Neue Tennisqueen Petra Kvitová reift zur Persönlichkeit heran

Petra Kvitová (Foto: ČTK)

Jan Kodeš, Martina Navrátilová, Ivan Lendl, Hana Mandlíková, Tomáš Šmíd oder Jana Novotná. All diese großen Namen und noch einige mehr hat der tschechische Tennissport in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts hervorgebracht. Danach aber wurde es zunehmend ruhiger um die Vertreter des „weißen Sports“ in Tschechien, auch weil es an überragenden Spielerinnen und Spielern mangelte. Bis zu diesem Jahr, in dem die noch junge Petra Kvitová einen kometenhaften Aufstieg genommen hat.

Petra Kvitová  (Foto: ČTK)
Tschechien hat eine neue Königin! Es ist die 21-jährige Tennisspielerin Petra Kvitová, die aufgrund ihrer vielen sportlichen Erfolge in jüngster Vergangenheit von der nationalen wie internationalen Medienwelt zur „Tenniskönigin des Jahres“ gekrönt wurde. Ihre Erfolge können sich in der Tat sehen lassen: In der zu Ende gehenden Saison hat Kvitová sechs internatonale Turniere gewonnen und insgesamt ein Preisgeld von über 5,1 Millionen US-Dollar kassiert.

Bis zum vergangenen Wochenende war der größte Triumph von Petra Kvitová zweifellos der Gewinn der Lawn Tennis Championships von Wimbledon, der am ersten Julisonntag auch eine Riesenbegeisterung in ihrer mährischen Heimatstadt Fulnek auslöste. In der dritten Klasse habe sie davon gesprochen, sie werde eines Tages das Turnier von Wimbledon gewinnen, jetzt ist es passiert, das sei einfach unglaublich, jubelte ein ehemaliger Lehrer von Kvitová an jenem Julisonntag über die große Leistung seiner einstigen Schülerin. Und mit ihm noch Tage später das gesamte, nur 6000 Einwohner zählende Fulnek, das südwestlich von Ostrava / Ostrau liegt. Inzwischen aber verneigt sich vor der jungen Tennisqueen das ganze Land, zumal Petra Kvitová seit Sonntag auch den Ruf genießt, die derzeit beste Spielerin der Welt zu sein. Geschafft hat sie das durch ihre großartigen Vorstellungen beim WTA-Masters in Istanbul, wo sie die komplette Weltelite in die Schranken wies und sich nach fünf siegreichen Matches verdient die Krone aufsetzte. In den drei Gruppenspielen hat sie ihre Gegnerinnen aus den Top Eight ziemlich sicher beherrscht und alle in nur zwei Sätzen vom Hallenparkett geputzt. Im Halbfinale gegen die Australierin Samantha Stosur und im Endspiel gegen die Weißrussin Victoria Asarenka schlichen sich dann aber doch einige Unkonzentriertheiten bei der 21-Jährigen ein, so dass sie jeweils drei Sätze brauchte, um sich durchzusetzen. Das Finale, das sie stark begann, sei deshalb auch eine wacklige Angelegenheit gewesen, gab Kvitová danach zu:

Victoria Asarenka  (Foto: ČTK)
„Gegen Victoria hatte ich es sehr schwer, denn das Match ging über drei Sätze und Victoria hat sich enorm verbessert. Die Spiele gegen sie sind stets sehr ausgeglichen und oft entscheiden nur Details über Sieg oder Niederlage. Victoria returniert sehr gut, so dass mein Aufschlag gegen sie keine allzu große Waffe ist und die Ballwechsel daher länger dauern. Ich würde es so zusammenfassen: Jeder Satz stand auf des Messers Schneide und nie haben wir gewusst, wer ihn von uns beiden gewinnen wird.“

Ein Wechselbad der Gefühle war das WTA-Masters-Finale auch für Petras Eltern, die das Spiel live am Fernseher verfolgt haben. Nach dem Sieg aber ließ Vater Jiří Kvita seiner Freude freien Lauf:

„Dieser Turniersieg, das ist ein wunderbares Gefühl. Am meisten gezittert haben wir natürlich zu Beginn des zweiten Satzes, als Petra etwas den Faden verlor. Danach aber hat sie sich wieder gefangen, auch wenn sie den Satz dennoch abgeben musste. Doch ich habe an sie geglaubt und ähnlich wie in Wimbledon hat sie dann gezeigt, dass sie die Stärke hat, solche Matches auch zu gewinnen. Das hat sie erneut bewiesen, obwohl auch Asarenka wirklich tolles Tennis gespielt hat.“

Petra Kvitová  (Foto: ČTK)
Mit dieser Siegermentalität, ihrem Trainingsfleiß und dem gesteigerten Können hat sich Petra Kvitová binnen eines Jahres von Position 34 bis auf den zweiten Rang der Weltrangliste nach oben gearbeitet. Vor ihr steht nur noch die Dänin Caroline Wozniacki, deren Vorsprung auf Kvitová aber inzwischen auf 115 Punkte geschmolzen ist. Und die Dänin profitierte bisher davon, dass sie auch viele kleinere, unbedeutende Turniere spielt, die leichter zu gewinnen sind. Daher konnte Wozniacki in dieser Saison, ebenso wie Kvitová, sechs Turniersiege verbuchen; unter ihnen war allerdings kein einziger Grand-Slam-Triumph. Und auch in Istanbul, wo die Crème de la Crème spielte, war die Dänin früh geschlagen. In der Gruppenphase des Turniers hat Kvitová sie zudem glatt in zwei Sätzen bezwungen. Deshalb halten viele Tennisexperten, darunter der siebenfache Grand-Slam- und vierfache Davis-Cup-Gewinner Mats Wilander aus Schweden, Petra Kvitová schon jetzt für die wahre Nummer eins im Damentennis.

David Kotyza und Petra Kvitová  (Foto: ČT24)
Der kometenhafte Aufstieg der Petra Kvitová in diesem Jahr wird untermauert durch die hervorragende Match-Bilanz von 58 Siegen bei nur 13 Niederlagen. Das ist eine Erfolgsquote von fast 82 Prozent – ein Wert, den in diesem Jahr keine andere Spielerin erreichte. Zudem hat Kvitová auch die meisten Siege in direkten Duellen mit ihren Gegnerinnen aus den Top Ten vorzuweisen: Es sind 13, die nächsten Spielerinnen folgen erst mit neun und weniger Siegen. Für Kvitovás Trainer David Kotyza aber war und bleibt der Wimbledon-Sieg seines Schützlings der Durchbruch in die Weltelite:

Petra Kvitová  (Foto: ČTK)
„Ihr Leben hat sich in diesem Jahr schon ein wenig geändert. Besonders nach dem Sieg in Wimbledon, als sie aufgehört hat, nur eine Spielerin zu sein, die gut Tennis spielen kann. Sie entwickelt sich zu einer Persönlichkeit, und das auf ganz natürliche Weise. Und außer, dass sie sympathisch rüber kommt, ist sie wirklich eine Klassespielerin.“

Die Komplimente ihres Trainers hört Petra Kvitová sicher gern, doch ansonsten ist sie nach ihren tollen Erfolgen stets auf dem Teppich geblieben. Und für ihr erfolgreiches Jahr gibt sie noch andere Gründe an:

„Ich war das gesamte Jahr über ziemlich gesund, das war das wohl Entscheidende für mich. Dadurch konnte ich auch mehr als sonst trainieren und an meiner Fitness und allem anderen arbeiten. Ich arbeite jetzt mit einem Psychologen zusammen und werde es auch weiter tun, denn wir verstehen uns gut. Ansonsten aber fühle ich mich nicht anders als früher.“

Petr Pála  (Foto: Archiv Australia Open)
Petra Kvitová hat dennoch besondere Stärken. Bei Spielen in der Halle zum Beispiel „fühle sie sich wie ein anderer Mensch“, sagte sie unlängst. Kein Wunder, denn ihre dortige Matchbilanz ist einfach phänomenal: Von 19 Begegnungen unter einem Hallendach hat sie kein einziges verloren! Ein sehr gutes Omen also auch für das Fed-Cup-Finale gegen Russland an diesem Wochenende in Moskau? Der Cheftrainer des tschechischen Damenteams, Petr Pála, ist davon überzeugt:

„Das ist ein großartiger Erfolg, den Petra in Istanbul erreicht hat. Ich baue darauf, dass sie ihre gute Form jetzt auch mit nach Moskau bringt. Das allein genügt jedoch nicht, denn wir müssen mindestens dreimal punkten. Die Russinnen sind zwar leicht favorisiert, doch ich glaube, wir haben ein solch starkes Team, dass wir auch in Moskau gewinnen können.“

Květa Peschke  (Foto: Nevit Dilmen,  Creative Commons 3.0)
Der Glaube von Trainer Pála, dass das tschechische Damenteam erstmals seit 1988 wieder die begehrte Mannschaftstrophäe gewinnen kann, beruht aber nicht allein auf Petra Kvitová. Mit Květa Peschke zum Beispiel hat er schließlich noch ein weiteres Ass im Ärmel, das gerade im abschließenden Doppel stechen könnte. In Istanbul war die Doppel-Spezialistin ebenso nahe dran, um sich mit ihrer slowenischen Partnerin Katarina Srebotnik als bestes Damen-Doppel des Jahres feiern zu lassen. Im Finale unterlag das Duo dann allerdings dem amerikanischen Paar Liezel Huber und Lisa Raymond in zwei Sätzen mit 4:6 und 4:6. Dem Spielverlauf nach sei sogar mehr drin gewesen, sagte Peschke. Andererseits habe sie erneut eine tolle Saison gespielt, so die 36-Jährige:

„Wenn ich das gesamte Jahr betrachte, dann kann ich überaus zufrieden sein. Natürlich wollten wir das Turnier gewinnen, doch auch mit dem Finaleinzug können wir zufrieden sein.“

Und wer weiß, vielleicht wird die Freude bei Kvitová, Peschke & Co. am kommenden Sonntag ja noch größer, wenn sie ihre erfolgreiche Saison mit dem Sieg im Fed Cup krönen können. Die Vorzeichen dafür stehen nicht schlecht, denn beim letzten Sieg eines tschechischen Damenteams vor 23 Jahren waren auch russische Spielerinnen die Kontrahentinnen. Die Finalpartie hieß damals noch Tschechoslowakei gegen UdSSR, gewonnen aber haben die Damen um Jana Novotná und Helena Suková mit 2:1.

Autor: Lothar Martin
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