Maislinger: Die Gründung des Gedenkdienstes hatte auch mit dem Unbehagen an unserer unvollständigen Darstellung der Geschichte zu tun
Seit zehn Jahren haben junge Österreicherrinnen und Österreicher - unter ihnen vor allem zivildienstpflichtige Männer - die Möglichkeit, den Gedenkdienst an Holocaust- Forschungs- oder Gedenkstätten in verschiedenen Ländern zu leisten. Anlässlich des 10. Jubiläums des Gedenkdienstes fand am Dienstag in der österreichischen Botschaft in Prag ein Treffen mit einigen derzeit in Tschechien arbeitenden Gedenkdienern statt, die entweder in der Gedenkstätte Terezín/Theresienstadt, bei der Theresienstädter Initiative in Prag oder bei der Prager jüdischen Gemeinde arbeiten. Martina Schneibergová bat einen der österreichischen Gedenkdiener ans Mikrofon:
"Ich heiße Thomas Schoiswohl und arbeite jetzt als Gedenkdiener acht Monate im Institut der Theresienstädter Initiative in Prag, habe zuvor Geschichte studiert - in Wien - vier Semester und arbeite in dem Institut an einem Buchprojekt. Ich gebe als semiprofessioneller Lektor und Herausgeber das Jahrbuch des Instituts - die Theresienstädter Studien und Dokumente - heraus. Es erscheint alljährlich auf Tschechisch und Deutsch. Damit bin ich hauptsächlich beschäftigt, nebenbei erledige ich auch noch Korrespondenz auf Englisch und auf Deutsch - für das Institut."
Zu dem feierlichen Treffen in der österreichischen Botschaft wurde auch der Begründer des Gedenkdienstes, Dr. Andreas Maislinger eingeladen. Über die Beweggründe für diese Initiative sagte er gegenüber Radio Prag:
"Ja, ich habe den Gedenkdienst gegründet. Die Idee kam mir, weil ich schon als Student drauf gekommen bin, dass Österreich einerseits Opfer des Nationalsozialismus war, aber dass es auch viele Österreicher gegeben hat, die Täter waren, und die andere Seite unserer Geschichte wenig wahrgenommen wurde. Ich wollte mich aktiv mit diesem Teil der Geschichte auseinandersetzen und habe eine Möglichkeit gesehen, in einem Museum in Auschwitz zu arbeiten - über eine deutsche Organisation- und dann wollte ich das gleiche in Österreich verwirklichen. Es hatte zu tun mit dem Unbehagen an unserer falschen Darstellung der Geschichte oder unvollständigen Darstellung der Geschichte."
Sie wollten den jungen Menschen auch Möglichkeit bieten, sich mit der Geschichte in dem bestimmten Land näher bekannt zu machen?
"Ich wollte den jungen Menschen diese Möglichkeit bieten, was sich ja bestätigt hat - jetzt nach zehn Jahren - das freut mich natürlich sehr. Ich wollte aber auch der Republik Österreich eine Möglichkeit geben, das einzugestehen. Also, dass hier - in der Botschaft in Prag - so eine Veranstaltung stattfindet, war vor zehn, fünfzehn Jahren kaum denkbar, weil man sich einfach nur einseitig dargestellt hat. Es hat also mit dem Land zu tun, und es hat mit den jungen Leuten zu tun... Ich möchte schon sagen, es wäre gut, wenn es ähnliche Initiativen auch in anderen Ländern gäbe, weil eines ist klar, kaum jemand - kaum ein Volk ist nur Opfer, die meisten Völkern sind in verschiedenen Phasen ihrer Geschichte einmal Täter und einmal Opfer - fast alle Völker."
Mehr über dieses Thema bringen wir in einer Woche - im Rahmen der Sendereihe "Begegnungen".