Der Afrikaforscher Emil Holub (1847-1902)
Reisen nach Afrika sind noch heute etwas Exotisches, vor 130 Jahren war Afrika für die meisten Bewohner Europas unerreichbar. Ein Tscheche machte sich 1872 trotzdem alleine auf den Weg nach Südafrika: Emil Holub, der bedeutenste tscheschische Afrikaforscher. Mehr über ihn erfahren Sie im heutigen Kapitel aus der tschechischen geschichte von Katrin Bock.
Der Afrikaforscher David Livingstone ist wohl den meisten von Ihnen ein Begriff, aber haben Sie auch schon mal etwas von Emil Holub, dem bekanntesten böhmischen Afrikaforscher gehört? Wenn Sie schon einmal in entsprechenden Museen in Wien, München, Dresden, Jena oder Berlin waren, dann haben Sie bestimmt einige Gegenstände gesehen, die gerade Emil Holub von seinen Reisen aus Afrika nach Europa mitgebracht hat. In diesem Jahr erinnern zwei Ausstellungen im Naprstek-Museum für asiatische, afrikanische und amerikanische Kulturen in Prag an den 155. Geburtstag und 100. Todestag des böhmischen Forschungsreisenden. Dr. Milena Secka, verantwortlich für eine dieser Ausstellungen, beschreibt Emil Holub wie folgt:
"Er entspricht dem Prototyp des klassischen Forschungsreisenden, mit seinem Tropenhelm schreitet er unerschrocken durch die Wildnis, stellt sich Gefahren, bietet wilden Tieren ebenso die Stirn wie den Eingeborenen. Im Bewusstsein der Tschechen ist er der grösste und bekannteste Forschungsreisende. Seine Reisebeschreibungen werden noch heute gelesen, ausserdem sind einige Bücher und Filme über ihn erschienen."
Zur Welt gekommen ist Emil Holub am 7. Oktober 1847 in dem ostböhmischen Städtchen Holice. Bereits während seiner Kindheit soll er sich für den schwarzen Kontinent und Forschungsreisen interessiert haben. Nach Beendigung seines Medizinstudiums in Prag konnte Dr. Emil Holub seinen Traum erfüllen: allein und auf eigene Kosten brach er am 1. Juli 1872 zu seiner ersten Afrika- Reise auf. Diese sollte sieben Jahre dauern. Südafrika war die Ausgangsbasis seiner drei grossen Expeditionen, die Holub entlang der Flüsse Limpopo und Zambezi unternahm. Während dieser Jahre verfasste Holub regelmässig Artikel für tschechische Zeitungen. Für seine tschechische Leserschaft stellten sie die ersten Beschreibungen afrikanischen Lebens dar. Als Emil Holub im Sommer 1879 zurückkehrte, wurde er in seiner Heimat als Nationalheld empfangen.
"Als er aus Afrika zurückkam, war sein Empfang grösser als für viele Herrscher. Die Prager trugen ihn auf den Schultern und empfingen ihn mit Ovationen. Auf jedem Bahnhof, durch den sein Zug fuhr, wartete eine Delegation mit Blumen und Reden auf ihn. Zeitzeugen beteuerten, dass sie niemals grössere Empfangsfeierlichkeiten erlebten als gerade die für Emil Holub. Holub wurde als Nationalheld gefeiert, weil er es als Tscheche, als Angehöriger eines kleinen Volkes geschafft hatte, sich in Afrika durchzusetzen, dort etwas zu entdecken und grosse Sammlungen mitzubringen."
Dank seiner bald veröffentlichten Reisebeschreibungen war Emil Holub in der ganzen Habsburger-Monarchie bekannt. In seiner böhmischen Heimat wurde Holub gefeiert, doch sein Ruhm bekam dort bald die ersten Kratzer. Eine unrühmliche Rolle spielten dabei Zeitungen, die verschiedenste Gerüchte über den inzwischen berühmten Afrikareisenden verbreiteten.
"Die Kehrseite des Ruhms waren gewisse Zeitungsartikel, in denen behauptet wurde, dass Holub in Afrika Medizin überteuert verkaufte, in denen behauptet wurde, er halte keine Versprechen und schliesslich wurde ihm sogar Mord vorgeworfen."
In der Zeit des wachsenden tschechischen Nationalbewusstseins wurde es als Verrat der nationalen Ehre angesehen, dass Holub nicht seine langjährige - tschechische - Verlobte ehelichte, sondern Rosa Hoff - eine deutsche Wienerin. Als Verrat der nationalen Idee wurde auch die Tatsache angesehen, dass Holub seine grosse Afrika-Ausstellung zuerst in Wien zeigte und nicht in der böhmischen Hauptstadt. Ausserdem warfen tschechische Patrioten Holub vor, seine Reisebeschreibung "Sieben Jahre in Südafrika" dem österreichischen Monarchen Franz Josef gewidmet zu haben - dass dieser Holub finanziell unterstützt hatte, interessierte die tschechischen Nationalisten dabei nicht.
Seine zweite Afrikareise konnte Emil Holub dank der Einnahmen von seinem Buch und verschiedensten Vorträgen besser vorbereiten, ausserdem erhielt er vom Wiener Hof finanzielle Unterstützung. Diesmal brach Emil Holub nicht alleine auf, sondern mit fünf Begleitern: zwei Tschechen, einem Ungarn, einem Österreicher und einer Österreicherin, seiner erst 18jährigen Frau Rosa, genannt Ruzena. Es scheint, dass sie die richtige Begleiterin war.
"Ruzena Holubova war wirklich die richtige Frau am richtigen Platz. Aus Erinnerungen und Erzählungen geht hervor, dass sie nicht nur Emil Holub, sondern auch seinen Mitreisenden in Afrika das Leben gerettet hat, Ruzena war eine wirklich unerschrockene Frau - eine ideale Reisegefährtin."
In der Zeitschrift "Nove mody" erschien 1891 folgender Artikel über Ruzena Holubova:
"Der zarte Körper trotzte allen Widernissen des heimtückischen Wetters und als die Männer schon ihren Mut verloren hatten, da war es gerade sie, die sie mit ihren Worten ermunterte. Frau Holubova hat mit der Waffe in der Hand ihren Mann gerettet. Diese ungewöhnlichen Eigenschaften dieser beherzten Frau, die von ihrem Gatten die tschechische Sprache so gut erlernte, dass sie alles versteht und sich verständigen kann, haben ihre Majestät den Kaiser Franz Josef I. dazu veranlasst, ihr das Verdienstkreuz mit Krone zu überreichen"
Ruzena Holubova überlebte ihren Mann um über ein halbes Jahrhhundert. Sie starb 1958 in Wien.
Emil Holub hatte sich für seine zweite Afrikareise ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: als erster wollte er den Kontinent von Süden nach Norden durchqueren. Doch dieses Ziel erreichte Holub nicht - es scheint, dass die Expedition von Pech verfolgt wurde - zunächst erkrankten alle Teilnehmer, einer der Begleiter starb, dann brachen Bürgerkriege aus, und schliesslich wurden die unerschrockenen Forschungsreisenden von Eingeborenen überfallen - bei dieser Gelegenheit soll Ruzena Holubova mit der Waffe in der Hand ihren Mann gerettet haben. Für Emil Holub aber war dieses Erlebnis traumatisch: er verlor seinen Ehrgeiz, seine Kraft und soll wie verwandelt gewesen sein. Für die Expedition bedeutete der Überfall das Ende. 1887 kehrte Holub mit seiner Frau nach Europa zurück. Seinen Plan, den schwarzen Kontinent von Süden nach Norden zu durchqueren, verwirklichte Holub nicht mehr, auch nach Afrika kehrte er nicht mehr zurück. Insgesamt 11 Jahre seines Lebens hatte Holub dort verbracht. Zurück in seiner Heimat erlebte er einige Enttäuschungen - dazu Dr. Milena Secka:
"Die Prager Öffentlichkeit hatte kein Interesse, seine Sammlungen zu kaufen bzw. zu übernehmen. Ihm wurde sogar Grössenwahnsinn vorgeworfen, weil er ein Afrika- Museum in Prag errichten wollte. Dr. Holub war enttäuscht über dieses Desinteresse und die Reaktion des böhmischen Nationalmuseums, das seine Sammlungen abgelehnt hatte. Enttäuscht zog er sich nach Wien zurück, wo er bis zu seinem Tod 1902 lebte - nach Prag kehrte Dr. Emil Holub nicht mehr zurück."
Zuvor aber hatte Holub 1892 eine grosse Afrika- Ausstellung in Prag eröffnet - die grösste ihrer Zeit in Europa und bis heute die wohl grösste ihrer Art in Mitteleuropa. In 72 Eisenbahnwagons wurden die Ausstellungsgegenstände von Wien nach Prag transportiert: 513 ausgestopfte Wildtiere, 2.300 ausgestopfte Vögel, 3.000 Schlangen, 1000e von Pflanzen. Ausserdem waren Nachbauten von afrikanischen Dörfern in Originalgrösse zu bestaunen, modelierte Afrikaner in Lebensgrösse und vieles anderes. Die meisten der archäologischen und anthroposophischen Gegenstände stiftete Holub nach Beendigung der Ausstellung verschiedensten Museen in aller Welt - zu sehen sind sie heute u.a in Petersburg und London, in Madrid und Kobenhagen. Insgesamt 580 Institutionen soll Holub beschenkt haben. Einen grossen Teil erhielt Holubs Freund, Vojtech Naprstek. Der böhmische Weltreisende und Philantrop, Gründer des Naprstek- Museums in Prag, hatte Holubs Reisen mitfinanziert. Die zoologischen und botanischen Sammlungen verschenkte Holub in der gesamten Monarchie, so manche Dorfschule kam so in den Besitz exotischer ausgestopfter Tiere. Zu jener Zeit war Holub ein in aller Welt anerkannter Forscher. Über 80 Orden und Auszeichnungen erhielt er, unter anderem vom türkischen Sultan, dem persischen Schah, dem spanischen und dem italienischem König, vom sächsischen König und französischen Präsidenten. Doch wie sieht es mit dem wissenschaftlichen Beitrag des böhmischen Forschungsreisenden aus? Dazu noch einmal Dr. Milena Secka vom Naprstek-Museum in Prag:
"Was seine Fachkenntnisse betrifft - bestimmt ist sein Beitrag in der Ornitologie gross - lange studierte er die Vögel in Südafrika, unzählige stopfte er aus und brachte sie nach Europa. Holub hat zwar keine weissen Flecken auf der Landkarte Afrikas entdeckt, doch in seinen Reisebeschreibungen schilderte er als einer der ersten das Leben der Eingeborenen. Lange wurde Holub vorgeworfen, aus Afrika in Felsen eingeritzte Zeichnungen herausgeschlagen und mitgenommen zu haben. Später zeigte sich, dass er sie dadurch gerettet hatte, denn an der Fundstelle entstand ein grosser Steinbruch - die Eingeborenen hatten kein Interesse an ihrer Erhaltung. Heute befinden sich diese Ausdrücke früher afrikanischer Kulturen in verschiedenen Museen."
Dr. Emil Holub starb am 21. Februar 1902 im Alter von 54 Jahren in Wien. Seine grossen Träume hatten sich nicht erfüllt - die Durchquerung Afrikas, die Entdeckung neuer Kulturen und die Errichtung eines böhmischen Afrika-Museums. Dennoch, sein Jugendtraum, Südafrika zu erforschen, hatte er sich erfüllt, was in jener Zeit keine Selbstverständlichkeit war. Heute gilt Holub als der bedeutenste böhmische Afrikaforscher, der in Fachkreisen noch immer zitiert wird. Sein Name befindet sich auf dem UNESCO-Verzeichnis, Holub war einer der ersten, der das Leben afrikanischer Stämme beschrieb und es in hunderten von detailgetreuen Zeichnungen festhielt. Nicht nur für sich, auch für seine böhmischen Zeitgenossen entdeckte er den afrikanische Kontinent.
Und damit sind wir bereits am Ende des heutigen Geschichtskapitels. Auf Wiederhören in zwei Wochen sagt Kathrin Bock.