Automobilmuseum Tatra Koprivnice

Tatra 57a

In 57 Länder der Welt wurden einmal die Wagen exportiert, die in einer kleinen Stadt Nordmährens das Licht der Welt erblickten. Mit Ausnahme der Antarktis durchkreuzten sie alle Kontinente der Erdkugel. Die Stadt, aus der sie stammen, heißt Koprivnice (Nesselsdorf), und die Wagen tragen die Bezeichnung "Tatra". Vieles über die Geschichte der Wagenherstellung erfährt man im Tatra-Museum in Koprivnice, zu dessen Besuch Sie Markéta Maurová und Lothar Martin in der heutigen Touristensprechstunde einladen.

Wir würden von Koprivnice heute kaum erzählen, hätte nicht im 19. Jahrhundert die Industrialisierung dieses nordmährische Dorf ergriffen. Einen Umbruch in der Geschichte von Koprivnice bedeutete die Gründung einer Steingut- und Tonwarenfabrik im Jahre 1812. Die Industrialisierung wurde jedoch nicht nur durch dieses, im Laufe der Zeit sehr erfolgreiche Unternehmen repräsentiert, sondern vor allem durch die sog. "untere" Fabrik. Deren Begründer war Ignaz Schustala. Er absolvierte seine Lehrzeit in Wien, und um das Jahr 1850 eröffnete er eine Werkstatt, in der er mit zwei Hilfsarbeitern die ersten Kutschenwagen baute. Die hohe Nachfrage nach seinen Erzeugnissen veranlasste ihn, eine Kutschenfabrik zu gründen. Daraus entwickelte sich ein Riesenunternehmen, das nicht nur Kutschen, sondern später auch Eisenbahnwaggons, Automobile, LKWs und Flugzeuge produzierte. Mit der Entwicklung der Fabrik ging auch die Entwicklung der Gemeinde Hand in Hand, die 1910 zur Stadt erhoben wurde.

Das Tatra-Museum in Koprivnice macht seine Besucher gründlich mit der Geschichte des Automobilunternehmens bekannt. Mehr erfahren Sie von einem Mitarbeiter dieses Museums, Karel Rosenkranz:

"Die Wurzeln des heutigen Tatra-Museums gehenauf das Jahr 1947 zuück. Herr Emil Hanzelka, gebürtig in Koprivnice, hat damals das Lachische Museum gegründet, das der Lachei-Region gewidmet war. Erst nachdem der ehemalige hervorragende Tatra-Rennfahrer Josef Vernisovsky hierher kam, begann man Automobile zu sammeln. Im Jahre 1967 übernahm das Tatra-Unternehmen dieses Museum dann in seinen Besitz. Und seit 1. Januar 1968 ist es Tatra-Betriebsmuseum.

Die Ausstellungen wurden schrittweise erweitert, bis es dazu kam, dass das Museum übervoll war. Es lag daher auf der Hand, dass etwas Neues entstehen musste. Und wenn etwas Neues, dann auch etwas Moderneres. 1997 wurde der Bau dieses neuen Museums vollendet, das auf der Grundlage moderner Museumstraditionen und -trends aufgebaut wurde. Es gibt hier sieben audiovisuelle Boxen, die einen Überblick über das bieten, was im Tatra-Betrieb in den vergangenen über 100 Jahren geschehen ist. Dies bezieht sich auf die Automobilherstellung, es wird aber auch die Produktion von Kutschen und Eisenbahnwagen erwähnt. Die Programme stehen auf Tschechisch, Englisch und Deutsch zur Verfügung."

Keine Angst also, dass Sie im Museum auf sprachliche Hindernisse stoßen könnten! Die Ausstellung dokumentiert fünf Etappen der Entwicklung der Automobilfabrik. Die Replik des ersten dortigen Automobils "Präsident" ist einer der 52 ausgestellten Personen-, Sport- und Lastkraftwagen. Das Original dieses Unikums findet man in der Sammlung des Nationalen Technischen Museums in Prag. Der "Präsident" wurde 1897 in Koprivnice hergestellt. Es handelte sich um das erste Automobil nicht nur in den tschechischen Ländern, sondern im ganzen ehemaligen Österreich-Ungarn. Der Wagen konnte eine Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern erreichen, hatte zwei Geschwindigkeitsstufen und keinen Rücklauf. Kurz darauf kam auch der erste Rennwagen, der im Auftrag von Baron Liebig hergestellt wurde.


1921 wurde im Tatra-Unternehmen eine neue Idee geboren. Ein Team von Konstrukteuren arbeitete zwei Jahre lang am Projekt eines leichten Volksautomobils mit einer langen Lebensdauer. Das Ergebnis dieser Bemühung war der Tatra 11. Das anfängliche Misstrauen der Kunden wurde bald durch zahlreiche Sporterfolge überwunden, bei denen besonders die Autorennfahrer Vermirovsky, Huckel und Sponer triumphierten.

"Ein Umbruchsjahr war das Jahr 1923, als das erste Automobil, das mit einem zentralen Tragrohr, mit einem luftgekühlten Motor vorne, und mit Schwingungshalbachsen ohne Gelenke hinten ausgestattet war, produziert wurde. Sein geistiger Vater war Hans Ledwinka, und dieses Konzept ging als das Tatra-Konzept des Autobaus in die Automobilgeschichte ein. Auf diese Konzeption stützt sich bis heute der Bau der schwersten Lastkraftwagen Tatra. Natürlich wurde sie inzwischen weiter entwickelt und modernisiert."

Unter strenger Geheimhaltung wurde in Koprivnice in den 30er Jahren ein neuer PKW-Typ entwickelt. Im Herbst 1934 wurde dann auf dem Autosalon in Paris der Tatra 77 vorgestellt. Vertreter der Expertenöffentlichkeit konnten den technischen Angaben kaum glauben, die behaupteten, dass der Wagen mit einer 60-PS-Leistung eine Geschwindigkeit von 150 Stundenkilometern erreichen kann. Das Automobil schaffte das tatsächlich, und zwar vor allem dank seiner aerodynamischen Form.


In der Zwischenkriegszeit, von der gerade die Rede war, trugen die Wagen bereits die Bezeichnung Tatra. Früher war dies jedoch nicht der Fall:

"Der ursprüngliche Name dieser Fabrik war deutsch, weil man hier früher deutsch sprach. Koprivnice hieß damals Nesselsdorf. Sei es die Firma Schustala, die nach dem Gründer der Fabrik benannt wurde, oder später die Nesselsdorfer Wagenbau-Fabrik-Gesellschaft. Die ersten Wagen aus Koprivnice trugen die Bezeichnung NW Nesselsdorf. Erst im Jahre 1919 probierte Tatra seine Sechszylinderfahrzeuge aus und diese Wagen wurden in der Hohen Tatra getestet. Die Tests waren sehr erfolgreich: Die Fahrer kamen damals, es war im Winter, im Januar, in Orte, wo man noch nie ein Auto gesehen hat. Sie kehrten daher angeblich mit der Idee zurück, dass es gut wäre, dieses Erzeugnis nach dem hohen Gebirge, nach der Tatra zu benennen. Das ist aber ein Märchen, das überliefert wird, in der Tat gilt folgendes: Nach dem Ersten Weltkrieg, als die Tschechoslowakische Republik entstand, änderten zahlreiche Fabriken und Unternehmen ihre Bezeichnung und erhielten tschechische Namen. So kam es dazu, dass die Autos aus Koprivnice, die ersten Vier-Tonnen-LKWs, bereits im Jahre 1919 den Namen Tatra auf der Tür stehen hatten. Und dann, 1923, erschien dies als das offizielle Unternehmenszeichen."


Für einen breiten Ruhm der Marke "Tatra" sorgten besonders zwei Weltreisende und Publizisten, Jiri Hanzelka und Miroslav Zikmund. 1947-50 unternahmen sie mit dem Wagen Tatra 87, einem direkten Nachfolger des bereits erwähnten Tatra 77, eine Studienreise nach Afrika, Süd- und Lateinamerika. In den Jahren 1959 - 1964 reisten sie dann mit zwei Wagen der Marke Tatra 805 durch Europa, Asien und Ozeanien. Über ihre Reisen berichteten sie in regelmäßigen Rundfunk- und Zeitschriftenreprotagen und verfassten mehrere Bücher, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. "Mittelamerika. Zwischen zwei Ozeanen", "Südamerika. Zwischen Parana und Rio de la Plata.", "Afrika. Traum und Wirklichkeit" sind einige davon. Ihre Erlebnisse fassten sie auch in vier abendfüllenden sowie 147 Kurz- und Fernsehfilmen zusammen, sie erzählten darüber im Rahmen von etwa 2000 Vorlesungen, Diskussionen und diversen Treffen. Diese beiden Reisenden wurden natürlich in der Ausstellung im Koprivnicer Museum nicht vergessen.

"Das hier sind die zwei Wagen, mit denen Zikmund und Hanzelka ihre zweite Reise im Jahre 1957 unternahmen. Es sind Fahrzeuge vom Typ 805, deren Bau damals vollendet wurde. Das eine, das silberne mit dem blauen Dekor wurde als totales Wrack vom Dakar-Rennfahrer Karel Loprais irgendwo entdeckt. Dieser Mann fährt heute die Dakar-Ralley, daneben sammelt er aber auch alte Tatra-Wagen und restauriert sie. Er hat also einen der 805er-Wagen in diesen schönen Zustand gebracht. Der zweite Wagen steht hier daneben und gehört dem Museum. Sie unterscheiden sich nur im Dekor, der eine ist blau, der andere ist rot."

Und noch ein Ausstellungsstück hat uns Karel Rosenkranz gezeigt. Nicht nur Zikmund und Hanzelka, sondern auch der Rennfahrer Karel Loprais hat durch seine Abenteuer in den Wüsten Afrikas den Namen "Tatra" berühmt gemacht:

"Der letzte LKW in dieser Ausstellung ist der Wagen 815, mit dem Karel Loprais im Jahre 1988 zum ersten Mal in der bekannten Rallye Paris-Dakar siegte. Dies gelang ihm bisher schon sechsmal und außerdem erkämpfte er auch ein paar zweite und dritte Plätze bei dieser Rallye."


In der Ausstellung kann man nicht nur Autos besichtigen, sondern auch rund 60 Modelle in Vitrinen: Dazu gehören diverse Projekte oder auch realisierte Modelle, sowie über 20 Motoren bzw. Fahrgestelle, die in Tatra-Wagen benutzt wurden. Dokumentiert wird aber auch die Herstellung von Kutschen, Eisenbahnwaggons, Militärfahrzeugen und Flugzeugen, die ebenfalls zur Tatra-Geschichte gehören. Besuchen Sie daher selbst Koprivnice, um sich mit eigenen Augen vom Ruhm der Marke Tatra zu überzeugen. Für heute verabschieden sich von Ihnen Lothar Martin und Markéta Maurová.

Fotos: www.tatra.cz