Der Krieg im Irak aus tschechischer Sicht

Der Krieg im Irak, Foto: CTK

Liebe Hörerinnen und Hörer, auch heute haben wieder für Sie eine weitere Folge von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag vorbereitet. Am Mikrophon begrüßen Sie diesmal Silja Schultheis und Robert Schuster.

Der Krieg im Irak,  Foto: CTK
Vergangenen Donnerstag fiel im Nahen Osten der Startschuss im lange vorbereiteten Krieg gegen den Irak. Aus gegebenem Anlass werden wir deshalb einen Blick auf die tschechischen Medien werfen und Ihnen die Kommentare zum Krieg im Irak näher bringen. Tendenziell lässt sich dabei feststellen, dass die Gründe - nämlich die Beseitigung des diktatorischen Regimes von Saddam Hussein - die zu einem Angriff führten mehrheitlich unterstützt werden. Dennoch äußern viele Kommentatoren ihre Sorge darüber, ob die gewählten Mittel adäquat waren, bzw. wie die künftige Weltordnung nach einem Ende des Konflikts aussehen wird.

In diese Kerbe schlägt etwa der Kommentar von Milan Vodička in der Tageszeitung Mlada Fronta Dnes ein. Der Kommentar trägt den Titel "Kriegszweifel" und dessen Autor meint, dass dieser Krieg einige sehr grundsätzlich Fragen aufwerfen würde.

"Wir befinden uns nun in einem Krieg, bei dem viele nicht wissen, was sie von ihm halten sollen. Vieles scheint an diesem Krieg nicht zusammen zu passen. Ist es nicht irgendwie seltsam, dass alle irgendwie geteilt sind? Selbst Amerika spricht nicht mit einer Stimme. Der Krieg hat noch gar nicht richtig begonnen und schon stehen wir vor den Ruinen. Bisher war das immer umgekehrt, aber jetzt befinden sich die UNO, die Beziehungen zwischen den westliche Ländern, zwischen dem s.g. alten und neuen Europa in Trümmern."

Das alles sei, so Vodicka weiter, schon ziemlich paradox, denn schließlich zweifle niemand von den Gegnern des Irak-Kriegs daran, dass das Regime von Saddam Hussein menschenverachtend sei:

"Die meisten von denen, die heute zweifeln, meinen nicht, dass die Absetzung Saddams etwas schlechtes wäre. Sie sagen nur, dass die gewählten Mittel schlecht seien. So droht nun die reale Gefahr, dass Saddams verdientes Ende angezweifelt und wieder verschoben wird."

Jirí Roskot macht sich in der Tageszeitung Pravo wiederum Gedanken über die Rolle der Vereinten Nationen am Vorabend des Irak-Konflikts. In seinem Kommentar unter dem Titel "Gleich jetzt, mit Stärke aber ohne Mandat".

"Die Vereinigten Staaten haben mit ihrem Angriff auf den Irak vor allem den Vereinten Nationen und deren System einen Schlag versetzt. Wenn es aber nach einiger Zeit zu dessen Wiederbelebung kommen wird, wird das eine grundsätzliche Frage aufwerfen: Bedeutet das einseitige Vorgehen der USA, dass in der neuen Weltordnung nach dem Irak-Krieg der UNO-Sicherheitsrat faktisch durch das Oval Office ersetzt werden wird?"

Ein zweites großes Thema in den heimischen Medien war im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg naturgemäß die Haltung der tschechischen Regierung in dieser Frage. Die Tschechische Republik hat den USA versichert, dass es das Vorgehen gegenüber dem Irak unterstützen wird, wobei Tschechien daraufhin auf die s.g. "Liste der Willigen" gesetzt wurde. Dennoch scheint jedoch die Prager Regierung in den Tagen unmittelbar vor dem Angriff auf den Irak von dieser relativ klaren Haltung abgerückt zu sein, oder hat sie einfach nur laviert? Den Grund für diese Annahme gab eine Tagung des nationalen Sicherheitsrats des Landes, der zu Beginn dieser Woche zusammentraf. Nach einer mehrstündigen Sitzung, konnte sich jedoch dieses Gremium erstaunlicherweise zu keiner eindeutigen Position durchringen.

Kann man das im Nachhinein als eine Relativierung der anfänglich stark formulierten tschechischen Position bewerten? Das fragten wir den Kommentator der Tageszeitung Lidové noviny, Pavel Mása:

"Das, was in der Tschechischen Republik zu diesem Thema zu vernehmen ist und völlig berechtigt als eine allzu zögerliche Haltung verstanden wird, hängt vor allem mit innenpolitischen Rücksichten zusammen. Meiner Meinung nach, ist einer der Hauptgründe dafür eine relativ starke Gespaltenheit der regierenden Sozialdemokraten, die gegenwärtig eine grosse inhaltliche Krise durchmachen. Vor allem ein Teil der Abgeordneten, die dem linken Flügel zuzurechnen sind, hat große Vorbehalte gegen die Regierungspolitik."

An der Beratung des tschechischen Sicherheitsrat hat erstmals auch Vaclav Klaus in seiner Funktion als Staatspräsident teilgenommen. Klaus, der Kraft seines Amtes auch oberster Befehlshaber der tschechischen Streitkräfte ist, hat schon vorher mehrmals zu erkennen gegeben, dass er ein militärisches Vorgehen gegen den Irak nur dann gutheißen würde, wenn ein klares UNO-Mandat dahinter stehen würde. Hätte es mit einem Vaclav Havel als Präsidenten eine eindeutigere Position gegeben? Das war unsere nächste Frage an Pavel Masa von Lidové noviny.:

"Ich meine das Engagement Vaclav Havels und dessen Unterstützung für die harte Haltung von US-Präsident Bush, würde vielleicht sogar etwas kontraproduktiv sein, denn ein Teil der Regierung würde darin eine gute Gelegenheit sehen, um offen gegen Havel Position zu beziehen. Das zeigte sich schon bei der Reaktion eines Teils der Regierung und auch des Regierungschefs selber auf Havels Unterschrift unter dem s.g. "Aufruf der 8", wo die Regierung ihre Verantwortung eigentlich auf jemanden anderen abschieben konnte."

Zudem sei, laut Masa, hinter der Haltung von Klaus eine gewisse Kontinuität zu früheren Militäreinsätzen zu sehen, die ebenfalls ohne UNO-Auftrag durchgeführt wurden:

"Ich meine, dass es sich hier um eine Wiederholung der Reaktion aus dem Jahr 1999 handelt, als die NATO ihre Bombenangriffe auf Jugoslawien flog und Vaclav Klaus als damaliger ODS-Chef als einziger massiv gegen diese Angriffe Stellung bezog. Es gab damals so etwas wie eine Arbeitsteilung zwischen Klaus und der Partei, wobei Klaus damals einen Standpunkt vertrat, der bei einer Mehrheit der Bevölkerung stark vertreten war. Gegenwärtig sehen wir etwas ähnliches und es ist wiederum Klaus, der heute wie damals in diesem Sinne ein stärkerer Isolationist ist."

Von der tschechischen Öffentlichkeit wird der Irak-Krieg und insbesondere eine mögliche Beteiligung tschechischer Truppen, die seit einigen Monaten in Kuwait stationiert sind, abgelehnt. Könnte das für die Mitte-Links-Regierung von Premier Vladimir Spidla auch innenpolitische Probleme bringen? Das war unsere letzte Frage an Pavel Ma"a, von Lidové noviny:

"Ich glaube, dass der Widerstand in der Bevölkerung auch im Fall einer eindeutigen Unterstützung von Seiten der Regierung, latent vorhanden sein wird. Das setzt aber voraus, dass der amerikanische Feldzug gegen den Irak relativ schnell und ohne größere Verluste über die Bühne gehen wird. Sollte das aber nicht der Fall sein und es zu großen Opfern unter der Zivilbevölkerung kommen, dann wäre das einer der Faktoren, der der kommunistischen Opposition bei Wahlen zusätzliche Stimmen bringen könnte."

Verehrte Hörerinnen und Hörer, soweit unser heutiger Medienspiegel. Für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und auf ein Wiederhören freuen sich Silja Schultheis und Robert Schuster.