Finanzreform passiert in erster Lesung das Abgeordnetenhaus
Am Donnerstag hat das tschechische Abgeordnetenhaus in erster Lesung die von der Regierung geplante Finanzreform bewilligt. Ein Ende der Diskussionen über dieses Thema bedeutet das aber noch lange nicht. Mehr zu diesem Thema von Gerald Schubert:
Die heißen Sommermonate werden, nicht nur von Journalisten, oft als Saure-Gurken-Zeit bezeichnet. In der Haupturlaubszeit stehen eben so manche Geschäftigkeiten still, die sonst die Diskussionen des Alltags beherrschen. In Tschechien jedoch kann man sich in diesem Jahr bisher nicht über einen Mangel an politischer Spannung beklagen. Die von der Regierung geplante umfangreiche Finanzreform, die auch uns von Radio Prag schon geraume Zeit beschäftigt, führte dieser Tage zu heißen Debatten im parlamentarischen Unterhaus.
Am Dienstag erst war ein Abgeordneter der regierenden Sozialdemokraten aus der Parlamentsfraktion seiner Partei ausgetreten und hatte die knappe Regierungsmehrheit von einer einzigen Stimme damit gehörig ins Wanken gebracht. Grund: Die Kommunikation zwischen dem Kabinett und der Fraktion klappe nicht, die Eckpunkte der Reform widersprächen sozialdemokratischen Grundsätzen. Umgekehrt aber muss Partei- und Regierungschef Vladimir Spidla freilich mit seinen christdemokratischen beziehungsweise liberalen Koalitionspartnern Kompromisse eingehen. Und hinter denen pflegt er dann auch zu stehen. Dass ihm die eigenen Parteifreunde dann eben Abkehr vom Wahlprogramm vorwerfen und die ausgearbeiteten Kompromisse überdies von der konservativen respektive der kommunistischen Opposition von zwei Seiten zerpflückt werden, das kann man wohl schon fast als klassische Zwickmühle bezeichnen.
Am Donnerstag aber konnte die Regierung wieder einen erfolgreichen Zug machen und vorerst Zeit gewinnen. Denn das Abgeordnetenhaus hat trotz aller Vorbehalte das Reformpaket in erster Lesung bewilligt und somit an die zuständigen Ausschüsse zur Behandlung weitergeschickt. Im September jedoch, wenn die Diskussionen im Plenum wieder aufgenommen werden sollen, darf man sich erneut auf hitzige Debatten gefasst machen. Der Chef der Sozialdemokratischen Abgeordnetenfraktion, Petr Ibl, meint schon jetzt:
"Was die weiteren Lesungen, also die zweite, die dritte Lesung betrifft, so wird es dort meiner Meinung nach sehr auf die Änderungsvorschläge ankommen, und darauf, ob sie angenommen werden oder nicht."
Einige Regierungsabgeordnete haben bereits jetzt angekündigt, auf Änderungen der derzeitigen Formulierungen beharren zu wollen. Hana Marvanova von der liberalen Freiheitsunion etwa kündigte an:
"Wir wollen die Verhandlungen nochmals eröffnen, damit sich etwa der derzeit geplante Grundmehrwertsteuersatz von 22 Prozent wieder senkt und die einzelnen Mehrwertsteuersätze sich aneinander annähern."
Ob sich also die Regierung auf Kompromisse wird einigen können, hinter denen nicht nur alle Minister, sondern auch alle Abgeordneten stehen, das wird für ihren Weiterbestand essentiell sein. Denn Premierminister Spidla hat den Erfolg der Reform bereits zur Bedingung für seinen Verbleib im Amt gemacht. Und die Opposition hat ohnehin angekündigt, die Regierung stürzen zu wollen. Petr Husak etwa, Sprecher der Demokratischen Bürgerpartei ODS, meint unumwunden:
"Natürlich besteht in der Finanzreform, respektive in ihrer Verabschiedung, eine der Möglichkeiten, wie die Regierung ihr auf 101 Stimmen gestütztes Mandat verlieren kann, was ja eigentlich auch bereits geschehen ist. Es ist dies eine der Möglichkeiten, über die in der ODS diskutiert wird, und die zum Sturz der Regierung in Erwägung gezogen werden könnte."