Nachrichten Freitag, 30. Januar, 1998
Radio Prag - Nachrichten - 30.1.1998 - 14.00 Uhr / BA
Ahoj und willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, bei einem neuen halbstündigen Programm in deutscher Sprache auf den Wellen von Radio Prag. Nach den Nachrichten hören Sie zunächst - wie gewohnt - unseren Beitragsblock mit Berichten zum aktuellen Tagesgeschehen in der Tschechischen Republik. Danach folgt unsere Rubrik "Heute am Mikrophon" mit Anna Knechtel. Gute Unterhaltung und einen ungestörten Empfang wünscht Franz- Josef Balkhausen. Die Nachrichten:
Tosovsky zu vorgezogene Wahlen - Gesetzesänderung
Der tschechische Premierminister Josef Tosovsky hat sich am Donnerstag indirekt für eine Änderung des Verfassungsgesetzes ausgesprochen, um so schnellstmöglich vorzeitige Wahlen zu ermöglichen. Wie Tosovsky auf einer Pressekonferenz sagte, erwäge die Regierung jedoch nach wie vor auch die Möglichkeit, das Gesetz über den Verkauf staatlichen Grund und Bodens drei Monate lang im Parlament nicht zu behandeln und somit den Weg frei zu machen für die Ausschreibung neuer Wahlen. Der Nachteil dieser Lösungsvariante sei jedoch die Auflösung des Abgeordnetenhauses noch vor Ende April.
Verteidigunsgminister-Treffen in Warschau
Die Verteidigungsminister Polens, Ungarns und der Tschechischen Republik sind am Vormittag in Warschau zusammengetoffen. Wie der tschechische Verteidigungsminister Michal Lobkowicz bereits im Vorfeld der Gespräche ankündigte, ist eines der Hauptgesprächsthemen der Integrationsprozess der genannten drei Länder in die Nordatlantische Verteidigungsallianz. Verhandelt werden soll darüber hinaus über Mögleichkeiten einer Zusammenarbeit in der Waffenindustrie sowie über die Kooperation mit Ländern des ehemaligen Ostblocks, die bislang noch nicht zu Aufnahmeverhandlungen in die Nato eingeladen wurden. Das Warschauer treffen bedeutet für Michal Lobkovicz den ersten Auslandsauftritt in seiner Eigenschaft als Verteidigunsgminister der Tschechischen Republik.
Sozialdemokraten beraten über Wahlvorbereitungen
Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei CSSD berät heute in Prag über die Wahlkampagne zu den voraussichtlich im Juni stattfindenden vorgezogenen Parlamentswahlen. Zudem sollen bereits Teams zusammengestellt werden, deren Aufgabe es sein wird, Programmvarianten der einzelnen Ministerien für die ersten hundert Tage der künftigen Regeirung zu entwicklen. Dass die Sozialdemokraten an der künftigen Regierungskoalition beteiligt sein werden, gilt allgemein als sehr wahrscheinlich.
ODS - Mitgliederzunahme
Miroslav Macek, der stellvertretetende Vorsitzende der Demokratischen Bürgerpartei ODS, hat am Donnerstag der These widersprochen, dass die ODS nach der innerparteilichen Spendenaffaire im Hinblick auf ihre Mitgliederzahl immer mehr im schrumpfen begriffen sei. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Zwar wechsele eine ganze Reihe von Parteimitgliedern in die neu gegründete Freiheitsunion, doch würden auf der anderen Seite gleichzeitig immer mehr Parteieintritte verzeichnet. Als Beispiel nannte Macek Norböhmen, wo 41 Parteimitglieder ausgetreten, gleichzeitig jedoch 56 neue Mitglieder registriert worden seien. Wie Macek weiter sagte, werde er selbst bei den kommenden Wahlen nicht kandidieren. Seiner Meinung nach sollten für die ODS junge Leute mit unverbrauchten Gesichtern um das Vertrauen der Wähler werben.
Freiheitsunion - Parteiversammlung
Mehrere hundert Menschen fanden sich am Donnerstag auf der ersten gesamtprager Parteiversammlung der Freiheitsunion zusammen. Jan Ruml, der für den Parteivorsitz kandidieren möchte, forderte die Anwesenden auf, in die erst vor 14 Tagen gegründete Freiheitsunion einzutreten, um so die rechte Politik vor den anstehenden Neuwahlen zu stärken. Ivan Pilip sagte, die Freiheitsunion müsse so viele Stimmen erhalten, dass ohne sie eine stabile Regierung nicht möglich sein werde. Mit unverhohlener Anspielung auf Ivan Pilip und andere ehemalige hohe ODS-Funkrionäre gaben kritische Stimmen zu bedenken, dass eine neue Politik mit alten Gesichtern nicht machbar sei. Andere Redner warnten vor einer Wahlkoalition mit der ODA und empfahlen stattdessen, als selbständiges Subjekt in die Wahlen zu gehen.
Zukunfstfonds
Die tschchischen Vertreter im deutsch-tschechischen Zukunftsfonds gehen von einer guten Zusammenarbeit mit ihren deutschen Kollegen - einschliesslich der Sudetendeutschen - aus. So sagte etwa Dagmar Buresova, Mitglied des Verwaltungsrates, in der Tageszeitung Pravo, die wichtigste Aufgabe des Zukunftsfonds sei eine schnelle Finanzhilfe für die tschechischen Holcaust- Opfer. Das vom Präsidenten des bayrischen Regionalparlaments, Johann Böhm, geforderte "Recht auf Heimat" für die Sudetendeutschen sei zwar deplaziert, doch trete Böhm, einer der beiden Sudetendeutschen im Verwaltumngsrat, andererseits für Dialog und schnelle Hilfe für die Holocaust-Opfer ein. Der scheidende deutsche Botschafter in Prag, Anton Rossbach, der dem Verwaltungsrat ebenfalls angehört, sagte gegenüber dem deutschsprachigen Wochenblatt "Prager Zeitung", wenn ein Sudetendeutscher im Verwaltungsrat des Zukunftsfonds sitze, sei dies kein Unglück. Bis auf wenige Ausnahmen sei bis jetzt kein Dialog mit ihnen geführt worden, und ein Dialog - so Rossbach wörtlich - ist ihr grosses Anliegen.
Umfrage
Nach einer Umfrage des Meimungsforschungsinstituts IVVM sind die meisten - d.h. gut 70% - der Bürger dafür, den Kontakt mit den Vereinigungen im Ausland lebender Tschechen zu intensivieren. Andererseits jedoch sind fast genauso viele Bürger dagegen, dass im Ausland lebende Tschechen an den tschechischen Parlamentswahlen teilnehmen dürfen.
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