Der beste Freund
Ein ständiger Begleiter, wie man ihn sich wünscht: schön und intelligent, praktisch und vielseitig, Statussymbol und individuell anpassungsfähig. Und wenn man nach einiger Zeit genug von ihm hat, ist er ohne Stress austauschbar. Beziehung kann so einfach sein! Das Mobiltelefon, verändert auch die Kommunikationskultur. Mehr dazu im folgenden Feuilleton von Katrin Sapina.
Ob in der Tram oder im Bus, ständig klingelt, piept oder vibriert es. Melodien, von Pop bis Klassik, unterbrechen meine Tagträume, wenn ich in der Bahn sitze. Und das jeden Morgen. Das kleine schnurlose Telefon, von den Tschechen "mobil" genannt, macht es möglich jederzeit und überall erreichbar zu sein. Handys haben ohne Zweifel mittlerweile eine zentrale Position in unserer Gesellschaft und in unserem Leben eingenommen. Schön und gut! Schön ist es aber nicht, die Probleme anderer Leute, die einem in der Straßenbahn gegenüber sitzen, zu hören. Es wird lamentiert und diskutiert. Sei es mit dem Partner, mit Familienmitgliedern oder mit Freunden. Auch ist es nicht gut, dass durch das Gespräch am Handy, die einst mal voneinander geschiedenen Sphären: die Private und die Öffentliche, nicht getrennt werden. Die technische Evolution in der Kommunikationsbranche macht es möglich, so denken diverse Telekommunikationsanbieter. Denn sie profitieren davon. Diese exhibitionistische Zurschaustellung der privaten Sphäre weist darauf hin, dass ein Wandel der Vorstellung von Privatheit sich mehr und mehr abzeichnet. Die Privatsphäre verlagert sich in den öffentlichen Raum. Eine andere homogene Gruppe profitiert ebenfalls von den Problemen und Plänen fremder Menschen: Voyeure. Ich nutze die öffentlichen Verkehrsmittel, täglich. Und täglich kann man sie beobachten. Voyeure lauschen nicht, sie hören provokativ zu. Während sie zuhören, wird die telefonierende Person angestarrt. Diese Art von Kommunikation ist kein "sozialer Zusatzraum". Vielmehr erscheint es mir, dass es zu einer Begrenzung des Aktionsradius des Individuums kommt. Denn warum sollte man den Gesprächspartner bei wunderschöner Atmosphäre auf der Kleinseite in Prag zu einem Cafe Latte treffen, wenn man doch das Problem mitten in der Bahn diskutieren oder lösen kann? Ich dagegen wäre froh, wenn ich meine Tagträume oder aber die architektonische Schönheit Prags genießen könnte - ohne Diskussion und Aufregung.