Neue Wanderrouten in der Region Frydlantsko
In der nordböhmischen Region um Frydlant gibt es neue Wanderrouten. Das Interessante dabei ist, dass diese von den Einwohnern dieser Region und nicht von Professionellen zusammengestellt wurden. Auf einen Ausflug in die Geschichte und noch vielmehr in die Gegenwart der Region Frydlantsko lädt Sie in den folgenden Minuten Dagmar Keberlova ein.
"Wir haben uns früher vor allem dem Schutz der Natur und der Landschaft gewidmet, weil wir überzeugt waren, dass die Bäume im Isergebirge das Wichtigste sind. Nach einigen Jahren wurde uns bewusst, dass das zwar eine sehr wichtige Angelegenheit ist, aber wenn die dortige Bevölkerung nicht versteht, warum sie diese schönen Bäume braucht und wozu es gut ist, eine ökologisch stabile Landschaft zu haben, dann wird es langfristig nicht funktionieren. Wir würden viel Geld in die Aufrechterhaltung der Natur investieren, aber die Gemeinden würden vielleicht, wenn sie nicht wissen warum, mit ihren Entscheidungen und Tätigkeiten unsere Arbeit wieder entwerten. Daher beschlossen wir, enger mit den Gemeinden, Unternehmen und Menschen zusammenzuarbeiten."
Es war also ein Schritt von den Bergen zu den Menschen. In Zusammenarbeit mit einer amerikanischen Stiftung lernten die Mitarbeiter, wie man am besten mit der Bevölkerung kommuniziert. Eine der Möglichkeiten sei die "Interpretation des örtlichen Erbes", sagte mir weiter Frau Huskova. Es sei ein Weg, nicht durch Informationen zum Verstand der Menschen zu kommen, sondern durch ein persönliches Erlebnis zu ihrem Herzen. Es ist eine Möglichkeit, wie die Menschen mehr über die Geschichte, Kultur, Natur und die Schönheiten der Region, in der sie leben, erfahren können.
"Wir glauben, dass wenn sie dieses alles wissen und erleben werden, werden sie sich um die Region besser kümmern und auch Verantwortung tragen können. Dies erscheint uns viel wichtiger in einer Region wie den Sudeten, die eine schwere und schmerzhafte Vergangenheit hinter sich hat. Hier hat sich die Bevölkerung mehrmals abgewechselt und der Bezug zum Lande und die Tradition der Pflege der Umgebung wurden mehrmals unterbrochen. So kamen wir auf die Idee, die Menschen an dem Projekt selber teilnehmen zu lassen. Es soll nicht so sein, dass wir etwas ausdenken und es ihnen dann als fertiges Produkt präsentieren."
Das war also der Hauptgedanke: die Menschen dazu zu bringen, dass sie selber diese Lehrpfade des Erbes zusammenstellen. 20 Lehrpfade wurden von dortigen Bewohnern zusammengestellt und beschrieben, zum größten Teil handelt es sich um engagierte Laien. Diese Menschen haben über ihre Region nachgedacht, darüber, was dort interessant ist. Sie haben sich dazu Informationen besorgt und stellten ihre persönlichen Erlebnisse zur Verfügung. So entstand die Serie der 20 Routen, die sich Frau Huskova zufolge von den offiziellen Reiseführern darin unterscheiden, dass jede Route sozusagen eine Autorenroute ist, in der auch die persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse der Menschen beinhaltet sind.
Die Routen seien sehr unterschiedlich, sagte mir weiter Frau Huskova. Es gibt solche, die nur eine oder anderthalb Stunden in Anspruch nehmen. So eine ist etwa der Spaziergang durch die Stadt Frydlant. Dieser ist einer bekannten Person aus Frydlant gewidmet und geht auf ihren Spuren durch die Stadt - so, wie sie damals diese Person erlebt und gelebt hatte. So lernt der Besucher die Stadt aus dieser Sicht kennen. Dann gibt es eine längere Route, sie heißt "Brunnen und Wasserquellen rund um Frydlant". Der Autor, Herr Effenberger, hat eine Route zwischen den sieben Brunnen zusammengestellt, und der Wanderer kann entdecken, wie beispielsweise das Wasser in jedem schmeckt, so Frau Huskova. Dann gibt es auch eine längere Route, die die Kirchen und ihre Glocken beschreibt. Diese Route besucht alle 18 Gemeinden der Region Frydlantsko und beschreibt, wie die Kirchen aussehen und wann sie gebaut wurden. Auch werden die Glocken beschrieben, sowohl ihr Aussehen, als auch ihre Geschichte, ihre Namen. Auch den Verlust von Glocken lässt man dabei nicht außer Acht, die beispielsweise geschmolzen wurden und zu Kanonen umgewandelt, dann wieder neu gegossen und geweiht. Das sei sehr interessant, sagt Frau Huskova. Es ist ein Ausflug für zwei Tage zu Fuß oder eine lange Radroute. Sie persönlich mag eine Strecke besonders, die sie am vergangenen Wochenende absolviert hat:
"Das ist eine Route, die 'Auf den unsichtbaren Spuren der ältesten Siedlungen' heißt. Sie führt durch vergessene Teile unserer Region, die an die Staatsgrenze angrenzt. Sowohl ich als auch die Autorin, Frau Stara, haben dieses Gebiet sehr gern. Es kommt nur sehr selten ein Tourist hin. Hier sind die ältesten Spuren der Besiedlung der Region aus dem 8-10. Jahrhundert sichtbar. Der Mensch, der diese archäologischen Funde entdeckt hat, der Lehrer und Historiker Schubert, liegt auf einem kleinen Friedhof in einer winzigen Gemeinde begraben. Die Route verbindet die archäologischen Funde, dann geht man durch eine Kirschenallee, die für die umliegenden Gemeinden bestimmt immer wichtig war, bis man bei einer Kirche aus dem Jahre 1519 ankommt, in deren Nähe auch das Grab liegt. Auf diese Art entsteht in ihrem Kopf eine Vorstellung von dem, was da alles in der Region passiert ist in der Vergangenheit, und plötzlich verspüren sie, dass sie das Grab reinigen wollen und mit Blumen ausstatten, da sie etwas von dem Menschen wissen, der dort liegt. Ohne diese Route bleibt es nur ein namen- und bedeutungsloser Grabstein. Mit der Erzählung erfahren sie vieles über die Gegend und wollen für sie etwas tun. So habe ich das empfunden und hoffe, dass es auf andere Menschen ähnlich wirken wird."
Eine weitere Besonderheit ist, dass die Autoren bei Interesse selbst führen. Bald wird es die Beschreibung der Routen auch in Deutsch geben, derzeit kann man sich nur im Informationszentrum der Stadt Frydlant informieren, so Frau Huskova:
"In absehbarer Zeit werden alle Routen auf unseren Internetseiten veröffentlicht. Derzeit stehen diese nur auf Tschechisch zur Verfügung, wir sind aber dabei, Geld zur ihrer Übersetzung ins Deutsche und Englische zu suchen, so dass sie bald auch für ausländische Gäste zugänglich werden. Einige unserer Autoren sprechen sehr gut Deutsch, also wenn die deutschen Besucher sich dafür interessieren, können sie auf Deutsch durch diese Routen geführt werden."
Die Internetseite der "Gesellschaft für das Isergebirge" (Jizerske Hory) lautet: www.projizerky.cz. Frau Huskova fügte hinzu, dass dies nur ein Projekt ist, eines das jetzt zu Ende geht. Und sie hofft, dass es nicht nur weiter leben wird, sondern dass auch neue Routen spontan dazu kommen werden. Die Gesellschaft plant weitere Aktivitäten in diese Richtung. Denkmäler und Grabsteine werden parallel dazu aufrechterhalten, interessante Persönlichkeiten aus der Region entdeckt, die schon vergessen wurden. Dieses Projekt mit den Lehrpfaden passt also sehr gut zu den anderen Aktivitäten, die in der Region in Richtung "Entdeckung der eigenen Geschichte" vor sich gehen, so Frau Huskova. Die Arbeitsgruppe der Gesellschaft will auch in Hinfeld in Hessen, wo es ein Museum der Region gibt, sowie in Neugablonz, wohin viele Menschen aus Frydlant im Jahre 1945 umgesiedelt wurden, nach der Geschichte forschen.