Neujahrsansprache: Tschechiens „hervorragender Zukunft“
Zum neuen Jahr haben in Tschechien gleich drei Politiker eine Ansprache gehalten. Dies waren vor allem Premier Andrej Babiš, aber auch die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern.
„Unser Land durchlebt eine der erfolgreichsten und glücklichsten Zeiten in seiner neuzeitlichen Geschichte. Und auf welcher Grundlage nehme ich mir heraus, Ihnen das zu sagen?“
Die rhetorische Frage nutzte Babiš dazu, auf wichtige wirtschaftliche Kennziffern zu verweisen. So liege das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hierzulande höher als zum Beispiel in Portugal oder Spanien. Tschechien habe die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU. Eine Studie der Unternehmensberater von Deloitte bewerte die Lebensqualität im Land höher als in den USA, Singapur oder Israel. Mit diesen und weiteren Beispielen lobte der Ministerpräsident vor allem die Arbeit seines eigenen Regierungskabinetts. Ähnlich fiel auch das Fazit der Europa-Politik aus. In Brüssel vertrete er mit Härte die tschechischen Interessen, so Babiš:
„Dort haben wir die verbindlichen Quoten für die Aufnahme illegaler Migranten und ihre Umverteilung abgelehnt, weil die Sicherheit unserer Bürger für uns absolute Priorität hat. Dort haben wir auch durchgesetzt, dass unser industriell geprägtes Land, dessen Energiewirtschaft noch auf der Nutzung von Braunkohle beruht, mehr Geld braucht für die Erreichung der CO2-Neutralität als andere Staaten. Dort haben wir zudem die Atomenergie verteidigt, weil für uns die Energiesicherheit grundlegend ist.“Auch innenpolitisch konnte in seinen Augen die Regierung Erfolge feiern. Andrej Babiš zählte dabei von der Bildung, über das Gesundheitswesen bis zur Kultur gleich Mehreres auf. Tschechien steuere auf eine ausgezeichnete Zukunft zu, behauptete der Regierungschef.
„In den Medien ist häufig zu hören, dass sich die Weltwirtschaft abkühle und schlechtere Zeiten anstünden. Und dass wir all unsere Pläne nicht schaffen würden. Ständig versucht jemand, auf diese Weise Angst zu verbreiten. Aber ich will Ihnen sagen: Fürchten Sie sich nicht! Denn es gibt nichts zu befürchten, auf uns wartet eine hervorragende Zeit“, sagte Babiš.Gerade Sätze wie diese nahmen noch am Mittwoch vor allem Politiker der konservativ-liberalen Opposition aufs Korn. Der bürgerdemokratische Vorsitzende Petr Fiala wähnte sich zurückversetzt in die 1980er Jahre. Babišs Rede habe geklungen wie die kommunistischen Jubelhymnen auf die Erfüllung der Fünfjahrespläne, ätzte Fiala in einer Twitter-Nachricht. Und Top-09-Chefin Markéta Adamová Pekarová sagte:
„Die Regierung verspricht zwar auf dem Papier sehr viel. Doch eine Reihe wichtiger Dinge wie die nötigen Reformen des Rentensystems und des Bildungswesens wird weiterhin nicht angegangen.“
Selbst die Kommunisten, die die Minderheitsregierung aus Babišs Partei Ano und Sozialdemokraten tolerieren, halten die Lobeshymnen für übertrieben. Ihr Parteivorsitzender sagte, es müsse noch viel getan werden.„Obwohl es diese guten Ergebnisse gibt, bestehen weiter auch Risiken“, so Kommunistenchef Vojtěch Filip.
Der Politologe Jiří Pehe verwies in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks darauf, dass im vergangenen Jahr regelmäßig unzufriedene Menschen auf die Straße gegangen sind. Damit erinnerte er an die Massendemonstrationen, die im Juni in einer Kundgebung vor 280.000 Teilnehmern in Prag gipfelten:
„Premier Babiš hat in seiner Rede nicht das angesprochen, was die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße treibt. Es ist seine eigene Person – dass gegen ihn strafrechtlich ermittelt wird und dass er in einem Interessenskonflikt steht.“Hätte Babiš eine Lösung für diese Probleme angedeutet, würde vielleicht die Unzufriedenheit etwas zurückgehen, so Jiří Pehe.
Doch der Premier war am Neujahrstag nicht der einzige hochgestellte Politiker, der sich mit einer Rede an seine Landsleute gewendet hat. Zuvor sprachen bereits Senatschef Jaroslav Kubera und der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Radek Vondráček. Während der Ano-Politiker Vondráček ebenso wie Babiš von den Erfolgen der Regierungspolitik sprach, ging der Bürgerdemokrat Kubera darauf nicht ein. Stattdessen reihte er sich ein neben Staatspräsident Miloš Zeman und leugnete die möglicherweise verheerenden Folgen der Klimakrise. Doch viele Menschen im Land scheinen anders zu denken. Dies hat kurz vor dem Jahreswechsel eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Median gezeigt. Demnach machen sich 44 Prozent der Tschechen mittlerweile große Sorgen um das Klima auf der Erde.