"Reporter ohne Grenzen": Situation der Pressefreiheit hat sich in Tschechien deutlich verbessert
Herzlich willkommen nun bei Radio Prag zum Medienspiegel, der sich heute in erster Linie um den am Montag veröffentlichten Jahresbericht der Organisation "Reporter ohne Grenzen" zur Medienfreiheit dreht.
"Tschechische Fernsehserien haben sich von westeuropäischen immer unterschieden. Die westlichen waren besser. Die negativen Helden in unseren Serien waren immer lächerlich, man hat beim Fernsehen wenig geweint und wenig gelacht, mit den Helden konnte man sich nicht identifizieren. Der einzige, der Drehbücher mit lebensnahen Personen schreiben konnte, war Jaroslav Dietl, Autor von "Das Krankenhaus am Stadtrand. Die Autoren seiner Fortsetzungsfolgen haben offenbar Schritt für Schritt Dietls Handwerk studiert und es an die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse angepasst. Sie wissen, dass eine TV-Serie, um erfolgreich zu sein, Opium für die breiten Massen sein muss und zugleich nicht am aktuellen Geschehen auf der Welt vorbeigehen darf. Die Fortsetzung der Serie war eine weise Entscheidung und kann bislang als erfolgreich bezeichnet werden."
Themenwechsel: Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" hat am Montag ihren zweiten Jahresbericht zur Pressefreiheit in insgesamt 164 Ländern der Welt veröffentlicht. Wie wir bereits in unserem Tagesecho berichteten, schneidet die Tschechische Republik darin deutlich besser ab als im Vorjahr und kletterte von Platz 41 auf Platz 14.Wie dieser rasante Aufschwung zu erklären ist, fragte ich zunächst Sabina Strunk, die Pressesprecherin der deutschen Sektion von "Reporter ohne Grenzen"
"In der Tat hat sich die Situation der Medien in der Tschechischen Republik gegenüber dem Vorjahr erheblich verbessert. Wir hatten im Vorjahr Versuche registriert, Einfluss zu nehmen und konkret auch Zeitschriften einzuschüchtern, wir hatten auch den schwerwiegenden Fall von der geplanten Ermordung einer erfolgreichen Enthüllungsjournalistin. Und das hat im letzten Jahr dazu geführt, dass die Tschechische Republik nur auf dem 41. Platz gelandet ist. Obwohl der 41. Platz auch damals schon ordentlich war, wenn man es mit den anderen europäischen Staaten vergleicht."
Über mögliche Gründe für das positive Abschneiden Tschechiens in puncto Pressefreiheit unterhielt ich mich auch mit Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin, der seit vielen Jahren das Geschehen auf der tschechischen medialen Szene verfolgt:
Schultheis: "Herr Sonka, Tschechien hat da einen ziemlichen Sprung nach vorne gemacht im Vergleich zum letzten Jahr - überrascht Sie das?"
Sonka: "Nein, das überrascht mich eigentlich nicht so sehr, denn Auffälliges hat es eben nicht gegeben. Es hat einige Qualitätseinbußen gegeben im Boulevardjournalismus, einige Blätter sind aufgekommen und wieder gescheitert. Aber insgesamt ist das, was tschechische Zeitungen soweit der Welt offenbaren und was auch, z.B. hier in Berlin, im Hörfunk zitiert wird, besser geworden und man kann damit in die Welt hinausgehen und behaupten, die Szene sei relativ normal."
Schultheis: "Jetzt ist der 14. Platz von 164 ja nicht nur guter Durchschnitt, sondern wirklich Spitze. Finden Sie, dass das gerechtfertigt ist, war die Entwicklung hier in der letzten Zeit im Medienbereich wirklich so positiv?"
Sonka: "Man sollte auch wieder andererseits sagen, dass die Tschechische Republik, selbst wenn man sie aus den Nachbarländern betrachtet, im Nachrichtenschatten ist. Das bedeutet, dass man vieles, was hier passiert, gar nicht wahrnimmt. Wenn sich jemand hinsetzen würde und sagen, ich suche kritische Punkte in der tschechischen medialen Szene, dann würde er sie tatsächlich finden. Die gibt es und hier gibt es noch viel Arbeit zu leisten."
Schultheis: "Über welche negativen Entwicklungen konkret täuscht so ein Bericht dann möglicherweise hinweg?
Sonka: "Also, es ist so, dass immer noch viele tschechische Journalisten das Gefühl haben, dass sie eine bestimmte Meinungsstruktur vertreten müssten, wenn Sie in ihrem Medium für eine Meinung zuständig sind. Immer noch gibt es viele, die meinen, dass weil früher die kommunistische Zeit vermeintlich links war, man jetzt rechts sein muss, um eine richtige Position zu haben. Kaum jemand sieht, dass dieses heftige Sich-Abwenden von der Vergangenheit auch auf der anderen Seite bedeutet, dass man selber eine bestimmte Tendenz annimmt. Und das ist das, was überwunden werden muss, es muss akzeptiert werden, dass Pluralität herrscht und dass derjenige, der eine andere Meinung vertritt, kein Schweinehund ist."
Schultheis: "Die EU-Beitrittsstaaten haben in dieser Statistik alle sehr gut abgeschnitten. Die "Reporter ohne Grenzen" sehen das ja auch als Maßstab dafür, wie demokratisch ein Land ist. Oder umgekehrt: Je demokratischer ein Land ist, desto besser schneidet es auch in so einem Ranking ab. Man könnte daraus im Grunde den Schluss ziehen, dass der Übergang dieser Transformationsgesellschaften zu demokratischen Gesellschaften quasi vollzogen ist, wäre das voreilig, was die Situation der Medien anbelangt?"
Sonka: "Ich würde sagen, dass es natürlich nicht nur die Medienlandschaft betrifft, sondern es betrifft die ganze Gesellschaft. Ich möchte darauf hinweisen, dass vor 14 Tagen die Europäische Kommission ebenfalls einen Bericht herausgegeben hat, der heißt "Equality, diversity and enlargement". Es geht dort um gleiche Rechte und darum, was man mit den Minderheiten macht und wie sich das auf die EU-Erweiterung auswirken kann. Und dort wird in den Kandidatenländern eine große Mängelliste präsentiert, wenn es etwa darum geht, die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu betrachten oder die Arbeit mit Minderheiten. Und die Medien sind nicht besser als die Gesellschaft selbst. Wenn man diese beiden Berichte vergleicht, dann kommt man zu dem Schluss, dass man gut auf dem Weg ist, aber dass der Weg noch nicht absolviert ist."