Reaktionen auf Verschiebung von Schröders Prag-Besuch
Die Verschiebung der Prag-Reise von Bundeskanzler Gerhard Schröder war am Freitag Thema Nr. 1 in allen maßgeblichen Tageszeitungen hierzulande. Über tschechische Reaktionen auf die Absage des für Ende März geplanten Kanzlerbesuchs berichtet im folgenden Beitrag Silja Schultheis.
Die auflagenstärkste tschechische Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" kommentiert die gescheiterte Prag-Reise des Bundeskanzlers wie folgt:
"Wer profitiert eigentlich vom quälenden Ende, das der Reiseplan von Gerhard Schröder nun genommen hat? Der Kanzler nur teilweise. Er weicht mit der Verschiebung erneut den Benes-Dekreten aus."
Weicht der Kanzler tatsächlich den Dekreten aus oder wollte er durch die Verschiebung des Besuchs umgekehrt die tschechische Seite darauf hinweisen, dass sie in dieser Frage erst einmal zu einem eindeutigen Standpunkt gelangen sollte? Das fragten wir den in Berlin und Prag tätigen tschechischen Medienexperten Jaroslav Sonka:
"Es wollten eigentlich alle dieser Problematik ausweichen. Und zwar deswegen, weil sie sie fachlich behandeln, in verschiedene Bereiche aufteilen und die lösbaren Bereiche dann lösen wollten. So wollten sie vorgehen. Das hat Günter Verheugen von der Europäischen Kommission - Schröder ist da nicht sehr involviert gewesen - mehrfach versucht, dass er die Sache immer beiseite geschoben hat, damit sie in einer Position ist, in der sie behandelbar ist. Hingegen hat jetzt Milos Zeman alles wieder zu einem Paket verpackt, in diesem Komplex eben nicht lösbar. Und Vaclav Klaus hat dieses Paket noch genommen und in die Europäische Union geschickt."
Die Zeitung Pravo spricht bezüglich des verschobenen Kanzlerbesuchs von einer vergebenen Chance und führt weiter aus:
"Verpatzt hat das natürlich hauptsächlich Zeman, weil er sich, bevor er den gesprächigen Mund öffnete, nicht die Mühe gemacht hat in Erwägung zu ziehen, welchem Druck der Kanzler zuhause standhalten muss. Der abgesagte Besuch schadet sicherlich beiden, aber insbesondere der dynamischen Entwicklung der Beziehungen zwischen Prag und Berlin. Eine Musterprobe für die unproblematische Nachbarschaft findet nicht statt. Schade um diese Chance."
Welche Auswirkungen hat Schröders vorläufige Absage auf die künftige Entwicklung der tschechisch-deutschen Beziehungen? Hierzu abschließend Jaroslav Sonka:
"Also, man muss auch sagen: Die tschechische Seite ist nicht Milos Zeman und vice versa. Es ist tatsächlich so, dass Milos Zeman jetzt darauf hingewiesen hat, dass er abgebaut werden muss. Aber es ist nicht das ganze Auffassungs-Spektrum, das man in Tschechien findet, enthalten. Und ich glaube, dass auf jeden Fall jetzt einfach normale Meinungen zum Vorschein kommen, dass man sich bewusst macht, dass hier bestimmte Lösungen angestrebt werden. Die Drähte im Außenministerium laufen schon heiß. Wenn der Außenminister nicht so abhängig von seinem Ministerpräsidenten wäre, hätte er jetzt auch schon irgendwann seine abweichende Meinung geäußert, das hat er leider nicht getan."