Ludvik Vaculik feiert 75. Geburtstag
Von Martina Schneibergova.
"Man kann alles sagen, alles schreiben. Diese Freiheit, die nutze ich sehr, sehr oft. Aber es hat keinen Wert, etwas frei zu schreiben oder zu sagen, es hat keinen Einfluss auf nichts... Ist das gut oder schlecht?"
Diese Worte stammen von einem Schriftsteller und Publizisten, der insbesondere mit seinem 1968 verfassten Manifest mit dem Titel "Zweitausend Worte" viele seiner Mitbürger beeinflusst hat. Der Autor Ludvik Vaculik begeht am Montag, dem 23. Juli, seinen 75. Geburtstag.
Vaculik stammt aus dem mährischen Brumov unweit von Zlin. Er nahm in den vierziger Jahren an den Arbeitskursen der Firma Bata teil, danach studierte er an der Hochschule für Politik- und Sozialwissenschaften in Prag. Als Redakteur war er in den sechziger Jahren beim Tschechoslowakischen Rundfunk und bei der renommierten Zeitschrift Literarni noviny tätig.
1966 erschien sein berühmter Roman "Das Beil", der vom Schicksal seines Vaters inspiriert worden war. Durch seinen Auftritt beim Schriftstellerkongress 1967 und sein im Juni 1968 in den Literarni noviny veröffentlichtes Manifest "Zweitausend Worte" wurde er zu einem der bekanntesten Wortführer des Prager Frühlings. In dem Manifest analysierte er glänzend die totalitäre Regierung der kommunistischen Partei und forderte eine rasche Liberalisierung. An die 40.000 Menschen haben in Unterschriftenlisten damals begeistert ihre Zustimmung geäußert.
Der Autor des berühmten Manifests, das von den sogenannten "Normalisatoren" als ein Höhepunkt der Konterrevolution bezeichnet wurde, ist zu einem der meist verfolgten Schriftsteller geworden. Vaculiks Roman "Moracata" (Die Meerschweinchen) durfte 1969 nicht mehr in der Tschechoslowakei herausgegeben werden, es erschien später im Exilverlag Sixty Eigth Publishers in Toronto. Seit Anfang der 70er Jahre leitete Vaculik die Samizdat-Reihe "Petlice". Er gehörte zu den Begründern der Charta 77 und arbeitete zu dieser Zeit mit der tschechischen Redaktion des Senders Radio Freies Europa zusammen. 1983 erschien - wieder in dem von dem Literatenehepaar Skvorecky gegründeten Exilverlag in Toronto - Vaculiks Buch "Cesky snar" - eine Tagebuchfiktion, die ein Zeugnis über das Menschenschicksal im totalitären Tschechien darstellt.
In die offizielle tschechische Literaturwelt durfte Vaculik erst nach der Wende von 1989 zurückkehren. In den neunziger Jahren schrieb er u. a. seinen autobiographischen Roman "Jak se dela chlapec" (Wie macht man einen Jungen) und in dem Buch "Mili spoluzaci" (Liebe Mitschüler) fasste er seine Tagebuchnotizen aus seiner Kindheit und Jugend zusammen. Gegenwärtig schreibt er überwiegend Feuilletons, vor allem für die renommierte Tageszeitung Lidove noviny. Hier stellt er oft eine Stimme dar, die sich gegen verbreitete Trends und gesellschaftliche Strömungen wendet. So charakterisierte er z. B. das heutige Prag:
"Prag kann eine schöne Stadt sein, aber ich befürchte, dass sie jetzt verdorben wird durch die Flut von Touristen und Fremden und von allem, was aus Prag eine ganz gewöhnliche Stadt, ähnlich allen anderen in Europa, macht."
1996 wurde Ludvik Vaculik von Präsident Vaclav Havel mit dem Tomas Garrigue Masaryk-Orden ausgezeichnet. 1997 wurde er als - Zitat "Mann, der beharrlich für eine literarische und politische Kultur des Humanen eintritt" - mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück gewürdigt.
Von seinem Engagement aus der letzten Zeit ist die Petition mit dem Titel "Zweitausend Worte im Jahre 2000" zu erwähnten, in der er am Ende des vergangenen Jahres die protestierenden Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehens unterstützte.