Franz Werfel - ein Portrait
Prag, Anfang des 20. Jahrhunderts: Die deutschsprachigen Literaten dieser Zeit haben einen gemeinsamen Treffpunkt - das Cafe Arco in der Hybernska-Gasse. Ein Gegenpol zum Cafe Union, das der tschechischen Intelligenz als Ort für Zusammenkünfte dient. Zu den Gästen zählt neben bekannten Größen wie Max Brod, Willy Haas und Ernst Polak gelegentlich auch der Schriftsteller Franz Kafka. Der lernt hier die tschechische Journalistin Milena Jesenska kennen, zu der er eine einzigartige Beziehung entwickelt, was sich nicht zuletzt in seinen später veröffentlichten "Briefen an Milena" manifestiert. Viel häufiger ist jedoch ein Namensvetter Kafkas in diesen Räumlichkeiten zugegen: der 1890 in Prag geborene Franz Werfel. Mehr über diesen Schriftsteller, der in den 20er und 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts zu den meist gelesenen deutschsprachigen Autoren zählte, erfahren Sie im heutigen Kultursalon. Am Mikrofon begrüßt Sie hierzu Katrin Sliva.
Werfel ist das erste Kind eines wohlhabenden jüdischen Handschuhfabrikanten und dessen Frau. Er wächst in Prag auf, wo er bereits als Jugendlicher seine ersten Gedichte schreibt, die er dann, zunächst im Kreise seiner Freunde, später vor einem größeren Publikum, lauthals zum Besten gibt. In einem Tagebucheintrag Franz Kafkas aus dem Jahre 1912 heißt es in diesem Zusammenhang:
"Vorigen Samstag rezitierte Werfel im Arco die Liebeslieder und das Opfer. Ein Ungeheuer! Aber ich sah ihm in die Augen und hielt seinen Blick den ganzen Abend."
Ich bat Professor Dr. Milan Tvrdik, Leiter des Instituts für Germanistik an der Karls-Universität in Prag, uns die Beziehung der beiden Schriftsteller zueinander sowie den Zirkel im Cafe Arco insgesamt, näher zu bringen:
Viel intensiver war Werfels Beziehung zu Max Brod und vor allem zu Willy Haas, der sich für die Veröffentlichung der ersten Gedichte Werfels einsetzte. Mit Erfolg. Im Jahre 1908 erscheint in Wien, in der Tageszeitung "Die Zeit", das erste Gedicht Werfels; der Titel: "Die Gärten der Stadt Prag". Professor Tvrdik beschreibt diesen Abschnitt in Werfels Werk folgendermaßen:
Den ersten seiner historischen Romane veröffentlicht Werfel 1924. Er trägt den Titel "Verdi". Werfel gilt als großer Liebhaber der italienischen Oper.
Zu jener Zeit lebt der Schriftsteller bereits in Wien, wohin er im Sommer 1917 ins Kriegspressequartier versetzt worden war, nachdem er zuvor ein Jahr lang an der ostgalizischen Front gedient hatte. Im Jahre 1918 ist er Mitglied der Roten Garde, die ein "rotes" Wien fordert. In Wien lernt er auch seine spätere Ehefrau Alma Mahler-Gropius kennen. Der gemeinsame Sohn des Paares, Martin-Carl-Johannes, stirbt ein Jahr nach seiner Geburt. Dieses tragische Ereignis verarbeitet Werfel in einer Vielzahl von Werken. Ein ähnlicher Schicksalsschlag ereilt ihn 1935 noch einmal: Seine Stieftochter Manon Gropius stirbt in diesem Jahr an Kinderlähmung. Doch wenden wir uns wieder Werfels Werk zu, und zwar in den 30er-Jahren:
Die Religion nimmt eine zentrale Stellung in Werfels Schaffen ein. Doch schwankt er zwischen dem Judentum und dem katholischen Glauben und versucht in seinen Schriften, beide Religionen miteinander zu vereinen. Große Bedeutung für seine religiöse Entwicklung kommt seiner früheren Kinderfrau, Barbara Simunkova, zu, der er in frühester Jugend zu Messen folgt. Die Atmosphäre in der Kirche, der Prunk und nicht zuletzt der Gottesdienst an sich beeindrucken ihn nachhaltig. In seinem Roman "Barbara und die Frömmigkeit", der eindeutig autobiografische Züge aufweist, setzt er dieser Angestellten seiner Eltern ein literarisches Denkmal.
1938 muss Werfel vor den deutschen Nationalsozialisten fliehen. Als Zufluchtsort dient ihm zunächst einmal das französische Sanary-sur-Mer. Von dort aus flieht er zwei Jahre später über die Pyrenäen und erreicht im Oktober 1940 Amerika. Während der aufreibenden, mit zahlreichen Gefahren verbundenen Flucht gelobt er, dass wenn sie gerettet würden, er eine dem französischen Wallfahrtsort Lourdes ein literarisches Denkmal setzten würde. Er hält Wort und schreibt - in Amerika angekommen - den Roman "das Lied von Bernadette".
Werfel wird vor allem in den 20er und 30er-Jahren mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet. 1945 stirbt er im amerikanischen Exil. So, liebe Hörerinnen und Hörer, ich hoffe, dass ihnen unser heutiger Ausflug in die Literatur gefallen hat. Unser Kultursalon schließt für heute seine Pforten. Am Mikrophon verabschiedet sich von Ihnen Katrin Sliva.