Regierungspartei Top 09: Kein Koalitionsvertrag ohne Beitritt zum EU-Fiskalpakt

Foto: Europäische Kommission

Die Koalition von Petr Nečas steckt wieder in einer Krise. Zwar überstand sie Anfang Januar ein Misstrauensvotum, im Getriebe der Regierung knirscht es aber noch immer. Die drei Parteien ODS, Top 09 und Lidem wollten ihre Streitigkeiten eigentlich beilegen und ihre Einigkeit mit einem neuen Koalitionsvertrag besiegeln. Doch die Parteiführung der Top 09 hat nun erklärt, dass Tschechien noch dieses Jahr dem europäischen Fiskalpakt beitreten solle, andernfalls würde sie den Koalitionsvertrag nicht unterschreiben.

Foto: Europäische Kommission
Der europäische Fiskalpakt ist ein Vertrag, der die Grundlage für eine gemeinsame Finanzpolitik der EU legt. Es handelt sich um strenge Obergrenzen für die Staatsverschuldung und um automatische Sanktionen, sollten diese Grenzen nicht eingehalten werden. Am 9. Dezember 2011 unterzeichneten alle EU-Staaten diesen Pakt, außer Großbritannien und Tschechien. Premier Petr Nečas hatte erklärt, sein Land sei durchaus bereit, diesem Pakt beizutreten, aber erst wenn Tschechien den Euro einführe. Die Partei Top 09 unter ihrem Vorsitzenden Karel Schwarzenberg dagegen wollte dem Pakt sofort beitreten, um in Europa nicht ins Abseits zu geraten. Zudem hatte Finanzminister und Top-09-Vize Miroslav Kalousek erklärt, dass sich die Ziele des Fiskalpaktes und der tschechischen Haushaltspolitik decken würden. In der Koalition konnte die Top 09 sich aber nicht durchsetzen.

Miroslav Kalousek  (Foto: ČTK)
Derzeit wird in Prag über einen neuen Koalitionsvertrag verhandelt – und Finanzminister Kalousek will nun noch 2013 einen Beitritt zum Fiskalpakt durchsetzen.

„Wenn wir den Koalitionsvertrag unterschreiben sollen, dann wollen wir etwas unterschreiben, das unsere Prioritäten enthält. Eine davon ist eine pro-europäische Außenpolitik, in deren Rahmen wir uns dem Pakt anschließen wollen. Wenn dieser Bedingung nicht Folge geleistet wird, weil die Regierungspartner das ablehnen, dann unterschreiben wir den Vertrag nicht.“

Premier Nečas blieb bei seiner Position, über einen Beitritt zum Fiskalpakt solle erst entschieden werden, wenn der Euro eingeführt werde. Der erste stellvertretende Parteivorsitzende der Bürgerdemokraten, Industrieminister Martin Kuba, griff Kalousek konkret an:

Petr Nečas und Martin Kuba  (Foto: ČTK)
„Ich denke, Miroslav Kalousek will jetzt das gute Ergebnis von Karel Schwarzenberg bei der Präsidentenwahl ausnutzen, um politisch für die Top 09 das Maximum herauszuholen. Noch viel mehr scheint mir dies aber ein Vorwand zu sein, um durch einen Streit in der Regierung vorzeitige Neuwahlen zu provozieren.“

Diesen Vorwurf wies der Finanzminister jedoch zurück:

„Ich kann mich an einige Koalitionsregierungen in meiner langen politischen Karriere erinnern, die ohne Koalitionsvertrag regiert haben.“

Also nur ein Sturm im Wasserglas? Die Opposition jedenfalls scheint die Manöver der Regierung nicht mehr ernst zu nehmen. Jiří Dienstbier, Vizeparteichef der Sozialdemokraten, Senator und Justizexperte, hält einen Beitritt Tschechiens zum EU-Fiskalpakt für wichtig. Zur Debatte in der Koalition sagte er:

Jiří Dienstbier  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Ich kann wirklich nicht beurteilen, wie ernst die Auseinandersetzung in der Regierung ist. Man kann fast jede Woche eine neue Krise dieser Regierung verfolgen, sie überlebt alles und macht einfach weiter. Die Koalition will bis zur nächsten regulären Wahl durchregieren.“

Den neuen Streit soll nun ein Treffen der Koalitionsspitzen am Donnerstag lösen. Dann wird sich zeigen, ob die Partei Top 09 tatsächlich Neuwahlen provozieren will oder lediglich ihr durch die Präsidentenwahl gestiegenes Selbstbewusstsein hervorheben möchte.