittel. Da zeigten sich die Menschen in Holice wieder als gute Freunde und halfen ihr. Sie schickten Rosa Lebensmittel sowie andere Güter und verhalfen ihr zur tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft. Damit bekam sie die Witwenrente. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschied Rosa dann, Holice als der Geburtsstadt ihres Mannes einen Teil ihrer persönlichen Sammlung zu vermachen. Die Stadt versprach wiederum, Emil Holub ein Museum einzurichten.“

Jitka Koudelková | Foto: Post Bellum

Holub sei einer der letzten universalen Forschungsreisenden gewesen, meint Jitka Koudelková. Sein Buch „Sieben Jahre im südlichen Afrika“ lasse sich mit der „Reise eines Naturforschers um die Welt“ von Charles Darwin vergleichen…

„Darwin schickte Holub auch einen sehr schönen Dankesbrief. Und genau wie Albert Schweitzer hat sich Holub auf eine schwere Reise begeben. Beide hatten sich zum Ziel gesetzt, der einheimischen Bevölkerung beim Kampf gegen Krankheiten und auch gegen Vorurteile zu helfen.“

Emil-Holub-Gedenkstätte in Holice | Foto: Radio Prague International

Mehr zur Arbeit und Bedeutung Emil Holubs kann man im Afrikanischen Museum in Holice erfahren. Es hat von April bis Oktober die ganze Woche über geöffnet, und der Eintritt kostet 60 Kronen (2,40 Euro).

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