Haus "An der Schlucht": Sommersitz Karel Capeks in Stara Hut
Ein schlichtes einstöckiges Empirehaus am Damm eines mittelböhmischen Teiches ist das Ziel unserer heutigen literarischen Reise. Unter seinem Dach verbrachte der tschechische Schriftsteller und Dramatiker Karel Capek die letzten Sommer seines Lebens und schrieb mehrere seiner Werke. Zu dem Ort, der den Namen "Na strzi" ("An der Schlucht") trägt und am Rande des Dorfes Stara Hut, nicht weit von dem Städtchen Dobris, liegt, begleiten Sie in den folgenden Minuten Marketa Maurova und Katrin Sliva.
Karel Capek und seine damals noch künftige Frau Olga Scheinpflugova planten bereits vor ihrer Hochzeit, einen ruhigen Ort auf dem Lande zu finden, wo sie die Ferien verbringen und dem Lärm der Stadt entgehen können. Damals bot ihnen ihr Freund Vaclav Palivec sein Haus in Stara Hut bei Dobris an, das sie sofort begeisterte. Weiteres erzählt uns die Leiterin der heutigen Capek-Gedenkstätte in Stara Hut, Kristina Vanova:
"Karel Capek kam hierher zum ersten Mal im Jahre 1935. Im August jenes Jahres heiratete er nach einer 15jährigen Beziehung die Schauspielerin Olga Scheinpflugova, und ihr gemeinsamer Freund Vaclav Palivec stellte ihnen als Hochzeitsgeschenk dieses Haus zur lebenslangen Benutzung zur Verfügung. Man kann sagen, dass Capek hier bloß drei Jahre seines Lebens verbrachte, dafür aber immer sehr intensiv. Er war hier vom Frühling bis in den späten Herbst in jeder freien Minute und verfasste hier zahlreiche Werke: Er arbeitete hier an dem "Krieg mit den Molchen", schrieb hier die "Weiße Krankheit", im Sommer 1937 "Die erste Kolonne", begann mit der Arbeit an "Der Mutter". 1938 verließ er Strz mit dem leider unvollendeten "Leben und Werk des Komponisten Foltyn".
Heute ist nicht genau bekannt, wie das Haus damals eingerichtet war und wie es aussah. Doch aus verschiedenen Erinnerungen und schriftlichen Berichten können wir uns eine gewisse Vorstellung darüber machen. Das Haus soll ziemlich einfach eingerichtet gewesen sein. Die Sachen, die in dem Prager Haushalt der Familie ausgedient hatten, wurden ins Haus "An der Schlucht" gebracht, viele Möbel hat Karel Capek auf Auktionen gekauft. Die Einrichtung in Strz war zwar schlicht, vor allem aber sehr bequem. Es gab dort eine Küche mit weißem Kachelofen, einen Salon mit einem Kamin, den Karel Capek bauen ließ, natürlich ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer, und vor allem drei einfache, aber elegante Dachzimmer für Freunde und Gäste, die häufig dorthin zu kommen pflegten.
"Die Gesellschaft hier war sehr bunt, sehr mannigfaltig. Einerseits kamen Karels Freunde, meistens Schriftsteller und Journalisten, andererseits aber auch zahlreiche Freunde Olgas, und das waren Schauspieler, Schauspielerinnen, ihre damaligen Kollegen aus dem Vinohrady-Theater und dem Nationaltheater."
Eine schöne Erinnerung an den Aufenthalt in Strz hat Capeks Kollege, der Redakteur Bretislav Palkovsky, uns hinterlassen. Er hielt sich dort häufig als Gast auf und beschrieb uns genau, wie ein Tag in Strz ausgesehen hatte, wie Capek morgens das Haus und den Garten umging und begutachtete, wie ihm danach Frau Mrackova Kaffee servierte, wie er schrieb und in den Abendstunden sein Arbeitszimmer verließ und unter die Gäste kam.
"Er stand sicher nicht früher als um 8 Uhr auf. Er stellte zunächst fest, was geschehen war, gewöhnlich rauchte er dabei seine erste Zigarre, weil Capek ein starker Raucher war. Wir wissen, dass er von etwa 9 Uhr bis zum Mittagessen, das gegen 12 Uhr serviert wurde, fleißig zu schreiben pflegte. Dann kam eine Pause, bis halb drei ruhte er sich aus, und machte einen Nachmittagsschlaf, um halb drei erbat er Kaffee und eine Zwischenmahlzeit und arbeitete und schrieb wieder bis 5 Uhr. Nach fünf kam er runter unter andere Leute und Gäste, machte Abendspaziergänge. Und wenn eine besonders nette Gesellschaft zusammenkam, wurde bis in die späte Nacht im Salon gesessen, Rotwein oder Sliwowitz getrunken, und der Tag wurde mit einem Chorgesang abgeschlossen.
In dem Sommerhaus wurde ein Leben wie auf dem Land geführt. Die Küche war einfach, man kochte schlichte Gerichte, die Capek aus der Zeit seiner Kindheit in Ostböhmen kannte. Für den Betrieb des Hauses sorgte ein Personal, das Capek aus Prag mitbrachte.
"Er hatte hier eine Köchin, Frau Mrackova, und ein Stubenmädchen, Frau Venhodova, deren Aufgabe es war, vor allem vor dem Beginn der Saison, das ganze Haus für seine Bewohner vorzubereiten: Fensterläden aufzumachen, zu lüften, Staub zu wischen. Weiter hatte Capek hier einen Chauffeur, Herrn Motl, der noch eine weitere Pflicht hier hatte, und zwar als Gärtner zu arbeiten. Capek machte einige Sachen im Garten sehr gerne selber. Es war für ihn auch eine gewisse Entspannung und so rief er häufig Herrn Motl in den Garten, um gemeinsam mit ihm Gartenarbeiten zu machen oder Gartenveränderungen zu planen. Das Personal, das waren aber eigentlich Familienmitglieder, die Atmosphäre war sehr demokratisch."
Das Haus hatte ein dramatisches Schicksal. Nachdem Karel Capek 1938 gestorben war, nutzte seine Frau Olga den Sommersitz während des Zweiten Weltkriegs und eigentlich bis 1948. In jenem Jahr wurde das ganze Gelände verstaatlicht und seit 1948 gab es dort Mietwohnungen. Für Frau Olga wurden einige Räume in der Mansarde bestimmt und sie konnte bis zu ihrem Tod dorthin fahren, sonst war das Haus jedoch bewohnt. Olga Scheinpflugova bemühte sich ihr ganzes Leben lang, eine Capek-Gedenkstätte in Strz zu errichten. Dies gelang Anfang der 60er Jahre. In den 90er Jahren wurde das Haus im Rahmen der Restitutionen zwar an die ursprünglichen Besitzer, die Familie Palivec, zurückgegeben, dies bedeutete jedoch für das Museum nicht das Ende. Das Haus wurde für einen symbolischen Preis von 2 Kronen pro Jahr vermietet und seit 1997 befindet sich dort eine neue Ausstellung über das Leben und Werk von Karel Capek, aber auch von seiner Frau Olga Scheinpflugova, sowie ein Dachzimmer, das an die Besuche des Journalisten und Freunds Capeks, Ferdinand Peroutka, erinnert. In den Vitrinen werden vor allem Photografien und Schriftstücke gezeigt, doch auch einige weitere Dinge, die im Haus gefunden wurden, werden dort ausgestellt:
"Wir haben z.B. den Journalistenausweis Karel Capeks gefunden, von dem wir überhaupt nicht gewusst haben. In der ursprünglichen Ausstellung war er in der Geldbörse versteckt, die geschlossen ausgestellt war. Wir haben hier auch Capeks Karte für den Prager Stadtverkehr. Da können wir sehen, dass er die letzte Marke - glaube ich - im März gekauft hat. Dann nicht mehr, weil er von April an nach Strz fuhr. Er kaufte noch die Dezembermarke, konnte diese aber leider nicht mehr nutzen, weil er im Dezember 1938 erkrankte und am ersten Weihnachtstag an Lungenentzündung gestorben ist."
In der ursprünglichen Gestalt, in der es sich zur Zeit Karel Capeks befand, finden wir heute das Arbeitszimmer im ersten Stockwerk vor. Capek hatte dort einen ganz einfachen Schreibtisch mit einen ziemlich unbequemen Stuhl. Wegen seines kranken Rückens musste er jedoch ab und zu seine Haltung ändern, und deswegen stehen auch weitere Sessel mit unterschiedlichen Lehnen und eine Couch im Zimmer. Während der Arbeit hörte er leise Radio oder Schallplatten, von denen er eine große Sammlung, besonders mit ethnischer Musik, besaß. Und natürlich konnte bei Capek eine Bibliothek nicht fehlen. Darin befinden sich besonders leichtere Romane und Unterhaltungsliteratur, die man las, wenn es draußen regnete, aber auch medizinische Bücher, die dem Vater Karel Capeks, Antonin, gehörten. Von großer Bedeutung war für Karel Capek nicht nur das eigentliche Haus, sondern auch der umliegende Garten und die Umgebung, durch die er gerne spazierte.
" Er war von dem Bach fasziniert, der die Grenze des hiesigen Grundstücks bildet. Über dem Bach erhebt sich eine Anhöhe, ein Felsen, von dem aus man eine wunderbare Aussicht auf die Umgebung hatte. Damals war die Landschaft noch nicht mit Wäldern und Bäumen bewachsen, so dass hier Capek einen Panoramarundblick hatte. In den Abendstunden beobachtete er den Sonnenuntergang über dem Teich und die einschlafenden Wälder und Hügel in der Umgebung."
Soweit unser Besuch in Capeks Haus "An der Schlucht" in Stara Hut bei Dobris. Durch das Haus hat uns die Leiterin der dortigen Gedenkstätte, Kristina Vanova, begleitet. Und bevor wir uns verabschieden, möchten wir, liebe Hörerinnen und Hörer, Ihnen eine Quizfrage stellen. Schauen Sie nach und schreiben Sie uns:
Welches Wort, das in viele Sprachen der Welt übernommen wurde, hat Karel Capek für sein Drama mit dem Titel R.U.R. erfunden?
Unsere Adresse: Radio Prag, Vinohradska 12, 120 99, Prag 2 oder die E-mail-Adresse [email protected]. Obwohl die Antwort auf unsere letzte Quizfrage, so wie es auch heute der Fall ist, im eigentlichen Programm nicht beantwortet wurde und sozusagen "erforscht" werden musste, haben wir zahlreiche Briefe von Ihnen bekommen: Das erste Schwejk-Heft Jaroslav Haseks ist 1921 erschienen. Diese richtige Antwort schickte uns u.a. Karl Heinz Dippold aus Neuried. Er bekommt dafür von uns das Buch Lenka Reinerovas "Das Traumcafe einer Pragerin". Wir gratulieren dem Gewinner und freuen uns auf ihre Zuschriften und auf weitere gemeinsame Reisen. Aus dem Studio verabschieden sich Katrin Sliva und Marketa Maurova.