Sportreport

Ahoi und herzlich willkommen zum Sportreport von Radio Prag. Am Mikrofon begrüßen Sie Dagmar Keberlová und Lothar Martin.

In der ersten Runde des laufenden UEFA-Cups landete der tschechische Clubfußball einen 100-prozentigen Erfolg. Alle vier gestarteten Vertreter kamen eine Runde weiter. Von Meister Slovan Liberec und Vizemeister Sparta Prag war dies zweifellos erwartet worden, zumal beide Teams zuvor nur knapp in der Qualifikation zur Champions League gescheitert waren. Von Pokalsieger Slavia Prag, der auf die belgische Mannschaft von Excelsior Mouscron getroffen war, hatte man sich das zumindest erhofft. Doch der Erfolg der Nobodys von Viktoria Zizkov über den ehemaligen Europacupsieger Glasgow Rangers war eine riesige Sensation. Insbesondere deshalb, wenn man weiß, dass der Verein aus dem gleichnamigen dritten Prager Stadtbezirk mit einem Jahresbudget von lediglich 60 Millionen Kronen (ca. zwei Millionen Euro) haushalten muss - eine Summe, die beim schottischen Kontrahenten womöglich das Jahressalär eines einzigen Spielers ausmacht. Deshalb liegt die Frage nahe: Unter welchen wirtschaftlichen Voraussetzungen nehmen die Clubs der obersten tschechischen Liga eigentlich das Kräftemessen mit den Vereinen der führenden Fußballnationen in Europa auf? Eine Frage, der wir in den nächsten Minuten einmal nachgehen wollen. Also, bleiben Sie dran!

Wenn wir die wirtschaftlichen Verhältnisse des tschechischen Clubfußballs unter Lupe nehmen, dann müssen wir zunächst in das Wendejahr 1989 und die unmittelbar darauffolgenden Jahre zurückblicken. Denn das war die Zeit, in der die zuvor staatlich oder von regionalen Kombinaten unterstützten Spitzenclubs die Finanzierung in ihre eigenen Hände nehmen mussten. Bei dieser Transformation habe der Fußball eine ähnliche Entwicklung genommen wie Politik und Wirtschaft hierzulande, versicherte mir der Journalist und Fußballexperte der auflagenstärksten tschechischen Tageszeitung "Mladá fronta Dnes", Tomás Nohejl, in dem Gespräch, das wir zum Thema führten. Nohejl zufolge war der Fußball hierzulande seiner Zeit sogar etwas voraus, denn: "Der Fußball war immer etwas marktorientierter als die normale politische Führung bei uns. Weil die Leute aus der Fußballszene verstanden ihr Geschäft, verstanden Sponsoren aufzutreiben, was sich darin äußerte, dass die Clubs alsbald nach dem November 1989 starke Sponsoren und Firmen gewannen, die den clubinternen Betrieb unterstützten".

Einschränkend fügte Nohejl jedoch sofort an: "Leider haben sich selbstverständlich auch negative Einflüsse gezeigt. Da gab es zum Beispiel eine Reihe von Unternehmern des so genannten ´Wilden Ostens´, die im Fußballgeschäft ihr schmutziges Geld gewaschen oder das Geld auf verschiedenste Weise aufgetrieben haben. Das wird belegt durch die Tatsache, dass keiner von ihnen heute noch im Fußball anzutreffen bzw. eine Reihe von ihnen hinter Gittern gelandet ist."

Die wohl bekanntesten Beispiele aus dieser unrühmlichen Galerie sind der ehemalige Präsident des Böhmisch-Mährischen Fußballverbandes (CMFS) Frantisek Chvalovský und der Unternehmer Jan Gottwald, mit Hilfe deren illegaler Geschäfte sogar Dorfclubs wie Chmel Blsany und Petra Drnovice den Sprung in die 1. Tschechische Liga geschafft hatten. Drnovice ereilte in der vergangenen Saison der totale wirtschaftliche Zusammenbruch. Daher musste der auch sportlich gestrandete Verein gleich bis in die 3. Liga absteigen, wo er nun einen Neuanfang gestartet hat. Blsany konnte sich durch das rechtzeitige Engagement einer Bürgervereinigung wieder stabilisieren und spielt weiterhin in der 1. Liga.

Inzwischen hat sich das Feld bereinigt, die oft zwielichtigen Mäzene und finanziellen Alleinunterhalter an der Spitze der Fußballclubs gehören so gut wie der Vergangenheit an. Wie aber werden die 16 tschechischen Erstligavereine der Gegenwart finanziert? Dazu äußerte Tomás Nohejl: "Die 16 Erstligavereine der zurückliegenden Saison kann man in drei Gruppen unterteilen: in sechs Fällen waren und sind sie im Besitz von starken Firmen, wie zum Beispiel der FK Teplice, der dem belgischen Glashersteller Glaverbel und dieser wiederum zum japanischen Asahi-Konzern gehört. Vier Mannschaften werden von Gruppierungen und Vereinigungen aus dem regionalen Umfeld verwaltet und bewirtschaftet und sechs Teams befinden sich in privater Hand."

Am erfolg- und perspektivreichsten, so Nohejl, hat sich die Unterstützung durch starke Generalpartner erwiesen, wo der Club Bestandteil der Firma ist. Der wirtschaftlich am besten und sportlich am erfolgreichsten agierende Verein in Tschechien ist der Rekordmeister des Landes, der AC Sparta Prag, der mit einem Jahresetat von 300 Millionen Kronen (ca. 10 Millionen Euro) operiert. Nohejl nennt die Gründe für die relative Wirtschaftskraft des Renommierclubs: "Bei Sparta läuft es insbesondere deshalb, weil der Club schon eine dominante Position in der tschechischen Fußballszene und damit auch auf dem hiesigen Markt inne hat. Das ist dem Verein auch dadurch gelungen, weil er sich fast regelmäßig für die Champions League qualifiziert, aus der man bekanntlich hohe Einnahmen beziehen kann. Hohe Einnahmen verzeichnet Sparta des weiteren durch den Verkauf von Spielern ins Ausland, die sich gerade über die Champions League für finanzstarke europäische Vereine empfohlen haben. Der derzeitige Eigner von Sparta Prag ist der Deutsche Axel Diekmann, der zugleich Besitzer des Verlages Neue Passauer Presse ist. Diekmann greift jedoch in das Tagesgeschäft des Clubs so gut wie nicht ein. Das überlässt er seinen tschechischen Partnern, den Leuten des hiesigen Vltava-Labe-Press-Verlages."

Bei einer Einschätzung der Wirtschaftlichkeit des tschechischen Clubfußballs kommt Nohejl zu diesem Ergebnis: "Also, wenn ich wieder auf die 16 Erstligaclubs zurückgreife, dann ist Sparta Prag ohne Probleme finanziell abgesichert. Sehr gut sieht es ebenfalls in Teplice, Liberec und dank seines Namens und seiner Tradition auch beim SK Slavia Prag aus. Ein langjährig gut funktionierender Club ist zudem Sigma Olomouc. Auf der anderen Seite, die Vereine mit den größten finanziellen Problemen sind Bohemians Prag und der 1. FC Brno. Alle anderen Clubs wirtschaften nach dem Prinzip: Das, was sie einnehmen und sich leisten können, das investieren sie auch."

Zu rund 80 Prozent wird der tschechische Clubfußball durch die Sponsoren bzw. Geschäftspartner der Clubs, durch städtische Zuschüsse und eventuelle Spielerverkäufe finanziert. Einen weit geringeren Anteil als im westlichen Ausland besitzen die Fernseh- und Zuschauereinnahmen. Ein Durchschnittsverein erhält pro Saison nur ca. 2 Millionen Kronen aus dem Fernsehtopf, hat aber einen Jahresetat von 30 bis 50 Millionen Kronen. Und sportlich? Wo rangieren sich die tschechischen Kicker derzeit im europäischen Vergleich ein? Dazu sagte mir Journalistenkollege Tomás Nohejl abschließend:

"Also, die tschechische Liga rangiert auf dem 18. Platz der europäischen Rangliste. Ich würde sagen, dieser Platz entspricht der Realität. Wenn man sich aber vergegenwärtigt, dass die 50 besten tschechischen Kicker im Ausland spielen, dann sind das ganze vier Mannschaften, die zu Hause fehlen und die das Niveau der einheimischen Liga quasi um 25 Prozent anheben würden. Vom Spielerischen her sieht man auch hierzulande gute Begegnungen, im Vergleich zur Bundesliga etwa fehlen dem tschechischen Clubfußball allerdings die Zuschauer und das ganze Drumherum bei der Präsentation der Sportart Nr. 1".

Gut repräsentieren wollen die vier tschechischen UEFA-Cup-Vertreter den hiesigen Clubfußball auch in der zweiten Runde des laufenden Wettbewerbs. Mit Betis Sevilla, Ipswich Town, Partizan Belgrad und dem türkischen Verein Denizlispor müssen sie sich allerdings mit zum Teil starken und unangenehmen, andererseits aber auch bezwingbaren Kontrahenten auseinander setzen. Wie sie sich aus der Affäre ziehen werden, wird man bei den Hinspielen am 29. bzw. 31. Oktober und bei den Rückspielen am 14. November sehen.