Nach dem großen Wasser kommen nun die großen Steuern
Nach langen und schwierigen Beratungen hat die tschechische Regierung ihre Vorstellung präsentiert, wie sie die Folgen des Hochwassers in Tschechien bewältigen will. Das Ergebnis ist, dass nun die Tschechen die größte Steuererhöhung seit 1989 erwartet. Mehr darüber erfahren Sie im folgenden Schauplatz von Silja Schultheis und Robert Schuster.
Als die tschechische Regierung am Sonntag vor einer Woche zu einer Sondersitzung zusammenkam, um über die Finanzierung der Folgen des Jahrhundert-Hochwassers zu beraten, das Mitte August weite Teile Tschechiens heimsuchte, waren die Details über die geplanten Maßnahmen bereits bekannt. Das Kabinett von Vladimír Spidla setzt ganz auf die Erhöhung von Steuern und anderen Abgaben mit dem Ziel, zusätzliche 20 Milliarden Kronen (umgerechnet 680 Millionen Euro) in die Staatskasse zu bekommen. Obwohl nach den Vorstellungen der Regierung alle Bürger des Landes ihren Beitrag zum Wiederaufbau der vom Hochwasser betroffenen Regionen leisten sollen, wurde von den Medien vor allem darauf hingewiesen, dass jene Tschechen zur Kasse gebeten werden sollen, deren Jahres-Einkommen die magische 1-Millionen-Kronen-Grenze überschreitet. Da es sich laut Schätzungen des Finanzministeriums um ca. 10 000 Bürger handelt, wird seither an den tschechischen Stammtischen von der "Steuer für die oberen 10 000", bzw. von einer "Millionärs-Steuer" gesprochen.
Eine haushaltspolitische Notwendigkeit, oder ein geschickter Schachzug der Regierung, um die breiten Bevölkerungsschichten von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich finanziell zu beteiligen? Das fragte Radio Prag den Wirtschaftforscher Jirí Schwarz, der zugleich Präsident des Prager Liberalen Instituts ist:
Jirí Schwarz hat es bereits angedeutet: Das zusätzliche Geld von Tschechiens Millionären allein kann nicht die notwendigen Mittel für den Wiederaufbau beisteuern. Deshalb wird die Regierung auch die Verbrauchssteuern auf Tabak, Alkohol und Benzin kräftig erhöhen, ebenso auch die Mehrwertsteuer. Somit ist also im nächsten Jahr mit einem Preisanstieg bei den Lebensmitteln und den meisten Dienstleistungen zu rechnen. Ein Umstand, gegen den nicht nur die Opposition zu Felde zieht, sondern den auch viele unabhängige Ökonomen kritisieren. Jirí Schwarz bringt das Bedenken vieler seiner Kollegen auf den Punkt, wenn er meint:
Schwarz bedauert, dass von Seiten der Regierung bisher nicht alle möglichen Auswirkungen der geplanten Steuererhöhung, öffentlich deklariert wurden. Letztlich werden sich nämlich seiner Meinung nach die gestiegenen Preise auch in den Produktionskosten vor allem von kleinen und mittleren Firmen niederschlagen. Für die vor einem Jahr begonnene Konjunktur sei dies also keine gedeihliche Maßnahme, fügt er hinzu:
Die Richtigkeit genau dieser Vorschläge, die übrigens auch von der Opposition in die Debatte eingebracht wurden, bezweifelt aber das Mitte-Links-Kabinett von Vladimir Spidla. Der Regierungschef hat sich eigentlich schon relativ früh festgelegt, in dem er unmittelbar nach dem Ende der Jahrhundertflut ausgeschlossen hatte, dass die Regierung, ähnlich wie etwa eine ihrer Vorgängerrinnen in einer vergleichbaren Situation im Jahr 1997, spezielle Staatsanleihen herausgeben könnte. Das würde nämlich die bereits jetzt beträchtliche Staatsverschuldung noch mehr in die Höhe treiben. Die Privatisierungserlöse sollen hingegen gemäß den Vorstellungen Spidlas in Investitionen in die Infrastruktur fließen.
Insgesamt werden also die Tschechen bereits im nächsten Jahr rund 9 Milliarden Kronen (umgerechnet 310 Millionen Euro) mehr an Steuern abführen müssen, als in diesem Jahr. Das kommt für tschechische Verhältnisse fast schon einer Revolution gleich, denn selbst nach 1989, als im Zuge des Übergangs von der Plan- zur Marktwirtschaft auch ein neues Steuersystem eingeführt wurde, kam es in Puncto Steuerbelastung nicht zu vergleichbaren Verschiebungen.
Ist aber diese für tschechische Verhältnisse radikale Erhöhung der Steuern nicht im Grunde genommen eine verdeckte Steuerreform? Denn letztlich hätte ja die Regierung im Zusammenhang mit dem angestrebten EU-Beitritt Tschechiens früher oder später sowieso insbesondere die Mehrwertsteuer dem EU-Niveau angleichen müssen. Wirtschaftsforscher Schwarz vom Liberalen Institut meint dazu im folgenden:
Das Kabinett von Vladimír Spidla hat sich jedoch bei seiner Entscheidung für die Erhöhung der Steuern nicht leicht getan. Da es sich um eine Koalitionsregierung handelt, die aus drei Parteien besteht, waren im Vorfeld der Entscheidung die Konflikte schon vorprogrammiert. Insbesondere zwischen Spidlas Sozialdemokraten und der liberalen Freiheitsunion gab es starke, natürlich hauptsächlich in der Öffentlichkeit ausgetragene Meinungsverschiedenheiten. Die Liberalen, die nämlich ihren Anhängern vor den Wahlen im Gegenteil niedrigere Steuern versprachen, stellten sich gegen den Willen der stärksten Regierungsfraktion. Ein Kompromiss innerhalb der Regierung wurde erst möglich, als vereinbart wurde, dass die s.g. "Millionär-Steuer" auf einen Zeitraum von lediglich drei Jahren beschränkt wird. Wie wahrscheinlich ist es aber, dass Spidlas Regierung dieses Versprechen tatsächlich einhalten wird? Jirí Schwarz vom Liberalen Institut kann in diesem Zusammenhang seine Skepsis nur schwer verbergen und zwar aus einem wichtigen Grund, wie er abschließend im Gespräch mit Radio Prag erläutert:
Verehrte Hörerinnen und Hörer, damit sind wie wieder einmal am Ende unserer heutigen Schauplatz-Sendung angelangt. Vom Prager Mikrophon verabschieden sich von Ihnen recht herzlich Silja Schultheis und Robert Schuster.