Wahlheimat Tschechien: Für viele Flüchtlinge und Migranten ein Neuanfang
Tschechien wurde 1989, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Öffnung nach Westen, Transitland oder gar die neue Heimat für Flüchtlinge und Migranten. Katrin Sapina sprach mit Habibi Habibullah, er hat 1989 seine Heimat Afghanistan verlassen und emigrierte nach Tschechien.
In Tschechien haben 1999 7200 Menschen um Asyl angesucht, im Jahre 2000 waren es nicht viel mehr. Eine auch bei 10 Millionen Einwohnern relativ geringe Zahl. Die tatsächliche Zahl liegt im Dunklen. Denn nur wenige derjenigen, die nach Tschechien gekommen sind beantragen Asyl. 200.000 - 300.000 Migranten und Flüchtlinge leben illegal im Land, zusätzlich zu den etwa ebenso viel legalen Arbeitsmigranten. Ich sprach mit Habibi Habibullah, er lebte 2 Jahre lang im Flüchtlingslager Cerveny Ujezd, einem Lager nahe der Grenze zu Sachsen.
Warum wählte er Tschechien als neue Heimat, fragte ich ihn. "Es war meine einzige Chance Afghanistan zu verlassen. Ich bin im Rahmen eines Schüleraustauschprogramms in die damalige Tschechoslowakei gekommen. Damals mußte es ein kommunistisch regiertes Land sein und ich entschied mich für die Tschechoslowakei. Wir hatten keine Möglichkeit ein westliches bzw. demokratisches Land zu wählen. Nach der Schulzeit bekam ich den Status eines Flüchtlings, denn zu jener Zeit herrschten politische und soziale Unruhen in Afghanistan. Ich lebte 2 Jahre lang im Flüchtlingslager und nun studiere ich in Prag."
Der 28jährige junge Mann beschrieb seinen 2 jährigen Aufenthalt im Flüchtlingslager wie folgt:
"Die Situation im Flüchtlingslager in der Tschechischen Republik im Jahre 1995 war nicht einfach. Wir hatten die Möglichkeit nur ganze 2mal einen Bus in die nah gelegene Stadt zu nehmen. Wir mussten es einen Tag vorher ankündigen, wenn wir das Lager verlassen wollten. Die Flüchtlinge mussten ein Formular für eine Ausgeherlaubniss ausfüllen und diese 24 Stunden vorher einreichen. Ansonsten war kein Ausgang möglich. Und um 22.00 Uhr war Nachtruhe. Jeder Flüchtling bekam 12 CK täglich, dies sind 360,00 CK im Monat, also ca. 12 Euro. Es teilten ca. 500 andere das gleiche Schicksal mit mir, sie alle konnten nicht zurück in die Heimat: sei es aus sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Gründen. Sie kamen aus Afrika, Asien, auch Menschen aus der Ukraine lebten im Flüchtlingslager."
Nach dem Regime-Wechsel und der somit verbundenen Demokratisierung in Afghanistan eröffnen sich dort neue Chancen. Ich fragte Habibullah nach seinen Zukunftsplänen. Wird der Afghane seine Wahlheimat verlassen, um nach Afghanistan zurückzukehren?
"Die Situation in Afghanistan ist mittlerweile viel besser geworden, auch die Chance eine Arbeit zu finden, hat sich erhöht. Allerdings studiere ich noch und kann somit nicht in den nächsten Jahren nach Afghanistan zurückkehren. Nach meiner universitären Laufbahn werde ich für einige Monate oder gar Jahre meine Heimat besuchen. Ich mag Prag sehr, es ist eine wunderschöne Stadt, doch es ist nicht meine Heimat. Meine Heimat ist Afghanistan."