Die niedrige Wahlbeteiligung 2002

Wählen oder nicht wählen gehen - dies war die zentrale Frage der letzten Parlamentswahl zum tschechischen Abgeordnetenhaus. Ihre Ergebnisse zeichneten sich bekanntlich durch zwei ausschlaggebende Ereignisse aus: die niedrige Wahlbeteiligung und den Anstieg des Stimmenanteils der Kommunisten, womit sie zur zweitstärksten Partei avanciert sind. Von dem Erfolg der Nachfolgepartei der ehemaligen Kommunisten der Tschechoslowakei war bei uns in "Schauplatz" bereits die Rede. Darüber, worauf das erstgenannte Merkmal der diesjährigen Wahlen, und zwar die im Vergleich zu den Parlamentswahlen vor 4 Jahren um 16 Prozent gesunkene Wahlbeteiligung, zurückzuführen ist, unterhält sich in der heutigen Ausgabe dieser Sendereihe Jitka Mladkova mit dem Politologen und freien Mitarbeiter von Radio Prag, Robert Schuster.

Wenn man sich die Entwicklung in Westeuropa ansieht, dann kann man feststellen, dass diese Erscheinung der deutlich gesunkenen Wahlbeteiligung in Tschechien voll im Trend liegt. Gibt es gemeinsame Gründe, die - "hüben wie drüben" - viele Wähler von den Wahlurnen fernhalten, und welche sind spezifisch tschechisch?

Mitte Juni fanden die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Nur einen Monat später ist ein neues Kabinett vorgestellt worden, und nach einem weiteren Monat hat das neugewählte Abgeordnetenhaus mit 101 Stimmen - also mit einer knappen Mehrheit von einer Stimme - der Regierung Vladimir Spidla das Vertrauen ausgesprochen. In dieser Hinsicht ist alles - wie man so schön sagt - wie am Schnürchen gelaufen. Mittlerweile gab es in einigen Kommentaren zu hören, mit dem Sozialdemokraten Spidla und seinem Team - sprich Parteigenossenteam - sei ein neuer Stil in die Politszene gekommen, der auch den Premier selbst überleben werde. Ist Ihrer Meinung nach mit Spidla, der schließlich als Kronprinz seines Vorgängers Milos Zeman in den Chefposten der CSSD erhoben wurde, tatsächlich etwas Neues aufgetaucht, was das Image der Politik/ker aufpolieren könnte?

In diesem Jahr sollen die tschechischen Wähler noch zweimal einen Urnengang absolvieren. Nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus werden im Herbst die Wahlen zur zweiten Parlamentskammer - dem Senat und gleichzeitig auch die Kommunalwahlen stattfinden. In diesem Zusammenhang hat Präsident Vaclav Havel bereits in seiner Neujahrsrede das Jahr 2002 möglicherweise als ein Umbruchsjahr bezeichnet, in dem bei all den Wahlen über grundsätzliche Fragen entschieden werden soll. Bei der Abgeordnetenhauswahl war dies offensichtlich nicht der Fall und bei den verbleibenden zwei Wahlen ist dies kaum zu erwarten. Liegt im Ausbleiben der - sagen wir - "Umbruchsideen" in den letzten Wahlen auch eine der Ursachen für die nachgelassene Lust zu wählen?