Das Leben in Prag in der Barockzeit

Die in Tschechien stark verbreitete schwarz-weiß Interpretation der Barockzeit zu widerlegen und einzigartige Exponate aus den Sammlungen des Prager Archivs und des Museums der Hauptstadt Prag vorzustellen - dies sind die Hauptziele einer großartigen Ausstellung, die vorige Woche in Prag eröffnet wurde. In die tschechische Metropole des 17. und 18. Jahrhunderts führen Sie in dem folgenden Spaziergang durch Prag Martina Schneibergova und Olaf Barth.

"Das Leben in Prag in der Barockzeit" heißt die Ausstellung, die vorige Woche in den renovierten Räumlichkeiten des Clam-Gallas-Palastes eröffnet wurde. Sie findet als eine Begleitveranstaltung des Projektes "Der Ruhm des Barock-Tschechiens" statt. Die Veranstalter der Ausstellung - das Museum der Hauptstadt Prag und das Archiv der Hauptstadt Prag wollen - wie bei der Vernissage betont wurde, zu dem gegenwärtigen Trend beitragen, das historische Bewusstsein von den Stereotypen zu befreien. Die beiden Institutionen nutzten diese Gelegenheit u.a. dazu aus, um der Öffentlichkeit zum ersten Mal Exponate vorzustellen, die sonst nur in den Depositaren aufbewahrt werden. Durch die Ausstellung lassen wir uns in den folgenden Minuten von der Historikerin Pavla Statnikova und Archivarin Jirina Mendelova führen, die die Ausstellung vorbereitet haben.

Die Ausstellung über das Leben in Prag in der Barockzeit umfasst die Zeitetappe von 1620 - d.h. der Schlacht am Weißen Berg - bis in das Jahr 1784. In diesem Jahr haben sich die Prager Städte zu einer Stadt zusammengeschlossen. Wenn der Besucher den ersten Ausstellungsraum betritt, kommt er in die Stadt Prag, wie sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aussah. Bewundern kann er die Metropole auf einigen Graphiken aus dieser Zeit, ausgestellt sind z.B. herrliche Barockplastiken, die ihm die Atmosphäre dieser Epoche näher bringen. Nach dieser Einführung in die Barockepoche begegnet der Besucher einer Bürgerfamilie mit ihrem Haushalt, dann lernt er die Arbeitswelt des Barocklebens kennen. Er erfährt mehr darüber, wie sich der Barockmensch auf den Tod vorbereitete, welche wissenschaftlichen Forschungen er durchführte, aber auch wie er sich unterhielt. Es fehlt auch nicht an ausführlichen Informationen über die damalige Prager Stadtverwaltung und das Gerichtswesen, die vom Prager Archiv vorbereitet wurden. Über die interessantesten Exponate aus dem Archiv erklärte dessen Mitarbeiterin Jirina Mendelova:

"Ich wurde zuerst an die Sammlung von Archivprivilegien erinnert. Es handelt sich um kaiserliche Privilegien, die die vier Prager Städte erhalten hatten. Sie wurden auf Pergament geschrieben und reichlich verziert. Es befinden sich darunter auch zwei Privilegien, die den Prager Städten und einem Prager Bürger für die Verteidigung der Stadt gegen die Schweden verliehen worden sind. Unser Archiv stellt weiter eine Sammlung von Zunft- und Wirtschaftsdokumenten sowie Akten aus dem Handelsbereich aus. Beachtenswert ist auch die von uns ausgestellte Bibliothek eines Prager Bürgers. Daran kann man sehen, was die Bürger damals gelesen haben. Es zeigt sich, dass sie nicht nur katholische Literatur lasen, wie man annehmen könnte, sondern man findet in den Bibliotheken der Prager Bürger auch viele Bücher von Autoren, die Protestanten waren."

In dem Ausstellungssaal, der dem Haushalt der Barockzeit gewidmet ist, erzählte Historikerin Pavla Statnikova:

"Hier befinden wir uns in dem Teil der Ausstellung, der den Haushalt eines Stadtbürgers vorstellt. Gezeigt wird seine Bibliothek, seine Uhr sowie sein Geschirr und andere Haushaltseinrichtungen und Textilien. In dieser wertvollen Intarsien-Truhe hat man nicht nur Kleider, sondern auch Bücher aufbewahrt, denn in der Barockzeit stellte man seine Bücher nicht aus wie es heute üblich ist."

Die Ausstellungsräume wurden zum ersten Mal im Frühjahr 2000 für die Öffentlichkeit geöffnet. Das war damals anlässlich einer Ausstellung zum 800. Jahrestag der Prager Selbstverwaltung. Für die jetzige Barockausstellung wurden jedoch noch einige weitere Räumlichkeiten renoviert und eröffnet.

Eine wichtige Rolle im Leben der Gesellschaft spielte in der Barockzeit vor allem die katholische Kirche. In einem Saal sind Gegenstände aus dem kirchlichen bzw. geistlichen Bereich sowie Exponate aus dem Bereich Wissenschaft, Schulwesen und Buchdruck zu sehen. Es scheint, dass die Prager Wissenschaftler vor 300 Jahren ähnliche Sorgen hatten wie heutzutage. In der Abteilung über das Gesundheitswesen der Barockzeit kann man von der Kopie einer Universitätsthese vom Anfang des 18. Jahrhunderts einiges über den schädlichen Einfluss des Kaffees, des Tabaks und der Schokolade auf die Gesundheit erfahren. Im nächsten Saal kann man sich mit den großartigen Feierlichkeiten der Barockzeit bekannt machen. Prunkvolle Feste gab es z. B. bei der Heiligsprechung des heiligen Johannes Nepomuk. Groß gefeiert wurde oft die Ankunft des Herrschers in Prag.

Eine oft pompöse Zeremonie stellte in der Barockzeit die Verabschiedung von Verstorbenen dar. Wie die Historikerin betonte, hat sich die Mentalität der Menschen in der Barockzeit, was ihre Beziehung zum Thema Tod betrifft, von der heutigen Mentalität sehr unterschieden. Man hat sich sein ganzes Leben lang auf den Tod vorbereitet, es gab verschiedene Religionsbruderschaften, die sich mit den Vorbereitungen auf einen glücklichen Tod befassten. Da es in den Sammlungen des Museums der Hauptstadt Prag zahlreiche Gegenstände gibt, die mit der Bestattungszeremonie zusammenhängen, entschieden sich die Mitarbeiter des Museums, sie auch auszustellen, denn - wie sie betonten - zur Barockzeit gehören besonders der Tod und die damit verbundenen Zeremonien. Dazu Pavla Statnikova:

"Die Bürger waren auf den Tod sehr gut vorbereitet. Ähnlich wie man damals Hochzeitsverträge abgeschlossen hat, hat man auch sehr eingehende Testamente, die als "ksaft" bezeichnet wurden, verfasst. Diese Testamente wurden in den Stadtbüchern versichert. Außerdem hat man noch ein Inventar des Eigentums zusammengestellt. Historiker können sich anhand dieser Dokumente eine Vorstellung darüber machen, wie das bürgerliche Haus damals eingerichtet war, aber auch darüber, wie groß die entsprechende Familie war und zu welcher Kirche sie gehörte."

Ein Bestandteil der Ausstellung über das Prag der Barockzeit ist auch eine zusammenfassende Übersicht von Katastrophen, von denen die Prager damals heimgesucht wurden. Dazu erläuterte Pavla Statnikova:

"Hier werden die verschiedensten Katastrophen beschrieben - Hochwasser, Kriege, Brände oder Hungerjahre, die Prag erlebte. Auf den Graphiken ist das Hochwasser von 1784 dargestellt, das für das zweitschlimmste Hochwasser des vergangenen Jahrtausends gehalten wird. Das überhaupt größte Hochwasser soll es 1342 in Prag gegeben haben - wie die Chronisten behaupten. 1784 kam es sogar zum Durchbrechen der Karlsbrücke und einige Soldaten, die sich im nahestehenden Wachhaus befanden, sind dabei ums Leben gekommen. In der Mitte des 17. und des 18. Jahrhunderts erlitt Prag bei zwei starken Bränden große Schäden. Zu den Katastrophen, die die Stadt heimsuchten, kann man auch die zwei Pestepidemien von 1680 und 1713 zählen."

Mit der Aufzählung der Katastrophen, von denen Prag in der Barockzeit betroffen wurde, beenden wir unseren heutigen Spaziergang durch die Ausstellung über das Prag in der Barockzeit. Die Ausstellung ist täglich außer Montag im Altstädter Clam-Gallas-Palais in der Hus-Straße, und zwar bis zum 29. September dieses Jahres geöffnet.

Autoren: Olaf Barth , Martina Schneibergová
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