Wahlkampf: Klaus flirtet mit CSSD
Nicht einmal mehr 50 Tage sind es noch bis zu den mit Spannung erwarteten Abgeordnetenhauswahlen in Tschechien und damit bis zur Bildung einer neuen Regierung. Und das übliche Wahlkampfgeklapper wird folglich immer lauter. Während sich die Parteien mit Veranstaltungen am legendären Berg Rip gegenseitig zu übertreffen versuchen, wartete der ODS-Vorsitzende und Spitzenkandidat Vaclav Klaus am Wochenende mit einem eindeutigen Angebot auf. Olaf Barth berichtet.
Ein wesentliches Merkmal dieses Wahlkampfes ist der Versuch quasi aller Parteien, auf die Karte des tschechischen Nationalismus zu setzen - auf dass der Patriotischste gewinne. Deutlich wird dies u.a. anhand der seit Wochen mit Deutschen, Österreichern, Ungarn und einigen EU-Politikern geführten Auseinandersetzungen um die sog. Benes-Dekrete, wo es parteiübergreifend darum geht, die nationalen Interessen zu verteidigen.
Für jeden guten Nationalisten hierzulande ist es natürlich geradezu eine Pflicht, das Andenken des Begründers allen Tschechentums den sog. "Urvater Cech" zu ehren. Dieser hatte der Sage nach einst auf dem Berg Rip bei Litomerice/ Leitmeritz seinem Gefolge geboten, sich in dem Land zu Fuße dieses Berges anzusiedeln.
Die regierenden Sozialdemokraten veranstalteten bereits vor zwei Wochen eine vielbeachtete Wanderung zu diesem Nationalheiligtum und ihr Parteivorsitzender Vladimir Spidla hatte dort das Wahlprogramm der CSSD verkündet.
Nun dachten sich die Mitglieder der oppositionellen bürgerlich-liberalen Zweierkoalition wohl, sie dürften diesem nationalen Zeichen keinesfalls nachstehen. Sie nutzten am vergangenen Wochenende also die traditionelle Rip-Wallfahrt, um sich in Partei- bzw. Koalitionsuniformen gehüllt unter das Volk zu mischen und ihrem Nationalstolz Ausdruck zu verleihen. Zwar behauptete der ehemalige Viererkoalitionschef Karel Kühnl, man nehme wie jedes Jahr als Privatpersonen und nicht als Wahlkämpfer an dieser traditionellen Volkswanderung teil, musste allerdings gleichsam einräumen, dass es für ihn zufällig seine erste Rip-Wallfahrt war.Der Zufälle noch nicht genug, kreiste dann auch noch ein Flugzeug mit einem riesigen Transparent, auf dem "Vorwärts Koalition" geschrieben stand, über der Menschenmenge.
Als Privatperson und keinesfalls als Agitator, wie er bekräftigte, war auch ODS-Spitzenmann Vaclav Klaus zu den Feierlichkeiten angereist. Kurz zuvor hatte er noch einen gemeinsamen Fernsehauftritt mit dem derzeitigen Premier Milos Zeman beim Privatsender TV Nova. Letzterer nutzte die Gelegenheit, um sich vom Publikum zu verabschieden, denn zum Glück entspreche es der Wahrheit, dass er sich aus der Politik zurückziehe, so Zeman wörtlich.
Klaus erklärte vor verdutzten Journalisten nach dem Polittalk:
"Bei aller Kritik an der sozialdemokratischen Regierung, auch die CSSD ist ein möglicher Koalitionspartner für die Regierungsbildung. Ja, ich denke, es sind noch alle Möglichkeiten gegeben."
Dies ist eine durchaus als historisch einzustufende Aussage. Nach den Wahlen 1998 war eine Koalition dieser Parteien beiderseits kategorisch ausgeschlossen worden - wegen der Unvereinbarkeit der Parteiprogramme, wie es damals hieß. Stattdessen einigte man sich auf den sog. Oppositionsvertrag, in dem die stärkste Oppositionspartei, ODS, die Minderheitsregierung der Sozialdemokraten sozusagen unterstützte.
Der derzeitige CSSD-Vorsitzende und Spitzenkandidat, Vladimir Spidla, hatte allerdings bereits am Samstag nochmals bekräftigt, er werde mit Klaus auf keinen Fall in einer Regierung sitzen.