„Samtene Scheidung“: Vor 30 Jahren wurde die Teilung der Tschechoslowakei beschlossen
Václav Klaus und Vladimír Mečiar sitzen beim informellen Gespräch unter einem Baum im Garten der Brünner Villa Tugendhat. Dieses Foto von Jef Kratochvil wurde zum Symbol der Teilung der Tschechoslowakei. Aufgenommen wurde es vor genau dreißig Jahren.
Die schicksalhafte Entscheidung vom 26. August 1992 lautete, dass die Tschechoslowakei mit dem letzten Tag des Jahres aufgelöst wird. Die Diskussion darum hatte nach den Parlamentswahlen im Frühjahr begonnen. Die Bürgerdemokraten (ODS) als Sieger im tschechischen Landesteil und die Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) als Gewinner im slowakischen Teil hatten unterschiedliche Vorstellungen über die Zusammensetzung des Staates. Und als im Juli 1992 die slowakischen Abgeordneten im gemeinsamen Parlament eine Wiederwahl Václav Havels als Staatspräsident verhinderten, rückte das Ende der Tschechoslowakei noch ein Stück näher.
„Ich wollte immer und will auch weiter etwas Gutes für alle Mitbürger schaffen. Die Funktion des föderalen Präsidenten ermöglicht mir nun keine kreative und konstruktive Arbeit mehr“,
konstatierte Havel bei seiner Abdankung. Währenddessen verabschiedete der Slowakische Nationalrat die „Erklärung über die Souveränität der Slowakischen Republik“. Daraufhin kamen die Vorsitzenden der beiden Siegerparteien – Václav Klaus für die ODS und Vladimír Mečiar für HZDS – in der Villa Tugendhat in Brno / Brünn zusammen. Sie einigten sich über den Zeitplan, den Mečiar in der anschließenden Pressekonferenz verkündete:
„Wir gehen davon aus, dass am 1. Januar 1993 die Tschechische Republik und die Slowakische Republik als zwei Staatengebilde entstehen.“
In Bezug auf die Teilung wurde auch von einer „samtenen Scheidung“ gesprochen – in Anlehnung an die Bezeichnung „Samtene Revolution“ für die Wende von 1989. Denn eine staatliche Trennung, die in Absprache und gänzlich ohne gewaltsame Konflikte vonstattenging, sei in der Welt eine Seltenheit, betont Daniel Kroupa. Der Philosoph und Politologe war 1992 Vizevorsitzender der konservativen Demokratischen Bürgerallianz ODA. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erinnerte er sich:
„Für mich war die Teilung eine große Enttäuschung. Denn ich glaube, dass sie aus allgemeiner Sicht nicht notwendig war. Sie wurde aber nötig, als in der Slowakei nationalistische Kräfte gewonnen hatten. Dazu muss man wissen, dass die Mehrheit der tschechischen und der slowakischen Bevölkerung sich den Umfragen nach einen Zusammenhalt des gemeinsamen Staates wünschten.“
Anders sei aber die Haltung der meisten Politiker in der Slowakei gewesen, fährt Kroupa fort. Die friedliche Einigung der einflussreichsten Parteien sei nicht selbstverständlich gewesen, und ohne diese hätte die Situation durchaus auch gefährlich werden können, so die Einschätzung des Experten.
Obwohl die Vorgänge von vor 30 Jahren heute allgemein als Glücksfall bewertet werden, seien die Auswirkungen doch nicht nur positiv gewesen, meint Kroupa:
„Aus politischer und ökonomischer Sicht war dies ein großer Nachteil für beide Republiken. Denn die Tschechoslowakei hatte als größeres Land natürlich eine stärkere Stimme sowie ein deutlich höheres Potential. Zudem konnte sie sich mehr Vielfalt leisten, und dies nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern zum Beispiel auch in der Kultur.“
Ähnliches gelte für den Bereich der internationalen Politik, ergänzt der Politologe. Im Ergebnis habe die Teilung für Tschechien und für die Slowakei diesbezüglich eine Schwächung bedeutet. Obwohl beide Länder inzwischen wieder in der EU zusammengefunden haben, würden sie doch jeder für sich ein geringeres politisches Gewicht darstellen, als es eine gemeinsame Tschechoslowakei gehabt hätte, urteilt Kroupa.