Die eckige Welt. Zum 160. Geburtstag des Afrikaforschers Emil Holub
Für den nicht eingeweihten Betrachter wirkt er recht befremdlich, der Herr mit dem Tropenhelm, der lebensgroß in Sandstein gehauen über das ostböhmische Holice wacht. Es ist Emil Holub, der hier 1847 geboren wurde. Holub gilt als der letzte universal gebildete Afrika-Reisende, Forscher und Entdecker. Sein Leben ist gekennzeichnet durch den Zwiespalt aus Erfolg und Scheitern, die Erfüllung kühner Träume und das Nichterreichen lang gehegter Ziele. In der vergangenen Woche wäre Emil Holub 160 Jahre alt geworden. Wir erinnern an einen unermüdlichen Idealisten.
erzählt Jitka Koudelkova, Leiterin der Emil-Holub-Gedenkstätte in Holice. Ein Pavillon neben dem örtlichen Kulturhaus beherbergt seit den 1960er Jahren ein Afrika-Museum. Hier gibt es das Studierzimmer des Gelehrten zu sehen, aber auch zahlreiche Exponate, die Holub von seinen Reisen auf den schwarzen Kontinent mitgebracht hat. Die Holicer halten dem größten Sohn der Stadt die Treue, auch wenn Holub hier nur die ersten zehn Jahre seines Lebens verbracht hat. Aber den ersten Anstoß für seinen Forscherdrang, den hat der junge Emil noch hier bekommen - da ist sich Jitka Koudelkova sicher.
"In einem alten Buch hat er hier ein Bild von den schwarzen afrikanischen Ureinwohnern gesehen. Das war der erste Impuls: Anderswo wohnen andere Leute, und die wollte er kennen lernen."
Der Vater fordert ein Studium der Medizin. Aber bereits drei Monate nach dem Examen, im Mai 1872, rüstet der erst 25-Jährige zum Aufbruch nach Südafrika:"Die erste kleine Summe haben gerade hier die Bürger seiner Heimatstadt zusammengebracht. Sie haben ihn mit 500 Kronen unterstützt, das war damals viel Geld. Und die Holicer Schuster haben ihm ein paar stabile Schuhe mit auf den Weg gegeben. Das waren die ersten Unterstützungen auf dem Weg zur Verwirklichung seines Traumes von einer Afrikaexpedition."
Sieben Jahre bleibt Emil Holub in Südafrika. Als Arzt auf den Diamantenfeldern von Kimberley verdient er das Geld für Expeditionen in das Landesinnere. Der Autodidakt interessiert sich für alle Fachgebiete und sammelt wie besessen, weiß Jitka Koudelkova:
"Er hat nach Europa 30.000 Gegenstände mit zurück gebracht - angefangen von Tierfellen, Hörnern, Schädeln, über Käfer, Schmetterlinge, Vögel mit Eiern und Nestern, bis hin zu Kulturgegenständen der Eingeborenen: Waffen, Geschirr, Pfeifen, Schmuck und vieles, vieles mehr. 30.000 Gegenstände, das ist eine enorme Menge!"Als Emil Holub 1879 nach Böhmen zurückkehrt, ist er bereits ein bekannter Mann. Seine Reiseschilderung "Sieben Jahre im südlichen Afrika" wird den Werken Charles Darwins gleichgestellt. Eine Ausstellung in der Wiener Prater-Rotunde bringt nicht nur das Geld für die zweite Expedition. Hier lernt Holub auch die 18-Jährige Tochter des Rotunden-Verwalters kennen: Rosa Hoff, seine Ruzena, eine ungewöhnliche Frau, nicht nur für ihre Zeit:
"Sie wollte nicht daheim sitzen und ihr Leben mit Handarbeiten, Musik und Konversation verbringen. Die Ausstellung hat sie fasziniert - sie wollte Emil Holub nach Afrika begleiten und ist dann als seine Frau tatsächlich mit ihm gereist. Sie konnte schießen und reiten, war sehr geschickt und hat durch ihr Sprachgefühl auch schnell etwas von den Eingeborenensprachen gelernt, so dass sie zwischen der Expedition und den Häuptlingen vermitteln konnte."Zwanzig Tage nach der Hochzeit brechen die Holubs auf, zusammen mit sechs Begleitern. Das ehrgeizige Ziel: Afrika erstmals der Länge nach zu durchqueren, von Kapstadt bis nach Ägypten. Doch der Himmel verfinstert sich über der Expedition: ein Aufstand im Sudan, zwei Begleiter finden den Tod durch Malaria und Tropenkrankheiten, die Lasttiere verenden plötzlich. Die Katastrophe kommt am 2. August 1886 im Land der Maschukulumbe:
Die Maschukulumbe waren ein Stamm, der seinerzeit sein Territorium sehr unnachgiebig verteidigt hat. Die Expedition wurde überfallen, Holub ist fast um seinen ganzen Besitz gekommen, das ihm die Eingeborenen gestohlen oder zerstört haben. Ein der Expeditionsteilnehmer wurde getötet, und Holub musste ohne seine Vorräte umkehren und in Freundesgebiet zurückziehen."Auch wenn viele wertvolle Aufzeichnungen und Gegenstände bei den Maschukulumbe blieben, bringen die Holubs dennoch mehr als 14.000 Exponate zurück in die Heimat. 1891 werden sie in einer sensationellen Ausstellung in Wien dem staunenden Publikum präsentiert.
"Ein Jahr später wurde die Ausstellung nach Prag überführt, und das in vier Zügen mit insgesamt 72 Waggons! Das ist auch heute noch ein unvorstellbarer Reichtum an Exponaten. Heute haben sich davon leider nur noch Fotografien erhalten, die zeigen, was für ein begabter Ausstellungsmacher Holub für seine Zeit gewesen ist - er hat es geschafft, der damaligen Welt das Leben der Eingeborenen und der Tiere in Afrika in ihrer ganzen Natürlichkeit zu zeigen."190.000 Menschen sehen die Afrika-Schau in Wien und Prag. Für Emil Holub bleibt sie dennoch ein Verlustgeschäft. Er hatte die Karten zu billig angeboten, um auch den ärmeren Schichten den Eintritt zu ermöglichen. Es beginnt die Zeit der Enttäuschungen. Die Popularität des Weltreisenden ist einigen seiner heimischen Wissenschaftskollegen ein Dorn im Auge. Hässliche Gerüchte werden verbreitet, Holubs Universalismus als Scharlatanerie verleumdet. Emil Holub gibt auf - aus Prag zieht er nach Wien. Damit stirbt auch sein Traum, ein Afrikanisches Museum aus seinen Sammlungen zu errichten. Das Prager Nationalmuseum hatte eine Schenkung zuvor abgelehnt.
"Also hat er seine Sammlungen weggeben - und das an mehr als 580 Institutionen in ganz Europa. Große Teile der Sammlung liegen in verschiedenen Museen in London, München, Wien, Paris und sogar in St. Petersburg und in den Vereinigten Staaten. Kleine Gegenstände hat er an böhmische Schulen verschenkt, deren Lehrmittelkabinette er damit bereichert hat."1902, mit nicht einmal 55 Jahren, erliegt Emil Holub in Wien den Spätfolgen einer Malaria-Infektion. Seine Frau Ruzena überlebt ihn um 56 Jahre; sie stirbt 93-jährig 1958 ebenfalls in Wien.
"Emil Holub ist arm und vergessen gestorben. In einem seiner letzten Briefe hat er geschrieben: ´Ich habe gewollt, dass die Welt rund ist und die Menschen in Eintracht miteinander leben. Aber leider ist die Welt hart und voller scharfer Kanten.´"Emil Holub wollte als Erster den Schwarzen Kontinent von Süd nach Nord durchqueren, er wollte ein Afrika-Museum in Böhmen gründen und Anerkennung in seiner Heimat finden. Nichts davon ist letztlich für ihn in Erfüllung gegangen. Seine Sammlungen sind verstreut, der ehemals leuchtende Name ist verblasst. Holubs Leistungen aber, die haben Gewicht genug, um allein für sich zu bestehen, meint Jitka Koudelkova von der Holub-Gedenkstätte in Holice:
"Sein unschätzbarer Verdienst liegt vor allem darin, dass er das Leben und die Kultur der Stämme beschrieben hat, auf die er getroffen ist. Das hat vorher niemand gemacht - und nachher auch nicht, denn das Leben in Südafrika hat sich damals in kurzer Zeit radikal geändert. Und das dank der meist militärischen Kolonialisierung der Gebiete, bei der viele Stämme ausgelöscht wurden. Emil Holub hat diese Welt noch vor ihrer Vernichtung gesehen und beschrieben. Und damit hat er sich in die Geschichte Südafrikas eingeschrieben."
In die Geschichte seines Heimatortes Holice, wo Emil Holub vor 160 Jahren, am 7. Oktober 1847, geboren wurde, sowieso. Hier ist er bis heute "nas Emilek" - unser Emil.
Fotos: Autor