Funkamateure in Tschechien - im Kommunismus gegängelt, heute frei

holice09_radiostanice.jpg

Jedes Jahr treffen sich in Ostböhmen einige hundert Funkamateure aus Tschechien mit ihren Kollegen aus dem Ausland. Meist kennen sie sich nur nach ihren Rufzeichen und den Stimmen, die manchmal auch im Rauschen der Funkgeräte untergehen. Doch beim 20. internationalen Treffen der Funker aus der ganzen Welt, das Ende August in Holice stattfand, können sie sich auch mal persönlich begegnen. Dabei kommen auch interessante Geschichten aus der Zeit des Kommunismus zu Tage.

Funken ist ein technisches Hobby: viele Hebel, Regler, Zeiger, Displays und das leise Summen in Kopfhörern oder in den Lautsprechern. Dazu kommen für einen Laien fast magische Formeln, die der Funkamateuer dem Mikrophon anvertraut, wie zum Beispiel:

„Hello, C Q, C Q, C Q twenty, C Q...

Funker Martin wiederholt diese Sätze und alle paar Sekunden dreht er an einem Regler. Nach etwa fünf Minuten meldet sich endlich jemand. Funker Martin hat mit einem Russen Kontakt aufgenommen. Sie sprechen über Themen wie das Wetter, die Sendeleistung, die Größe der Antenne, Sendefrequenz und die Qualität des Empfangs. Danach geht ihr Gespräch zu Ende und beide suchen nach weiteren Verbindungen.

Martin sitzt an einem Funkgerät im ostböhmischen Holice, wo seit der Wende jedes Jahr internationale Treffen von seinesgleichen aus der ganzen Welt stattfinden. Als Funker heißt Martin etwas komplizierter:

„Ich heiße dann Martin Otto Karel Fünf Marie Karel“, sagt er.

Was es mit den Namen der Funker auf sich hat, das erklärt der Hauptorganisator des Treffens in Holice, David Šmejdíř:

„Jeder Funker, der die Radioamateurprüfung bestanden hat, bekommt ein Rufzeichen, mit dem er sich bei den Anderen meldet. Ich bin David OK 1 David Otto Gustav und unter diesem Zeichen sende ich.“

Diese Namen benutzen die Funkamateuere nicht nur auf den Wellen, sondern auch wenn sie sich persönlich treffen. Per Funkgerät geht es jedoch vornehmlich in die weite Welt hinaus, sagt Martin Otto Fünf Marie Karel.

„In Holice können wir Leute aus verschiedenen Ecken der Welt hören. Man kann sagen vom Nordpol bis zum Südpol, von Westen bis Osten, alles was uns einfällt.“

Das Funken ist meist ein lebenlanges Hobby. In der kommunistischen Zeit konnten sich viele Funkamateure aus der Tschechoslowakei diesem Hobby jedoch nicht widmen. Denn um funken zu können, braucht man eine Lizenz. Heute reicht es, die Prüfungen zu bestehen, vor der Wende musste man aber auch noch als politisch zuverlässig gelten. Und das war für viele ein Problem. Zum Beispiel auch für Josef Plzák. Er hatte eine Lizenz und gewann Pokale bei den Weltmeisterschaften der Funkamateure. Plzák stieg auf bis zum Vorsitzenden des tschechoslowakischen Funkklubs. Im Jahr 1968 wurde ihm aber die Lizenz entzogen. Erst nach der politischen Wende mehr als zwanzig Jahre später durfte er wieder funken.

Zum Verhängnis wurde für Josef Plzák der 21. August 1968, als die Armeen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschierten. Er machte sich wie andere Funker ans Werk:

„Gleich an dem ersten Tag sind spontan mehrere Notsendenetze enstanden. Die Funkamateure sendeten taktische Informationen. Das bedeutet, was vor Ort vor sich geht, wie sich die Invasions-Armeen verhalten und wie die Leute alles ertragen. Zudem sendeten wir Suchmeldungen. Familien waren getrennt, Kinder waren auf Ferienlagern und man wusste nicht, wo wer war. Und weil in Prag eine Empfangsstation fehlte, machte ich mich ans Werk. Dreieinhalb Tage lang spielte ich die Verbindung zwischen dem Amateurnetz im 80-Meter-Bereich auf der einen Seite sowie dem Rundfunk und den Behörden auf der anderen Seite. Dann flog ein russischer Hubschrauber über unser Haus, die Nachbarn rissen im vorauseilenden Gehorsam meine Antenne nieder und für mich war Schluss.“

Die Russen hatten beim Hubschrauberflug Plzáks Sender geortet. Kurz darauf nimmt die Polizei ihm die Lizenz ab - und das für mehr als zwanzig Jahre. Eine ofizielle Statistik, wie viele Funker in der Tschechoslowakei nach dem August 68 ihre Lizenz verloren haben, gibt es nicht. Es sollen aber mehrere Hundert gewesen sein. Wer danach ohne Lizenz auf Sendung ging, riskierte den Gang ins Gefängnis. Diejenigen, denen die Lizenz nicht entzogen wurde, wurden nun streng überwacht. In der Jugoslávská-Straße im Prager Stadtteil Vinohrady saßen Agenten der Geheimpolizei, die den Äther durchsuchten und die Funker abhörten. Erlaubt waren nur Gespräche über das Wetter, die Qualität des Signals, die Sendeleistung und andere technische Meldungen. Wer etwas mehr sagen wollte, musste mit Konsequenzen rechnen.

Mit Konsequenzen mussten also auch diejenigen rechnen, die im August 1968 per Funkgeräte Nachrichten ins Ausland lieferten, erinnert sich Josef Plzák.

„Ein paar probierten es über die DDR. Dort herrschte aber damals Sendeverbot, die Funker von dort meldeten sich nicht einmal. Über Westdeutschland gelang es uns aber, Informationen zu senden, diese wurden dann telefonisch weitergereicht.“

Obwohl alles streng kontrolliert und geregelt wurde, gelang es ab und zu tschechoslowakischen Funkern und in ihren Kollegen im Ausland miteinander Kontakt aufzunehmen und sich sogar anzufreunden. Franz Sobotka aus Wien zum Beispiel knüpfte noch in der kommunistischen Ära Kontakte zu Tschechen. Wie sein Name verrät, kommen Sobotkas Vorfahren aus Tschechien. Er ist aber ein waschechter Wiener. An seine ersten Kontakte in die Tschechoslowakei erinnert er sich gerne.

„Im Kommunismus war es so, dass ich nur als Radioamateuer angefangen habe Kontakte aufzubauen. Es war noch nicht kommerziell. Es war ganz lustig. Am Funk hat damals ein tschechoslowakischer Funkamateur gemeint, wir sollten ihn besuchen. Meine Antwort war: ´Ja, gerne, aber ich hätte gerne eine Gastlizenz in der damaligen Tschechoslowakei.´ Ich habe nach einigen Monaten diese Lizenz bekommen. Es ist der OK8 Adam David Emil also OK8ADE und diese Lizenz habe ich bis heute. Ich lasse nichts verfallen. Die Gebühr ist nicht so hoch. Ich habe im Kommunismus damit begonnen und diese Kontakte bestehen, Gott sei dank, bis heute“, so Sobotka.

Heute benutzt Franz Sobotka seine Kontakte in Tschechien und in der Slowakei auch zu geschäftlichen Zwecken, denn er hat sein Hobby mittlerweile zur Arbeit gemacht. Er betreibt eine Firma, die Funkgeräte und Funkanlagen verkauft. Im Holice jedoch pflegt Sobotka auch seine privaten Funker-Freundschaften. Und dies wird er im kommenden Jahr erneut können. Am vorletzten August-Wochenende 2010 treffen sich erneut Funk-Amateure aus der ganzen Welt in der ostböhmischen Stadt.