Der erste Regierungsstreit und die Nervosität vor den Kommunalwahlen
Vergangene Woche hat es in der Regierung erstmals richtig gekracht. Premier Petr Nečas und Finanzminister Miroslav Kalousek stritten über die Frage, ob wegen des Hochwassers in Nordböhmen die Steuern erhöht werden sollen. Dass gerade diese zwei Politiker aneinander geraten sind, ist jedoch kein Zufall. Vieles deutet darauf hin, dass beide in Wahrheit für sich und ihre Parteien um die Vormachtstellung im tschechischen bürgerlichen Lager kämpfen.
Innerhalb der Koalition haben bislang auffallend oft Vertreter der rechtsliberalen Bürgerdemokraten und der neuen TOP 09 rhetorisch ihre Klingen gekreuzt.
Ist das nur ein Geplänkel vor den als wichtig angesehenen Kommunalwahlen im Herbst, oder sind die Unterschiede zwischen beiden bürgerlichen Parteien letzten Endes tiefgreifender und vielleicht sogar ideologischen Ursprungs? Dazu der Journalist Petr Holub vom Nachrichtenserver Aktuálně.cz:
„Ich denke, dass es in erster Linie wirklich um die bevorstehenden Wahlen geht. Beide Parteien versuchen sich gegeneinander zu profilieren. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der eigentliche Hauptgegner der Bürgerdemokraten nicht die Linke sein wird, sondern die bürgerliche TOP 09. Zudem ist das natürlich auch ein Zweikampf zweier starker Persönlichkeiten innerhalb der Regierung, wobei noch nicht entschieden ist, wer da die Oberhand haben wird. Die Rede ist von Premier Petr Nečas und von Finanzminister Miroslav Kalousek. Unter Umständen ließe sich auch eine ideologische Komponente feststellen, denn Kalousek profiliert sich in letzter Zeit als Marktliberaler, der vielleicht noch rechts von Margaret Thatcher steht. Der Vergleich mit der früheren britischen Premierministerin ist insofern möglich, weil auch Kalousek eine Art Kopf-Steuer in Höhe von 100 Kronen einführen will, um die Folgen des Hochwassers zu bewältigen. Dagegen vertritt Nečas eher eine Politik vertreten, die der deutschen CDU näher liegt - und er versucht seine ODS als Volkspartei zu positionieren. Aber ich denke, dass die Regierung immer noch an ihrer künftigen Politik feilt und die eigentlichen Konflikte noch bevorstehen.“
Zu Konflikten zwischen beiden Politikern kam es laut Petr Holub schon in der früheren Regierung unter Premier Mirek Topolánek. Dort war Kalousek ebenfalls Finanzminister und Nečas Arbeits- und Sozialminister. Während Kalousek schon damals viel stärker im Sozialbereich und bei den Sozialleistungen kürzen wollte, drückte Nečas bei vielem auf die Bremse und konnte sich damals durchsetzen. Es ist daher kein Zufall, dass sich ausgerechnet diese beiden Politiker jüngst eine öffentliche Auseinandersetzung geliefert haben, wie Petr Holub im Folgenden erläutert:„Dahinter steckt auch eine ausgeklügelte Strategie. Bisher ist es nämlich noch keiner Partei gelungen, der ODS viele Wähler abspenstig zu machen, indem sie selbst auch in der politischen Mitte positioniert hat. Kalousek hat stattdessen die Rolle des einzigen wahren Konservativen übernommen, der vor allem die Interessen von Unternehmern wahren will. Damit konnte er überraschend stark in die Wählerschaft der Bürgerdemokraten vordringen.“
Blickt man in die jüngere tschechische Geschichte zurück, dann sieht man, dass schon einmal eine Regierung mit ihren kühnen Plänen für eine Sanierung der Staatsfinanzen an den Folgen des Hochwassers gescheitert ist. Das war im Jahr 2002: Die damalige sozialdemokratisch geführte Regierung unter Vladimír Špidla musste buchstäblich den Auswirkungen der Jahrtausendflut nachgeben. Der Versuch der Regierung, den Haushalt zu konsolidieren, war für lange Zeit der letzte seiner Art. Kann also dem jetzigen Kabinett von Petr Nečas und seinem ambitionierten Sparprogramm Ähnliches widerfahren? Dazu meint Petr Holub von der Internetzeitung aktualne.cz:„Die heutige Regierung sollte aus den damaligen Erfahrungen zumindest eine wichtige Lehre ziehen. Das Kabinett von Vladimír Špidla hat damals, vor acht Jahren, den Fehler gemacht, dass es die öffentlichen Haushalte sanieren, gleichzeitig aber auch Geld für die Behebung der damaligen Hochwasserschäden erhalten wollte. Špidla und seine Leute haben diese beiden Fragen miteinander verknüpft. Letztlich gelang weder das Eine, noch das Andere. Ich habe das Gefühl, dass Petr Nečas diese Situation noch gut in Erinnerung hat und keine dramatischen Veränderungen im Steuersystem mit dem Hinweis auf die Folgen des Hochwassers plant und somit die Situation nicht missbrauchen will.“ Was sagt das über die Atmosphäre innerhalb der Koalition aus, wenn der Regierungschef und sein wichtigster Minister sich gegenseitig und über die Medien ihre Standpunkte mitteilen? Dazu noch einmal Petr Nováček von den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:„Dass die Koalition bereits so stark öffentlich streitet, ist viel zu früh geschehen. Dabei wurden ja im Koalitionsvertrag Mechanismen vereinbart, die gerade so etwas verhindern sollten. Ich erinnere mich, wie in den 90er Jahren, während der ersten Regierung von Vaclav Klaus, erst nach zwei Jahren die ersten inneren Konflikte in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Damals hieß es in diesem Zusammenhang, dass sich das Regierungsbündnis in einer ernsten Krise befinden würde. Die jetzige Regierung ist im Vergleich dazu nur sehr kurze Zeit im Amt. Ich weiß nicht, was folgt, wenn die Regierung erst einmal wirklich unpopuläre Beschlüsse fassen wird. Die einzige Hoffnung ist, dass sich die Lage nach den bevorstehenden Kommunalwahlen und den Teilerneuerungswahlen zum Senat entspannt. Denn jetzt ist für die Parteien viel im Spiel und zwar insbesondere für die Bürgerdemokraten.“