Politologe Jan Petranek zum Irak-Krieg: Wendepunkt in den internationalen Beziehungen
Zum Krieg im Irak hat sich gegenüber Radio Prag auch der Politologe Jan Petranek geäußert. Katrin Sliva hat ihn zu seiner Sicht der aktuellen Geschehnisse befragt.
"Selbstverständlich war das zu erwarten. Schließlich waren die USA wegen der Verzögerungen der letzten Wochen sehr verärgert und sie wissen, dass Saddam Hussein in den vergangenen zwölf Jahren Katz und Maus mit der UNO gespielt hat und zwölf Jahre lang Massenvernichtungswaffen angehäuft und versteckt hat."
Ist im bisherigen Vorgehen der USA eine Taktik erkennbar? Herr Petranek äußerte sich dazu wie folgt:
"Sehr interessant waren Analysen großer amerikanischer Strategen, die besagten, dass die Kriegstechnologie in den vergangenen fünf Jahren zu einer derartigen Perfektion gelangt ist, dass dieser Krieg für große Überraschungen sorgen wird. Tatsächlich hat mich heute Nacht sehr überrascht, wie dilettantisch der erste Angriff auf den Irak durchgeführt wurde: Ein paar wenige Ziele auszuwählen in dem Glauben, damit eine Chance zu haben, direkt den irakischen Diktator zu treffen, zeugt von einer Naivität, die ich von der amerikanischen Führung nicht erwartet hätte."
Bedeutet ein schneller Angriff Jan Petranek zufolge auch einen schnellen, sprich kurzen Krieg?
"Heute um Viertel nach vier Uhr morgens hat der amerikanische Präsident wahrscheinlich viele mit der Aussage erstaunt, dass dieser Krieg schmerzhafter und länger werden könnte als ihn alle erwarten. Mit anderen Worten: Er gibt an dieser Stelle zu, dass es nicht einfach werden wird, aus diesem Krieg als "absoluter" Gewinner herauszugehen."
Dieser "absolute" Sieg umfasse drei Kriterien: den eindeutigen militärischen Sieg der USA über den Irak, die völlige Abrüstung des Iraks und das alte Regime durch eine neue Regierung zu ersetzen.
In seiner Rede machte Bush Hussein heute Nacht den Vorwurf, die Zivilbevölkerung als Schutzschilde zu missbrauchen. Das sei das "letzte bestialische Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dessen sich Saddam Hussein schuldig machen wird" führte Bush an. Was von diesem Vorwurf zu halten sei, fragte ich ebenfalls Jan Petranek:
"Seine Hauptmilitärkräfte in den zivilen Vierteln der Städte zu konzentrieren ist tatsächlich etwas, was nur ein gnadenloser Verbrecher ausklügeln kann. Und jemand, der sich nicht darüber im Klaren ist, dass in diesem Krieg mit ganz anderen Mitteln gekämpft werden wird."
Besonders zu berücksichtigen sei hierbei, dass die Vereinigten Staaten bereits seit zwölf Jahren Distanzkriege führen. Diese Art der Kriegsführung könne sich bislang nur die USA leisten. Ob die Information über Saddams Vorgehen glaubwürdig sei?
Ganz bestimmt, entgegnete der Politologe Petranek. Welche Bedeutung hat dieser Krieg aber im internationalen Kontext? Schließlich ist allgemein bekannt, dass es nicht gelungen ist, in dieser Frage eine Einigung zu erzielen...
"Es ist handelt sich hier um einen Präventivkrieg. Sie können ihn aber auch als Wendepunkt in den internationalen Beziehungen bezeichnen oder als erste völkerrechtliche Überraschung des 21. Jahrhunderts."