Es hat sich ausgemorst
Bei der tschechischen Armee wird ab dem Jahreswechsel nicht mehr das Morsen unterrichtet. Und selbst bei den Hobbyfunkern hierzulande fristet die Datenübertragung mit langen und kurzen Codes mittlerweile ein Nischendasein. Über das Verschwinden der klassischen Telegraphie in Tschechien.
Seit über 180 Jahren wird in der Welt gemorst. Libor Holub leistete in den 1980er Jahren seinen Grundwehrdienst in der tschechoslowakischen Armee, später wurde er dort Funker. An das Erlenen der zunächst kompliziert wirkenden Kodierung erinnerte er sich in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wenn man diesen Klang von morgens bis abends um sich herum hat, bleibt einem nichts anderes übrig, als das Morse-Alphabet zu lernen. Lust hatte ich dazu zunächst nicht, aber es ging nicht anders. Als ich dann aus der Armee ausgeschieden bin, habe ich alle Aufschriften überall nur im Morse-ABC gelesen. Wenn ich irgendwo ein Schild mit der Aufschrift ‚Post‘ sah, las ich nur ‚Didahdahdit dahdahdah dididit dah‘. So war das mit allem. Mich störte das ganz schön, aber ich konnte es einfach nicht abstellen.“
Jiří Šanda ist der Vorsitzende des Tschechischen Funkerklubs (Český radioklub). Seinen Worten zufolge kann jeder problemlos das Morsen erlernen:
„Hochbegabte, etwa talentierte Musiker, lernen den Code in drei Monaten, wenn sie täglich zwei Stunden investieren. Alle anderen brauchen anderthalb Jahre, aber irgendwann lernt es jeder – das hat sich in der kommunistischen Tschechoslowakei und auch überall anders auf der Welt gezeigt.“
Doch in den Zeiten digitaler Datenübermittlung fristet das Morsen auch in Tschechien mittlerweile ein Nischendasein. Zwar wird der Code für die Übermittlung von Buchstaben, Ziffern und Zeichen weiterhin von Funkern verwendet, um etwa mit Gleichgesinnten anderswo in der Welt in Verbindung zu treten. Aufnahmevoraussetzung für den Funkerklub seien Morsekenntnisse aber schon lange nicht mehr, so Šanda:
„In Tschechien werden diese Fähigkeiten seit 2004 nicht mehr verlangt. Es gibt nun digitale Möglichkeiten, die dem Morsen sozusagen den letzten Schlag versetzt haben.“
So hat das Morsen auch bei der tschechischen Armee demnächst ausgedient. Angehende Soldaten der Landstreitkräfte werden ab dem kommenden Jahr nämlich nicht mehr im Telegraphieren ausgebildet.
„Der Telegraphenbetrieb wird bei der tschechischen Armee derzeit nach und nach durch effektivere und zudem chiffrierte digitale Datenübermittlungsmodi ersetzt“, sagt Anežka Vrbicová, die Pressesprecherin der Armee.
Hobbyfunker Jiří Šanda ist dann auch skeptisch, was allgemein die Zukunft des Morsens angeht. Den 200. Geburtstag könnte die Codierungstechnik noch erleben, den 250. wohl aber nicht mehr, meint der Klubchef.
In einem Bereich wird das Morsen aber zumindest derzeit noch in Tschechien genutzt: bei den Pfadfindern. Mit dem Morsezeichen für den Buchstaben „N“ wird dort zum Antreten, dem „nástup“, gepfiffen. Und mit dem Code für das „S“ wird zur „svačina“, also zum Vesper, gerufen.