Vaclav Klaus: Ein halbes Jahr Präsidentschaft - abseits von Havels Fußspuren
Anfang Februar ging die letzte Amtsperiode von Langzeitpräsident Vaclav Havel zu Ende, seit sechs Monaten hat die Tschechische Republik nun ein neues Staatsoberhaupt: Vaclav Klaus. Wie fällt nach diesem halben Jahr nun ein erster Vergleich zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Präsidenten aus? Und was hat sich inzwischen alles verändert, rund um das höchste Amt im Staat? Hören Sie dazu die nun folgende Ausgabe unseres Magazins "Schauplatz" von Gerald Schubert:
Etwa zwei Monate lang gab es heftiges politisches Tauziehen hinter den Kulissen, Ende Februar war es dann schließlich so weit: Nach insgesamt neun Wahlgängen wählten die tschechischen Parlamentarier mit Vaclav Klaus einen neuen Präsidenten, dem zu Beginn wohl nur Wenige eine Chance auf das Amt eingeräumt hatten. Der Hauptgrund für die ursprüngliche Skepsis: Klaus erschien kaum als geeigneter Kompromisskandidat, der es schaffen könnte, genügend Stimmen von Abgeordneten und Senatoren aller Couleur auf seine Seite zu ziehen. Eher galt er als klassischer Partei-Hardliner. Als jemand, der unauflöslich mit der ODS verknüpft ist, der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei, die er selbst gegründet und dreizehn Jahre lang angeführt hatte.
Sein Image als kühler Politprofi und neoliberaler Wirtschaftsprofessor war außerdem so ganz anders als das seines Vorgängers Vaclav Havel. Denn jener Schriftsteller und Dissident war 1989 von der Samtenen Revolution gleichsam an die Spitze des Staates gespült worden. Und irgendwie hatte er, trotz aller politischen Erfolge, sein weltweit mit Sympathie beobachtetes, leicht tapsiges Verhalten am diplomatischen Parkett nie ganz abgelegt.
Wie beurteilen nun, nach dem ersten halben Jahr, die Tschechinnen und Tschechen ihren neuen Präsidenten? Die Meinungsumfragen attestieren Klaus hohe Beliebtheitswerte. Radio Prag hat sich auf der Straße etwas umgehört und ebenfalls gefragt: Ist Vaclav Klaus ein guter Präsident?
"Ich glaube, ja. Er ist eine Persönlichkeit, die im Ausland und bei uns sehr bekannt ist. Also weiß jeder, was er von ihm erwarten kann. Und das ist glaube ich in Ordnung."
"Für mich ist er kein guter Präsident. Denn ich habe das Gefühl, dass er in diesem halben Jahr eigentlich nichts getan hat. Wenn man das mit dem vergleicht, was Vaclav Havel während eines halben Jahres alles gemacht hat, dann bleibt Klaus dagegen weit zurück."
"Ich traue mich nicht, das zu beurteilen. Aber er ist er selbst. Und im großen und ganzen war ich immer seine Anhängerin, und bin es auch heute."
"Nun, ich denke, er verströmt nach wie vor eine gewisse Arroganz. Und das ist schade. Er sollte etwas entgegenkommender und freundlicher sein, als Präsident der Republik."
"Insgesamt ja. Er ist ein guter Präsident. Im Vergleich zum letzten Präsidenten könnte man vielleicht sagen: Er ist schlechter. Aber er selbst hat sich glaube ich gebessert. Als Persönlichkeit."
Radio Prag hat auch Tomas Sedlacek, den ehemaligen ökonomischen Berater von Havel, danach gefragt, wie er das Image der beiden Präsidenten aus heutiger Sicht beurteilt:
"Wenn ich das in einem Satz zusammenfassen sollte, dann würde ich sagen: Die Popularität von Vaclav Havel und Vaclav Klaus unterscheidet sich darin, dass Havel - vor allem in der letzten Zeit seiner Präsidentschaft - im Ausland beliebter war als bei uns. Wenn Sie in New York in ein Taxi einsteigen und den Namen Vaclav Havel erwähnen, dann reagiert darauf einfach jeder Taxifahrer. Er weiß vielleicht nicht, wo die Tschechische Republik ist, und auch Prag sagt ihm nichts. Aber den Namen Vaclav Havel kennt er. Bei Vaclav Klaus ist das umgekehrt. Der erfreut sich in Tschechien hoher Popularität, aber im Ausland gibt es hier im Vergleich zu Havel einen großen Unterschied."
Martin Krafl, er war früher Direktor der Presseabteilung der Präsidentschaftskanzlei und hat gemeinsam mit Havel etwa sechzig Länder bereist, sieht das ähnlich:
"Beide Präsidenten sind starke Persönlichkeiten, und beide haben in der Politik viel erlebt. Aber ich persönlich merke einen Unterschied in der Konzeption ihrer Entscheidungen und im Prinzip ihrer politischen Aktivitäten. Für Vaclav Havel war seine Popularität im Lande eigentlich nicht so wichtig. Er hat sich immer bemüht, objektive politische Entscheidungen zu treffen. Es war dabei für ihn nicht wichtig, ob seine politische Entscheidung für die Tschechen allgemein akzeptierbar war. Vaclav Klaus entscheidet meines Erachtens anders, und zwar meistens im Einklang mit der öffentlichen Meinung."
Ein ganz anderer politischer Stil also. Jedoch: Noch etwas fällt auf. Vaclav Klaus hat auch in der Präsidentschaftskanzlei so gut wie keinen Stein auf dem anderen gelassen. Der Großteil des Personals, das immerhin auf langjährige Erfahrung im Umgang mit präsidialen Angelegenheiten zurückblicken kann, ist längst nicht mehr auf der Prager Burg, dem Amtssitz des Staatsoberhaupts, tätig. Von Vielen wurde das als zu radikaler Bruch kritisiert, der neue Kanzleichef Jiri Weigl jedoch verteidigt diese Vorgehensweise:
"Die Präsidentschaftskanzlei unter Präsident Havel und die unter Präsident Klaus zu vergleichen, das ist wie ein Vergleich zwischen Birnen und Äpfeln. Denn so unterschiedlich die Persönlichkeit der beiden ist, so unterschiedlich muss auch ihr Büro sein. Jeder Präsident wählt sich sein eigenes Team. Und restrukturiert die Kanzlei nach seinen eigenen Bedürfnissen, nach seinem Charakter, nach der Funktionsweise, an die er gewohnt ist."
Einer der außenpolitischen Meilensteine des letzten halben Jahres war natürlich das Referendum über den EU-Beitritt Tschechiens. Während Ex-Präsident Vaclav Havel sich hörbar zu Wort meldete und den Weg Tschechiens nach Europa eindringlich unterstütze, hüllte sich das amtierende Staatsoberhaupt Vaclav Klaus in Schweigen. Stets hatte Klaus ja als Euroskeptiker gegolten. Vor dem Referendum gab er dann weder eine Wahlempfehlung ab, noch sagte er, wie er selbst stimmen werde. Allerdings meinte er auch, er habe seine Haltung bereits zum Ausdruck gebracht, und zwar durch die Unterschrift unter den Beitrittsvertrag von Athen.
Tatsache ist: Valclav Klaus polarisiert. Die einen verehren ihn geradezu, für andere ist er ein rotes Tuch. Manche bewundern sein selbstbewusstes Auftreten, manche finden ihn schlichtweg arrogant. Sein umstrittenes Vorgehen beim Referendum jedenfalls, das gab wohl beiden Gruppen neue Nahrung. Für seine Anhänger war es symptomatisch für ein selbstbewusstes Agieren, das sich kühl abwägend an den tschechischen Interessen orientiert, für seine Gegner ein Beweis einer isolationistischen Selbstverliebtheit. Wie auch immer: Starkes Auftreten nach außen kommt bei den Tschechen mehrheitlich gut an. Denn obwohl das Land mit seinen zehn Millionen Einwohnern bei weitem nicht zu den kleinsten in der EU zählt, empfinden viele es doch als zu klein und zu schwach, um sich auch in Europa gut behaupten zu können.
Was Fragen der Europäischen Integration betrifft, so ist Klaus also bekanntermaßen zurückhaltend. Im Ausbau der bilateralen Beziehungen, etwa zu Deutschland, hat er jedoch Akzente gesetzt, die jenseits der tschechischen Grenzen durchaus positiv aufgenommen wurden. So bezeichnete Klaus etwa bald nach seinem Amtsantritt die gewaltsame Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg als aus heutiger Sicht unannehmbar und setzte damit eine Geste, die sicher zur weiteren Verbesserung der Beziehungen beitrug, die ja in der jüngsten Vergangenheit nicht immer problemlos waren. Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin kam Klaus dann ebenfalls auf seine Vorstellung vom Umgang mit der Geschichte zu sprechen:
"Die Vergangenheit ist da, und die Fragen der Vergangenheit sind da. Wir wissen, dass wir diese Fragen diskutieren können und müssen; auch beurteilen, manchmal auch kritisieren. Aber diese Fragen können wir nicht heute lösen. Die Vergangenheit kann man überhaupt nicht lösen."
Dort, wo Vaclav Havel ein Anhänger internationaler Strukturen war, setzt Vaclav Klaus lieber auf bilaterale Beziehungen und nicht so sehr auf europäische Integration. Im Inland sammelt er damit vorerst Punkte. Doch bei all dem steht der langgediente Politiker eigentlich erst am Anfang. Denn Vaclav Havel war fast 14 Jahre lang Präsident. Klaus ist es eben erst seit sechs Monaten.