Brillianz und Brilliantine - Bericht über das 5. Prager Swingfestival
Am vergangenen Freitag ist mit einem großen Swingball das 5. Prager Swingfestival zuende gegangen. Einen Rückblick hören Sie in unserem Kultursalon von Martina Zschocke.
Brillianz und Brilliantine - liebe Zuhörer, das waren wesentliche Charakteristika des diesjährigen Prager Swingfestivals. Vom 6.-8. November wurde die Musik der 40er Jahre im Narodni dum in Vinohrady in allen ihren Spielformen und zum Teil großen Formationen ausgiebig und vor ausverkauftem Saal zelebriert. Die Höhepunkte in der weiten Palette des Festivals beschreibt Karel Stiefel, der Organisator des Festivals:
"Mit diesem Festival wollten wir die letzten vier Festivals fortsetzen. Und zu den besten Stars dieses Festivals gehören meiner Meinung nach: die Gustav Brom Big Band mit den Gästen Karel Hála und Peter Lipa, Ondrej Havelka und sein Orchester die Melody Makers, das gerade erst von einer dreimonatigen Deutschland-Tournee zurückgekehrt ist. Dann die US Air Force Europe Band und die RK Band von Rudolf Koudelka, die gerade ihr 25-jähriges Bestehen feiert. Einer unserer weiteren Gäste ist eine charismatische und sehr populäre Person der tschechischen Jazzszene: Jirí Stivín. Und vom letzten Tag des Festivals möchte ich die holländische Gruppe Jatof Swing erwähnen, und den berühmten Bassisten George Mraz. Auf dem Tenorsaxophon spielt sein New Yorker Freund Rich Perry und beide werden begleitet von zwei großartigen tschechischen Solisten: Karel Ruzicka und Ivan Smazík. Am Ende des Festivals tritt noch die All Stars Bigband von Vaclav Kozla gemeinsam mit Vlasta Pruchova, Jana Koubkova und Karel Gott auf."
Bei all dem verfolgt das Festival eine spezifische Ausrichtung:
"Wir wollten uns etwas von den anderen Festivals unterscheiden, von denen es eine Vielzahl in der tschechischen Republik gibt. Wir wollen Swing-Musik akzentuieren, aber auch Dinge, die daran anknüpfen. Wir bringen die Anfänge des Swing, Modern Swing, Mainstream, ein ganzes Spektrum dieser Musik und auch andere Gebiete von Swing, was andere Organisatoren nicht tun, die meist nur Swing-Musik aufführen."
Ein Hauptziel war es dabei auch Bigbands teilnehmen zu lassen, da diese derzeit weltweit große Probleme haben.
"Das Problem der Bigbands ist kein tschechisches Problem. Dieses Problem gibt es auf der ganzen Welt. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Kapazität der Jazzclubs limitiert und es deshalb oft ein Platzproblem ist. Oder sie sind viel zu teuer. Leider sind die goldenen Zeiten des Swing - die 40er und 50er Jahre - vorbei, als der Swing König war. Durch perfekte Technik und Computer lassen sich große Orchester heute leicht imitieren und Bigbands haben wenig Auftrittsmöglichkeiten." Eine der beim Festival anwesenden Big Bands war die US Air Force Big Band, die in den 40er Jahren von Glenn Miller gegründet wurde. Scott Vignassi leitet die Formation seit etwa einem Jahr und zeigt sich sehr erfreut mit seinen Musikern in Prag zu sein: "Oh, es ist großartig. Wir kommen gern hierher. Es ist einer unserer liebsten Auftrittsorte. Wir haben letztes Jahr im Reduta Jazzclub hier gespielt und die Leute waren phantastisch. Die Leute hier kennen sich gut im Jazz aus und sie lieben Jazz hier in Prag und da das die Musik ist, die wir mögen, ist es einfach eine perfekte Verbindung." Was ihn ganz persönlich am Swing fasziniert, erklärt er im folgenden:"Ich spiele Trompete. Als ich aufwuchs, hörte ich Louis Armstrong und wollte immer wie Louis Armstrong werden, wissen Sie. Deshalb habe ich sie immer geliebt - die Swing Musik, die Jazz Musik." Ihre Konzerte beendet die US Air Force Big Band üblicherweise mit "In the mood" von Glenn Miller, was die Band mit ihren traditionsreichen Anfängen verbindet. Auch in Prag endeten sie mit diesem Swing-Klassiker von dem Sie im Folgenden einen kurzen Ausschnitt hören werden.
Neben Swing war auch Modern Jazz zu hören, so von dem erstklassigen und hochgelobten Bassisten George Mraz. Der gebürtiger Tscheche verließ sein Heimat nach dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings 1968 und wurde alsbald zum gefragten Bassisten, der unter anderem mit Dizzy Gillespie, Stan Getz, Elvin Jones, Joe Henderson, Richard Galliano und Hank Jones spielte. Seine fließende melodische Expressivität ließ sich auch beim Swingfestival bewundern. Hören Sie ihn nun mit "Dancing on the silverlake", einer Komposition des Pianisten Karel Ruzicka.
Zu den kammermusikalischen Jazzkomponenten im Narodni dum gehörte auch Jirí Stivín, der extra für das Festival die Instrumente wechselte. "Mein Lieblingsinstrument ist die Flöte, die ich heute nicht gespielt habe. I habe nur Tenorsaxophon gespielt und Blockflöte. So habe ich heute ganz andere Instrumente gespielt als normalerweise, weil wir Swing gespielt haben. Swing ist schön mit diesen Instrumenten." In Stivins Version von "Autumn leaves" werden die Herbstblätter im Sturmwind gen Himmel geweht, hören Sie daraus nun eine kurze Probe.Zu den witzigsten Seiten der drei Festivaltage gehörte zweifellos der Conferencier, Komödiant, Golf-Champion und hervorragende Musiker Ondrej Havelka mit seinem Orchester, den Melody Makers. Seine Musiker und er trugen stilecht Zentner von Brilliantine im Haar und Havelka ergänzte den lässigen Charme mit weißer Blume am Revers und den Händen in den Hosentaschen. Einer der Zuschauer, Emmanuel Morai Iglesias aus Costa Rica äußerte sich begeistert:
"Ja für mich Ondrej Havelka ist die beste Sache, die ich gesehen habe. Das war sehr schön. Eine interessante Rekonstruktion der Musik dieser Zeit und das war auch ein bisschen komisch. Musikalisch perfekt. Klasse." Hören Sie zum Abschluß Ondrej Havelka mit "Beat Me, Daddy, Eight-To-The-Bar".
Handkuß und Schluß! So oder so ähnlich würde Havelka vermutlich schließen und ich tue es hiermit ganz in diesem Sinne. Am Mikrofon verabschieden sich von Ihnen Lothar Martin und Martina Zschocke.